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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 18.08.1999
Aktenzeichen: VII B 106/99
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO, ZPO, GmbHG, EStG
Vorschriften:
AO 1977 § 69 | |
AO 1977 § 34 | |
AO 1977 § 191 Abs. 1 | |
FGO § 102 | |
FGO § 142 Abs. 1 | |
ZPO § 114 | |
GmbHG § 35 Abs. 1 | |
EStG § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 |
Gründe
I. Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) hat den Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer KG durch Haftungsbescheid für rückständige Umsatzsteuer, Lohnsteuer/Kirchenlohnsteuer, Solidaritätszuschläge, Säumniszuschläge und Verspätungszuschläge der GmbH & Co. KG in Anspruch genommen. Im Haftungsbescheid und der Einspruchsentscheidung stellte das FA darauf ab, daß der Antragsteller seine steuerlichen Verpflichtungen als Geschäftsführer nach §§ 69, 34 der Abgabenordnung (AO 1977) grob fahrlässig verletzt habe, indem er die Löhne für März bis Mai 1995 in voller Höhe bzw. im Mai 1995 in nicht nachprüfbarer Weise gekürzt ausbezahlt habe, ohne die darauf zu entrichtende Lohnsteuer, Kirchenlohnsteuer und den Solidaritätszuschlag bei deren Fälligkeit an das FA abzuführen, sowie Umsatzsteuer für Dezember 1994 und April/Mai 1995 nicht entrichtet habe. Das FA ging nach Rücksprache mit dem Antragsteller und dem Konkursverwalter der GmbH & Co. KG auch davon aus, daß die zur Ermittlung der Haftungsquote bei der Umsatzsteuer notwendigen Unterlagen nicht mehr vorgelegt werden können und daß der KG mangels anderweitiger glaubhafter Aussagen im Haftungszeitraum noch genügend Mittel zur Zahlung der Steuerschulden zur Verfügung gestanden hätten. Da die geltend gemachten Steuerforderungen wegen der Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens gegenüber der GmbH mangels Masse und der Eröffnung eines Konkursverfahrens gegenüber der GmbH & Co. KG nicht realisiert werden könnten, sei die Inanspruchnahme des Antragstellers durch Haftungsbescheid sach- und ermessensgerecht.
Dem Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) hinsichtlich der nach dem Mai 1995 angefallenen Säumniszuschläge stattgegeben und für einen Haftungsbetrag von ... DM PKH gewährt. Im übrigen hat es den Antrag wegen mangelnder Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antragsteller habe die ihn als Geschäftsführer treffenden steuerlichen Pflichten nach §§ 69, 34 AO 1977 grob fahrlässig verletzt, weil er es unterlassen habe, bei Auszahlung der Löhne in voller Höhe für März und April bzw. bei teilweiser Zahlung der Löhne für Mai 1995 den darauf entfallenden Betrag von Lohnsteuer, Kirchenlohnsteuer und Solidaritätszuschlag anteilig einzubehalten, bzw. die Löhne entsprechend den vorhandenen Zahlungsmitteln zu kürzen. Eine Haftungsbeschränkung für den Monat Mai 1995 als dem letzten Lohnzahlungszeitraum (ab Juni 1995 wurde Konkursausfallgeld bezahlt) auf die Höhe der Nettolöhne komme nicht in Betracht, weil der Antragsteller Unterlagen über die im Zeitpunkt der letzten Lohnzahlung noch vorhandenen Geldbeträge der KG nicht beigebracht habe, obwohl er hierfür die Beweislast trage (Hinweis auf Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. Januar 1996 VII B 189/95, BFH/NV 1996, 589).
