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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 31.01.2008
Aktenzeichen: VII B 119/07
Rechtsgebiete: FGO, GesO, KO
Vorschriften:
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3 | |
GesO § 7 Abs. 5 | |
KO § 54 Abs. 1 |
Gründe:
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Verwalter in der am 1. Oktober 1993 eröffneten Gesamtvollstreckung über das Vermögen der Schuldnerin.
Die Schuldnerin hatte im Juni 1993 eine Körperschaftsteuervorauszahlung für 1992 geleistet. Aus der im Februar 1995 für die Schuldnerin eingereichten Körperschaftsteuererklärung für das Rumpfwirtschaftsjahr 1. Januar bis 30. September 1993 ergab sich ein in diesem Zeitraum erwirtschafteter Jahresfehlbetrag, der zu einer Festsetzung der Körperschaftsteuer 1993 auf null DM sowie zur Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs führte, aus welchem im Wege des Verlustrücktrags auch für das Jahr 1992 eine Festsetzung der Körperschaftsteuer auf null DM resultierte. Aus dieser Festsetzung für 1992 ergaben sich für die Schuldnerin ein Guthaben in Höhe der für 1992 geleisteten Vorauszahlung sowie Erstattungszinsen.
Nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Kläger durch Umbuchungsmitteilung vom 16. November 1995 über die Verrechnung der Guthaben mit rückständigen Steuerforderungen unterrichtet und dieser hiergegen Einwendungen erhoben hatte, erließ das FA einen Abrechnungsbescheid, der den Erstattungsanspruch aus Vorauszahlungen für 1992 als durch die am 16. November 1995 erklärte Aufrechnung erloschen feststellte.
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG urteilte, dass die Klage, soweit sie sich gegen die Aufrechnung des Zinsguthabens richte, unzulässig sei, weil insoweit kein Abrechnungsbescheid ergangen sei, denn der angefochtene Abrechnungsbescheid betreffe nur den Erstattungsanspruch aus der Körperschaftsteuervorauszahlung für 1992. Im Übrigen sei die Klage nicht begründet, weil das FA das Erlöschen dieses Anspruchs zu Recht festgestellt habe. Das FA habe gegen den Erstattungsanspruch wirksam aufgerechnet. Die Gegenforderungen des FA seien unstreitig vor Eröffnung der Gesamtvollstreckung fällig gewesen. Auch sei die Hauptforderung, der Erstattungsanspruch, vor Eröffnung der Gesamtvollstreckung begründet worden, weil der für die Erstattung ursächliche Verlustrücktrag auf den im Rumpfwirtschaftsjahr 1. Januar bis 30. September 1993 erwirtschafteten Jahresfehlbetrag zurückzuführen sei.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Fortbildung des Rechts sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil die im Streitfall maßgeblichen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des beschließenden Senats geklärt sind.
Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gläubiger im Gesamtvollstreckungsverfahren auch dann aufrechnen kann, wenn im Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens die Forderung des Schuldners, gegen die er aufrechnet (Hauptforderung), bereits aufschiebend bedingt entstanden ist, weil § 7 Abs. 5 der Gesamtvollstreckungsordnung für Fälle dieser Art eine planwidrige Regelungslücke aufweist, die durch eine analoge Anwendung des § 54 Abs. 1 der Konkursordnung zu schließen ist (Senatsurteil vom 20. Juli 2004 VII R 28/03, BFHE 206, 321, BStBl II 2005, 10). Des Weiteren hat der Senat wiederholt entschieden, dass es sowohl im früheren Konkurs- als auch im Insolvenzverfahren des Steuerpflichtigen hinsichtlich der Frage, ob ein Anspruch zur Konkurs-/Insolvenzmasse gehört oder ob die Forderung eines Gläubigers eine Konkurs-/Insolvenzforderung ist, nicht darauf ankommt, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden war, sondern darauf, ob in diesem Zeitpunkt nach konkurs- bzw. insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch bereits gelegt war (vgl. zuletzt: Senatsbeschluss vom 23. April 2007 VII B 310/06, BFH/NV 2007, 1452, m.w.N.). Dementsprechend wird für einen auf Vorauszahlungen beruhenden steuerrechtlichen Erstattungsanspruch der Rechtsgrund im konkurs- bzw. insolvenzrechtlichen Sinne im Zeitpunkt der Vorauszahlung gelegt, da der Steuerpflichtige bei Steuervorauszahlungen bereits mit deren Entrichtung einen Erstattungsanspruch unter der aufschiebenden Bedingung erlangt, dass am Ende des Besteuerungszeitraums die geschuldete Steuer geringer ist als die Vorauszahlung (vgl. Senatsurteil vom 6. Februar 1996 VII R 116/94, BFHE 179, 547, BStBl II 1996, 557; Senatsbeschluss vom 7. Juni 2006 VII B 329/05, BFHE 212, 436, BStBl II 2006, 641).
