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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 25.10.2004
Aktenzeichen: VII B 108/04
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Nach vorangegangenem Ersuchen des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) an das Amtsgericht (AG) um Anordnung der Haft zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977), ordnete das AG gegen die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) gemäß § 901 der Zivilprozessordnung (ZPO) die Haft an. Zuvor hatte die Klägerin gegen das Ersuchen des FA an das AG Einspruch eingelegt, der vom FA nach der erfolgten Anordnung der Haft als unzulässig verworfen wurde. Auch die gegen die Einspruchsentscheidung erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass im Zeitpunkt der finanzbehördlichen Entscheidung über den Einspruch ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin nicht mehr vorgelegen habe. Denn zu diesem Zeitpunkt hätte das AG den beantragten Haftbefehl bereits erlassen gehabt. Das FA hätte demnach den Einspruch zu Recht als nunmehr unzulässig verworfen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG richtet sich die Beschwerde der Klägerin, mit der sie Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) geltend macht.

Durch seine Entscheidung habe das FG Verfahrensgrundrechte verletzt. Missachtet habe das FG das Recht auf die Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--), das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie die Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG). Ohne nachvollziehbaren Grund sei eine gerichtliche Sachentscheidung über den Einspruch versagt worden. Da die Klägerin durch das Ersuchen des FA an das AG beschwert gewesen sei, hätte ihr Rechtsschutzbegehren nicht als unzulässig abgewiesen werden dürfen. Die Anordnung der Erzwingungshaft habe die Zulässigkeit des Einspruchs nicht beseitigen können. Dies habe das FG verkannt. Auch hätte es zur Begründung seines Urteils nicht auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Einspruch abstellen dürfen. Dem Einspruchsführer würde durch die vom FG gebilligte Vorgehensweise des FA ein wirksamer Rechtsschutz verweigert. Durch die rechtsfehlerhafte Behandlung des Einspruchs werde der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Unter all diesen Gesichtspunkten erscheine die Entscheidung des FG willkürlich.

Darüber hinaus komme der Frage, ob das Rechtsschutzbedürfnis für einen Einspruch gegen das vom FA an das AG gerichtete Haftersuchen wegfalle, wenn das AG den beantragten Haftbefehl erlassen habe, grundsätzliche Bedeutung zu. Da die Rechtsauffassung des FG einem effektiven Rechtsschutz zuwider laufe, berühre diese Frage Allgemeinbelange.

Das FA tritt der Beschwerde entgegen. Es ist der Ansicht, dass dem Vorbringen der Klägerin das Vorliegen eines Verfahrensmangels nicht zu entnehmen sei und dass der aufgeworfenen Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung zukomme.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg, denn die Klägerin hat einen Verfahrensmangel nicht in der erforderlichen Weise dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Auch ist die Revision weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch zur Fortbildung des Rechts oder zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen.

1. Wird das Vorliegen eines Verfahrensmangels gerügt, so muss aus dem Vortrag erkennbar sein, welche Vorschrift des Gerichtsverfahrensrechts das FG verletzt haben soll. Dem Vortrag der Klägerin sind jedoch solche Verstöße nicht zu entnehmen. Im Kern ihres Vorbringens wendet sie sich gegen die ihrer Ansicht nach unzutreffende materiell-rechtliche Würdigung des FG. Dieses habe den Einspruch rechtsfehlerhaft als unzulässig erachtet und die Klage in Verkennung der wahren Rechtslage durch Sachurteil als unbegründet abgewiesen. Dieses Vorbringen kann jedoch nicht zu einer Zulassung der Revision führen. Denn Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich gesehen nicht die Zulassung der Revision (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2003 VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 24 und § 116 Rz. 34, jeweils m.w.N.). Dem Vortrag der Klägerin ist insbesondere nicht zu entnehmen, dass ihr im finanzgerichtlichen Verfahren kein rechtliches Gehör gewährt worden sei oder dass das FG hinsichtlich der Klage ein Rechtsschutzbedürfnis verneint habe.

2. Auch die grundsätzliche Bedeutung der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage hat die Klägerin nicht in der erforderlichen Weise dargelegt. Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein konkreter und substantiierter Vortrag, aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und vom 2. Dezember 2002 VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.). Demgegenüber erschöpft sich das Beschwerdevorbringen in der Formulierung der Rechtsfrage und der Behauptung, die vom FG vertretene Rechtsmeinung laufe dem effektiven Rechtsschutz zuwider, weshalb Allgemeinbelange berührt würden. Auch nicht ansatzweise setzt sich die Klägerin mit den in der Literatur vertretenen Meinungen und der zu § 284 AO 1977 vorliegenden Rechtsprechung auseinander. Der pauschale Hinweis auf die im Urteil zitierten Kommentarmeinungen vermag die Klägerin nicht von ihrer Darlegungspflicht zu entbinden.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Klägerin zur Überprüfung des Haftbefehls die Möglichkeit der Rechtsschutzgewährung offen steht. Gegen den Haftbefehl ist nämlich nach § 567 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 793 ZPO die sofortige Beschwerde gegeben. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statthaft, sofern das Beschwerdegericht diese zugelassen hat (vgl. Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 284 Rdnr. 103). Den Anforderungen an die in Art. 19 Abs. 4 GG festgelegte Rechtsweggarantie ist damit genüge getan.

3. Da der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist auch eine Entscheidung zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO nicht erforderlich. Denn erforderlich wird die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO nur dann, wenn eine bisher nicht höchstrichterlich entschiedene Rechtsfrage zweifelhaft ist (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 41).

4. Die Klägerin hat auch keine schwerwiegenden Rechtsfehler des erstinstanzlichen Erkenntnisses aufgezeigt, die eine Zulassung der Revision aus diesem Gesichtspunkt geboten erscheinen ließen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat das Vorliegen solcher Fehler dann bejaht, wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, 405, BStBl II 2004, 25, und vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837). Diese besonderen Umstände sind in der Beschwerdeschrift anzuführen. Die Formulierung einer Rechtsfrage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung und der bloße Hinweis auf vermeintliche Verfahrensmängel reichen nicht aus, um eine greifbare Gesetzeswidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung darzulegen (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2001 VII B 216/01, BFH/NV 2002, 923). Im Streitfall vermag der Senat solche Fehler des erstinstanzlichen Urteils auch nicht zu erkennen.



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