Der Antragsteller könne sich auch nicht darauf berufen, daß er zum Zeitpunkt der Fälligkeit der rückständigen Steuern arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und deshalb möglicherweise den bestellten Vertreter nicht ordnungsgemäß habe überwachen können. Sei der Geschäftsführer aufgrund besonderer Umstände nicht in der Lage, seine dem Unternehmen geschuldete Leistung zu erbringen, müsse er als Geschäftsführer zurücktreten oder geeignete Maßnahmen ergreifen, damit die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte des Unternehmens sichergestellt werde. Das Bemühen des Geschäftsführers, erst im Nachhinein in den Besitz von Geschäftsunterlagen und der Buchführung zu gelangen, genüge nicht, um sich hinsichtlich seiner nach außen bestehen gebliebenen Geschäftsführungspflicht zu entlasten. Das gelte auch für die Nichtentrichtung der rückständigen Umsatzsteuer. Stünden zur Begleichung der Steuerschulden keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, so betreffe die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Schmälerung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur den Teil der Steuerschulden, um den der gesetzlich Verpflichtete (= Antragsteller) das FA gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt habe. Könne die Tilgungsquote nicht ermittelt werden, weil --wie im Streitfall-- keine Aufzeichnungen vorgelegt werden können, müsse der Antragsteller die für ihn ungünstige Sachverhaltsauslegung gegen sich gelten lassen. Der Senat gehe daher davon aus, daß die verfügbaren Mittel der KG im Haftungszeitraum ausreichten, um die umsatzsteuerlichen Verpflichtungen in vollem Umfang zu erfüllen. Der Einwand des Antragstellers, die Verpflichtung der vollständigen Begleichung der Lohnsteuer mache es unmöglich, hinsichtlich der Umsatzsteuer, alle Gläubiger gleichmäßig zu befriedigen, gehe fehl, weil die Lohnsteuer vom Arbeitgeber für die Arbeitnehmer einbehalten werde und für die Zahlung von Verbindlichkeiten des Unternehmens nicht zur Verfügung stünde.
II. Die gegen diesen Beschluß gerichtete Beschwerde des Antragstellers, mit der er weiterhin die Gewährung von PKH über den Betrag hinaus, den ihm die Vorentscheidung zugebilligt hat, begehrt, ist unbegründet. Das FG hat es insoweit im Ergebnis mit Recht abgelehnt, dem Antragsteller PKH für seine Klage gegen den Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung zu gewähren. Die Klage des Antragstellers gegen den Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung bietet nach Auffassung des Senats über den gewährten Betrag hinaus keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung --ZPO--).
Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 ZPO ist PKH zu bewilligen, wenn der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn ferner die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund dessen Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für den Eintritt des angestrebten Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Beschlüsse vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217; vom 22. Februar 1994 VII B 114/92, BFH/NV 1994, 822, m.w.N.).
1. Es kann dahinstehen, ob die Voraussetzung der Hilfsbedürftigkeit des Antragstellers in dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des beschließenden Senats (noch) vorliegt (vgl. BFH-Beschluß vom 8. Mai 1996 V B 32/95, BFH/NV 1996, 941). Denn es fehlt jedenfalls daran, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung in dem Verfahren ... über den bereits vom FG ermittelten Teilbetrag von ... DM hinaus (= Haftungsbetrag für Säumniszuschläge) hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Die Schlußfolgerungen des FG, der Antragsteller habe seine Pflichten als Geschäftsführer grob fahrlässig verletzt und infolgedessen den Haftungstatbestand des § 69 i.V.m. § 34 AO 1977 erfüllt, sind bei der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht zu beanstanden.
a) Als alleiniger Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der GmbH & Co. KG war der Antragsteller gemäß § 35 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung i.V.m. § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes dazu verpflichtet, die streitbefangene Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer sowie den Solidaritätszuschlag bis zum 10. Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums (Kalendermonat) an das FA abzuführen. Gleiches gilt für die Umsatzsteuern, hier hatte der Antragsteller insbesondere dafür zu sorgen, daß die Steuern aus den Mitteln entrichtet wurden, die er verwaltete (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Diese Verpflichtungen hat der Antragsteller nicht erfüllt.
