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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 13.11.2007
Aktenzeichen: VII B 112/07
Rechtsgebiete: MinöStG 1993, MinöStV, StromStG, FGO
Vorschriften:
MinöStG 1993 § 3 Abs. 3 | |
MinöStG 1993 § 12 Satz 1 | |
MinöStG 1993 § 23 | |
MinöStV § 19 Abs. 1 | |
StromStG § 9 Abs. 4 | |
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3 |
Gründe:
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin einer AG, der auf ihren Antrag vom 2. August 2001 am 6. Dezember 2001 gemäß § 12 Satz 1 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG 1993) i.V.m. § 3 Abs. 3 MinöStG 1993 die Erlaubnis zur steuerfreien Verwendung von Mineralöl in einer von ihr betriebenen Anlage der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK-Anlage) erteilt worden ist. Da die AG die Gasturbine bereits Jahre vor diesem Zeitpunkt in Betrieb genommen, nach einer im August 1996 eingetretenen Rechtsänderung eine Antragstellung jedoch versäumt hatte, stellte die AG mit Schreiben vom 3. April 2003 beim Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--) den Antrag, ihr eine solche Erlaubnis rückwirkend ab dem 1. April 1999 bis zum 5. Dezember 2001 zu erteilen. Die rückwirkende Erteilung einer Einzelerlaubnis lehnte das HZA jedoch ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Unter Hinweis auf den Senatsbeschluss vom 9. August 2006 VII E 18/05 (BFH/NV 2006, 2135) und auf mehrere erstinstanzliche Entscheidungen urteilte das Finanzgericht (FG), dass die rückwirkende Erteilung einer Einzelerlaubnis zur steuerbegünstigten Verwendung von Mineralöl im MinöStG 1993 nicht vorgesehen sei. Der Wortlaut von § 12 Satz 1 MinöStG 1993 sei eindeutig. Hätte der Gesetzgeber eine rückwirkende Erteilung einer Erlaubnis zulassen wollen, hätte er entweder eine andere Formulierung gewählt oder diesen Fall ausdrücklich geregelt. Da die mineralölsteuerrechtliche Regelung der stromsteuerrechtlichen Regelung in § 9 Abs. 4 des Stromsteuergesetzes (StromStG) entspreche, sei die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) in BFH/NV 2006, 2135 auf die Mineralölsteuer übertragbar. Eine Verpflichtung des HZA, die Rechtsvorgängerin der Klägerin auf das Erfordernis einer Erlaubnis hinzuweisen, habe nicht bestanden. Als Großunternehmen wäre es der AG zuzumuten gewesen, sich über etwaige Rechtsänderungen selbst zu informieren. Im Übrigen habe das HZA nicht gewusst und hätte auch nicht wissen müssen, dass die AG eine Gasturbinenanlage betreibt.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde, die sie auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und der Rechtsfortbildung sowie der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) stützt. Das HZA habe selbst ausgeführt, dass die Frage der Zulässigkeit einer rückwirkenden Erlaubniserteilung für das Mineralölsteuerrecht bisher noch nicht höchstrichterlich geklärt sei. Mit keinem Wort habe sich das FG mit der Leitkonzeption des gemeinschaftsrechtlichen Zollrechts befasst, das die rückwirkende Erteilung einer Erlaubnis ausdrücklich in Art. 294 ff. der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO) vorsehe. Hervorzuheben sei die Vorreiterrolle des EG-Zollrechts für die steuerliche Rechtsangleichung in der Gemeinschaft. Geboten sei daher eine übergreifende, rechtssystematisch zu rechtfertigende Betrachtung. In seinem Urteil vom 12. September 1989 VII R 24/87 (BFHE 158, 185) habe der BFH darauf hingewiesen, dass Mineralölsteuerschulden, die allein auf die Verletzung verfahrensrechtlicher Gebote zurückzuführen seien, möglichst nicht entstehen sollten. Von grundsätzlicher Bedeutung sei daher "die Frage einer analogen Anwendung des supermodernen für inzwischen 27 EU-Staaten verbindlichen EU-Zollrechts".