Der Antragsteller haftet nach § 69 AO 1977 dann, wenn er die ihm gesetzlich auferlegten steuerlichen Pflichten zumindest grob fahrlässig verletzt hat. Nach den bisherigen Feststellungen des FG und den Auskünften des Antragstellers handelte dieser als Geschäftsführer in dem fraglichen Zeitraum nicht selbst, sondern hatte infolge einer längeren schweren Erkrankung Herrn M mit der Geschäftsführung der GmbH beauftragt. Eine Haftung des Antragstellers kommt daher --wie das FG zutreffend erkannt hat-- nur in Betracht, wenn der Antragsteller sich ein grob fahrlässiges Verhalten des M bei der Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH im Rahmen seiner Haftung nach § 69 AO 1977 zurechnen lassen muß (vgl. Senatsurteile vom 30. August 1994 VII R 101/92, BFHE 175, 509, BStBl II 1995, 278, und vom 30. Juni 1995 VII R 85/94, BFH/NV 1996, 2). Der Geschäftsführer ist aber verpflichtet, diejenigen Personen, denen er die Erledigung der ihm als Vertreter der Steuerpflichtigen auferlegten steuerlichen Pflichten überträgt, sorgfältig auszuwählen und laufend und sorgfältig bei der Durchführung der ihnen übertragenen Aufgaben zu überwachen. Insbesondere hat er sich ständig so eingehend über den Geschäftsgang zu unterrichten, daß er unter normalen Umständen mit der ordnungsgemäßen Erledigung der Geschäfte rechnen kann bzw. daß ihm ein Fehlverhalten des beauftragten Dritten rechtzeitig erkennbar wird. Mangelhaftes Überwachen der zur Pflichterfüllung herangezogenen Personen hat der Senat regelmäßig als grob fahrlässige Pflichtverletzung ("Überwachungsverschulden") eingestuft, gleichwohl jedoch betont, daß die Entscheidung, welche Überwachungsmaßnahmen von einem Geschäftsführer zu treffen sind, wenn er die Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten auf andere überträgt, weitgehend von den Umständen des Einzelfalles abhängt (vgl. Entscheidungen des Senats vom 5. März 1985 VII R 134/80, BFH/NV 1986, 61; vom 2. Juli 1987 VII R 162/84, BFH/NV 1988, 220; in BFHE 175, 509, BStBl II 1995, 278, und in BFH/NV 1996, 2). An die Überwachungsmaßnahmen eines Geschäftsführers müssen jedoch um so größere Anforderungen gestellt werden, je weniger dieser sich ein auf Tatsachen gegründetes Urteil bilden konnte, ob die für die Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten der Gesellschaft hinzugezogene Person die notwendige Gewähr der zuverlässigen Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten der Gesellschaft bietet (vgl. Senatsbeschluß vom 5. März 1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325).
Auf sein eigenes Unvermögen, seinen Aufgaben als Geschäftsführer nachzukommen, kann sich niemand berufen (vgl. z.B. Entscheidungen des Senats vom 11. November 1986 VII R 201/83, BFH/NV 1987, 212, und vom 7. Mai 1985 VII R 111/78, BFH/NV 1987, 210). Wer den Anforderungen, die an einen gewissenhaften Geschäftsführer gestellt sind, nicht oder nicht mehr entsprechen kann, muß vielmehr von der Übernahme des Geschäftsführeramts absehen bzw. es niederlegen (vgl. Beschluß des Senats vom 5. März 1985 VII B 69/84, BFH/NV 1987, 422). Wer hingegen die Stellung eines Geschäftsführers übernommen hat, haftet, sofern ihm auch der Vorwurf persönlichen Verschuldens mindestens vom Grade grober Fahrlässigkeit gemacht werden kann, nach § 69 AO 1977 grundsätzlich auch dann, wenn er nicht befähigt oder aus irgendwelchen Gründen nicht in der Lage ist, seinen Überwachungsaufgaben und seiner Pflicht, die Person sorgfältig auszuwählen, der er die Erledigung steuerlicher Angelegenheiten der GmbH und damit die Erfüllung seiner eigenen Pflichten überläßt, nachzukommen. Bei unterlassener Überwachung eines zur Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen Beauftragten kommt allerdings ein haftungsbegründendes, grob fahrlässiges Verhalten in der Regel nur dann in Betracht, wenn die Überwachungsmaßnahmen, zu deren Vornahme im Einzelfall Anlaß bestanden hätte, auch geeignet gewesen wären, die Beanstandungen zu verhindern (vgl. Senatsurteil vom 27. November 1990 VII R 20/89, BFHE 163, 106, BStBl II 1991, 284).
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze hat das FG zu Recht angenommen, daß der Antragsteller seine Pflichten als Geschäftsführer grob fahrlässig nicht ordnungsgemäß erfüllt und damit den Tatbestand des § 69 AO 1977 verwirklicht hat. Zwar trägt der Antragsteller nunmehr vor, daß Herr M mit Aufgaben der Geschäftsführung als Interimsmanager für verschiedene Unternehmungen ständig betraut gewesen sei und damit eine ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte des Unternehmens gewährleistet habe. Eine weitere Überwachung sei ihm aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit infolge schwerwiegender Erkrankung nicht möglich gewesen. Damit gibt der Antragsteller selbst jedoch zu erkennen, daß er M, ohne dessen berufliche Zuverlässigkeit und Rechtschaffenheit zu kennen, lediglich deshalb mit den Geschäftsführungsaufgaben betraut hat, weil dieser häufig kurzfristig Geschäftsführeraufgaben für verschiedene Unternehmungen wahrgenommen hat. Als Geschäftsführer der GmbH war es indessen nach § 34 Abs. 1 AO 1977 die Pflicht des Antragstellers, dafür Sorge zu tragen, daß die GmbH die von ihr geschuldeten Steuern zahlt. Gerade wenn sich der Antragsteller aufgrund seiner Krankheit nicht in der Lage sah, die steuerlichen Angelegenheiten der GmbH selbst wahrzunehmen oder den damit betrauten M wirkungsvoll zu überwachen, durfte er die Erfüllung der Pflichten aus § 34 Abs. 1 AO 1977 einem Dritten wie M nicht überlassen, ohne über dessen Geschäftsgebaren genau Bescheid zu wissen und seine Persönlichkeit anhand von Tatsachen zuverlässig einschätzen zu können (vgl. Senatsbeschluß in BFH/NV 1998, 1325). Daß der Antragsteller bei der Auswahl des M die gebotenen Vorkehrungen getroffen hätte, um die Verletzung der steuerlichen Verpflichtungen rechtzeitig erkennen und unterbinden zu können, ist weder vorgetragen worden noch sonst erkennbar. Die Erkrankung des Antragstellers, über deren Schwere, Dauer und Verlauf er bislang weder ein ärztliches Attest vorgelegt noch sonst nähere Ausführungen gemacht hat, ist nicht geeignet, sein Fehlverhalten zu entschuldigen. Wenn der Antragsteller trotz der sicheren Erkenntnis, daß er infolge seiner Erkrankung für einen langen Zeitraum nicht in der Lage sein werde, die ihm obliegenden Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen, von seinem Amt als Geschäftsführer nicht zurückgetreten ist, sondern sich entschlossen hat, die Geschäftsführung beizubehalten, und sich lediglich eines Erfüllungsgehilfen zu bedienen, so hatte er insoweit auch die Pflichten einer ordnungsgemäßen Auswahl und Überwachung des Erfüllungsgehilfen zu erfüllen.
b) Da der dem FA entstandene Steuerausfall durch das pflichtwidrige Verhalten des Antragstellers mitverursacht worden ist, haftet er für die nichtentrichtete Lohnsteuer zuzüglich Nebenleistungen und Umsatzsteuer nach § 69 AO 1977.