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Senat lässt offen, ob die Beschwerde den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gerecht wird, jedenfalls kommt der von der Klägerin aufgeworfenen Frage keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die aufgeworfene Rechtsfrage ist nämlich eindeutig so zu beantworten, wie es das FG getan hat.
1. Wer Mineralöl in KWK-Anlagen steuerbegünstigt verwenden will, bedarf nach § 12 Satz 1 MinöStG 1993 einer Erlaubnis. Wie der BFH bereits entschieden hat, kommt der Erlaubnis eine konstitutive Wirkung zu (Senatsbeschluss vom 8. März 2004 VII B 150/03, BFH/NV 2004, 981), so dass die Erlaubniserteilung eine unabdingbare Voraussetzung für die Inanspruchnahme der vom Gesetzgeber für KWK-Anlagen vorgesehenen Steuerbegünstigung ist. Eine wortgleiche Regelung enthält § 9 Abs. 4 StromStG, wonach derjenige, der von der Steuer befreiten oder steuerbegünstigten Strom entnehmen will, der Erlaubnis bedarf. Die Argumente, die der Senat in seiner Entscheidung in BFH/NV 2006, 2135 gegen die Zulässigkeit einer rückwirkenden Erteilung einer Erlaubnis zur steuerbegünstigten Verwendung von Strom angeführt hat, sind auf das Mineralölsteuerrecht übertragbar. Mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn es in der Hand der Finanzverwaltung läge, durch eine in den gesetzlichen Bestimmungen nicht vorgesehene rückwirkende Erlaubniserteilung eine eingetretene Steuerbelastung wieder rückgängig zu machen bzw. rückwirkend eine Vergütung zu gewähren, wobei die Festlegung des Vergütungszeitraums in das Ermessen der Verwaltung gestellt wäre. Darüber hinaus würde durch eine solche Verwaltungspraxis die Funktion des Erlaubnisscheins in Frage gestellt, der nach § 19 Abs. 1 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung bei Erteilung einer förmlichen Einzelerlaubnis als Nachweis für die Bezugsberechtigung auszustellen ist. Schließlich bestünde bei uneingeschränkter Möglichkeit der rückwirkenden Erlaubniserteilung die Gefahr einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung. Hätte der Gesetzgeber die rückwirkende Erteilung einer Erlaubnis zur steuerbegünstigten Verwendung von Mineralöl ermöglichen wollen, so hätte er dies ausdrücklich regeln müssen.
2. Die Möglichkeit einer rückwirkenden Erlaubniserteilung lässt sich entgegen der Rechtsansicht der Klägerin nicht aus "übergreifenden, rechtssystematisch jederzeit zu rechtfertigenden" allgemeinen Grundsätzen des Zollrechts ableiten. Die zollrechtlichen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts können allenfalls bei der Einfuhr von verbrauchsteuerpflichtigen Waren Berücksichtigung finden. Denn nur für diesen Fall ordnet § 23 MinöStG 1993 die sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften an. Im Übrigen sind die Regelungen des gemeinschaftlichen Zollrechts nicht auf das harmonisierte Verbrauchsteuerrecht übertragbar, das einen eigenständigen und in weiten Bereichen bewusst abweichenden Regelungsgehalt aufweist. Ungeachtet dessen gibt es im gemeinschaftlichen Zollrecht den von der Klägerin behaupteten Grundsatz nicht, nach dem die Erteilung einer rückwirkenden Bewilligung über den Zeitpunkt der Antragstellung hinaus aus übergeordneten Gesichtspunkten erfolgen könne und daher einer gesetzlichen Grundlage nicht bedürfe. In Bezug auf die rückwirkende Bewilligung von Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung belegt die Regelung in Art. 508 Abs. 3 ZKDVO, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die ausdrückliche Normierung einer solchen Möglichkeit, die überdies auf Ausnahmefälle beschränkt ist, für erforderlich erachtet hat. Auch bei der Gewährung von zolltariflichen Abgabenbegünstigungen ist die Möglichkeit einer solchen Rückwirkung in Art. 294 Abs. 3 ZKDVO ausdrücklich geregelt und ebenfalls auf Ausnahmefälle begrenzt.
Ende der Entscheidung
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