Die Haftung tritt indes nur in dem Umfang ein, als es bei ordnungsgemäßer Auswahl und Überwachung des zur Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen der GmbH Beauftragten durch den Antragsteller zu dem Steuerausfall nicht gekommen wäre. Im einzelnen gilt hierfür folgendes:
Hinsichtlich der Verpflichtung, die Lohnsteuer, einschließlich der Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlags, bis zum 10. Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteueranmeldungszeitraums an das FA abzuführen, hat der Senat in ständiger Rechtsprechung erkannt, daß der Geschäftsführer einer GmbH bei zur vollständigen Begleichung der Löhne unzureichenden Zahlungsmitteln verpflichtet ist, die Löhne in einem Umfang zu kürzen, der eine gleichmäßige Befriedigung der Arbeitnehmer hinsichtlich der Löhne und des FA hinsichtlich der auf die gekürzten Löhne entfallenden Lohnsteuern sicherstellt (vgl. Senatsurteile vom 20. April 1982 VII R 96/79, BFHE 135, 416, BStBl II 1982, 521, und vom 6. März 1990 VII R 63/87, BFH/NV 1990, 756). Dieser Verpflichtung ist der von dem Antragsteller beauftragte M nicht nachgekommen. Vielmehr hat er während des Haftungszeitraums die Nettolöhne bis auf den Mai 1995 ungekürzt an die Arbeitnehmer ausgezahlt und dadurch bewirkt, daß die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht erfüllt worden sind. Infolge der vom Antragsteller als Geschäftsführer zu erwartenden Kenntnis dieser Verpflichtung hätte er bei ordnungsgemäßer Überwachung des von ihm beauftragten M auf die gebotene Kürzung der Löhne und eine anteilige Befriedigung der Arbeitnehmer und des FA hinweisen müssen; daß er selbst zu einem derartigen Hinweis an den beauftragten M aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage gewesen wäre, hat der Antragsteller nicht überzeugend dargelegt.
Zu Recht hat das FG die Voraussetzungen für eine Haftungsbeschränkung auch für den letzten Lohnzahlungszeitraum nicht für gegeben erachtet. Die Annahme einer Haftungsbeschränkung setzt voraus, daß der von dem haftenden Geschäftsführer vertretenen GmbH ab dem Zeitpunkt der letzten Lohnzahlung nur Mittel in Höhe der ausbezahlten Nettolöhne zur Verfügung standen. Für diesen außergewöhnlichen Sachverhalt trägt der Haftungsschuldner die objektive Beweislast (vgl. Senatsbeschluß in BFH/NV 1996, 589, m.w.N.). Den Nachweis, daß die Gesellschaft ihre Zahlungen nach Auszahlung der letzten Nettolöhne vollständig eingestellt hat und ihr ab diesem Zeitpunkt keine weiteren Geldmittel zur Verfügung standen, hat der Antragsteller jedoch nicht führen können und hierfür auch im Beschwerdeverfahren keine Beweismittel angeboten.
Keinen Rechtfertigungsgrund stellt indes das Bestreben des Geschäftsführers zur Erhaltung des Betriebs und seiner Arbeitsplätze für das Unterlassen der Abführung der auf die ausgezahlten Löhne entfallenden Lohnsteuern dar (vgl. Senatsbeschluß vom 9. Januar 1990 VII B 56/89, BFH/NV 1990, 412).
Hinsichtlich der Umsatzsteuer gehört die anteilige Befriedigung aller Gläubiger zu den elementaren Pflichten jedes Geschäftsführers (vgl. Senatsurteil vom 12. Mai 1992 VII R 52/91, BFH/NV 1992, 785). Reichen die verfügbaren Mittel nicht zur Befriedigung aller Gläubiger, kann dies zur teilweisen Entlastung des Haftungsschuldners führen. Die Haftung ist auf die Höhe des Fehlbetrages beschränkt, in der der Geschäftsführer das FA im Verhältnis zu den anderen Gläubigern nicht anteilig befriedigt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 23. August 1994 VII R 134/92, BFH/NV 1995, 570, m.w.N.). Voraussetzung der Haftungsbeschränkung ist jedoch, daß der Haftungsschuldner anhand von aussagekräftigen Unterlagen und Aufzeichnungen bzw. Bankbelegen zur Aufklärung des Sachverhalts, in welchem Umfang die Gesellschaft Zahlungen an andere --private-- Gläubiger geleistet hat, beiträgt. Auch wenn der als Haftungsschuldner in Betracht kommende Geschäftsführer einer GmbH im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht verpflichtet ist, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum zu erteilen (vgl. Senatsurteil vom 11. Juli 1989 VII R 81/87, BFHE 157, 315, BStBl II 1990, 357), hat das FG im Rahmen seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung die erforderlichen Auskünfte z.B. bei dem auskunftspflichtigen Konkursverwalter einzuholen oder sich die dort befindlichen Buchführungsunterlagen der GmbH aushändigen zu lassen. Der Vorentscheidung ist indes zu entnehmen, daß bereits das FA zur Ermittlung der Haftungsvoraussetzungen eine gesonderte Prüfung bei der Gesellschaft durchgeführt und den Konkursverwalter um Auskünfte und Einsicht in Buchführungsunterlagen gebeten hat, ohne daß Aufzeichnungen für den Haftungszeitraum hätten vorgelegt werden können.
2. Der Senat kommt bei summarischer Prüfung auch nicht zu dem Ergebnis, daß die Inanspruchnahme des Antragstellers durch das FA ermessensfehlerhaft gewesen sei. Bei der Inanspruchnahme eines nach den §§ 34, 69 AO 1977 Haftenden handelt es sich um eine Ermessensentscheidung (§ 191 Abs. 1 AO 1977), die in den Grenzen von § 102 FGO darauf zu überprüfen ist, ob der Haftungsbescheid deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 1981 VII R 86/78, BFHE 133, 1, BStBl II 1981, 493, und Senatsbeschluß in BFH/NV 1996, 589, 591).
Das FA hat bei summarischer Prüfung das ihm zustehende Entschließungsermessen sachgerecht betätigt. Die Behörde hat ausreichend zum Ausdruck gebracht, daß sie den Antragsteller als Haftungsschuldner deshalb in Anspruch genommen hat, weil eine Realisierung der Steuerrückstände bei der Steuerschuldnerin infolge der Eröffnung des Konkursverfahrens und auch bei der GmbH infolge der Ablehnung der Eröffnung eines Konkursverfahrens mangels Masse nicht mehr möglich ist.
Ermessenserwägungen hinsichtlich der Ausübung eines Auswahlermessens waren schon deshalb nicht veranlaßt, weil der Antragsteller als alleiniger Geschäftsführer der zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH & Co. KG berufenen Komplementär-GmbH der einzige in Betracht kommende Haftungsschuldner ist.
Die Ermessensentscheidung ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil das FA die Erkrankung und die finanziellen Verhältnisse des Antragstellers unberücksichtigt gelassen hat. Der Senat hat es in ständiger Rechtsprechung abgelehnt, im Rahmen der Betätigung des Auswahl- und Entschließungsermessens Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die sich aus der Größenordnung der Haftungsschuld im Vergleich zu den finanziellen Möglichkeiten oder aus dem Grad des Verschuldens des Haftungsschuldners ergeben. Aufgrund des Schadensersatzcharakters des Haftungsanspruchs ist es nicht gerechtfertigt, solche Billigkeitserwägungen bereits in der Entscheidung über den Erlaß eines Haftungsbescheides und in die Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen einfließen zu lassen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7. März 1995 VII B 172/94, BFH/NV 1995, 941, 943, und in BFH/NV 1996, 589, 591).
Auch aus dem weiteren Akteninhalt ergeben sich keine Anhaltspunkte, aus denen sich eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Klage des Antragstellers über den bereits vom FG anerkannten Teilbetrag hinaus ableiten ließe. Nach alledem kann die Beschwerde keinen Erfolg haben und weitere PKH nicht gewährt werden.
Ende der Entscheidung
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