Für den Streitfall ergibt sich daraus, dass --wie das FG im Ergebnis zu Recht entschieden hat-- der Rechtsgrund für den Anspruch der Schuldnerin auf Erstattung der Körperschaftsteuervorauszahlung 1992 im konkurs- bzw. insolvenzrechtlichen Sinne bereits im Zeitpunkt der Entrichtung dieser Vorauszahlung, also vor Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens, gelegt --weil aufschiebend bedingt entstanden-- war. Das sowohl vom FG als auch seitens der Beschwerde angeführte Senatsurteil vom 6. Juni 2000 VII R 104/98 (BFHE 192, 21, BStBl II 2000, 491) steht dem nicht entgegen, weil jene Entscheidung nicht die konkurs- bzw. insolvenzrechtliche Begründung eines Steuererstattungsanspruchs, sondern allein den Zeitpunkt der steuerrechtlichen Entstehung eines auf einem Verlustrücktrag beruhenden Erstattungsanspruchs betrifft, auf den es jedoch --wie ausgeführt-- konkurs- bzw. insolvenzrechtlich nicht ankommt. Ob die vom FG vertretene Rechtsauffassung zutrifft, dass in Anwendung der Rechtsgrundsätze des vorstehend genannten Senatsurteils ggf. auf das Ende eines als Veranlagungszeitraum gewählten Rumpfwirtschaftsjahres abzustellen ist, kann daher offenbleiben. Das FG-Urteil erweist sich jedenfalls im Ergebnis als richtig (§ 126 Abs. 4 FGO).
2. Da der Streitfall keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen aufwirft, ist auch der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) nicht gegeben.
3. Soweit die Beschwerde rügt, dass sich das FG im Urteil nicht mit Einwendungen des Klägers gegen die ausreichende Bestimmtheit des angefochtenen Abrechnungsbescheids auseinandergesetzt habe, wird damit ein Verfahrensmangel nicht schlüssig dargelegt. Das FG ist nämlich nicht verpflichtet, sich in der Urteilsbegründung mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen hat (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Juni 2001 II B 129/00, BFH/NV 2001, 1292). Daher liegt in derartigen Fällen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, dass das FG Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (BFH-Beschluss vom 19. November 2002 X B 78/01, BFH/NV 2003, 335, m.w.N.).
Dass dies vorliegend der Fall ist, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Vielmehr ergibt sich aus den Gründen des FG-Urteils, dass der angefochtene Abrechnungsbescheid nach Ansicht des FG allein das Erlöschen des Anspruchs auf Erstattung der Körperschaftsteuervorauszahlung 1992 durch Aufrechnung mit rückständigem Solidaritätszuschlag Juni 1992 und Körperschaftsteuer 1991 betrifft. Daraus folgt, dass das FG die streitigen Steueransprüche als im Abrechnungsbescheid ausreichend bestimmt bezeichnet angesehen hat. Wenn die Beschwerde demgegenüber meint, dass der Abrechnungsbescheid keine Aussage mache, mit welcher Steuerforderung, für welche Zeiträume und in welcher Höhe aufgerechnet worden sei, so wendet sie sich in Wahrheit gegen die Rechtsauffassung des FG, zeigt jedoch keinen Verfahrensfehler auf.
4. Anders als die Beschwerde meint, stellt das angefochtene Urteil auch keine sog. Überraschungsentscheidung dar. Es lag im Streitfall auf der Hand, dass es für die Entscheidung darauf ankommen würde, ob der Erstattungsanspruch aus der Körperschaftsteuervorauszahlung 1992 vor oder nach der Eröffnung der Gesamtvollstreckung begründet worden war. Dass das FG --wie geschehen-- den Jahresfehlbetrag 1993, der den Erstattungsanspruch steuerrechtlich ausgelöst hatte, als im Rumpfwirtschaftsjahr 1993, also vor Eröffnung der Gesamtvollstreckung, entstanden ansehen würde, war in Anbetracht des bereits in der Einspruchsentscheidung angeführten Senatsurteils in BFHE 192, 21, BStBl II 2000, 491 nicht fernliegend. Darüber hinaus kommt es --wie ausgeführt-- auf diese Rechtsauffassung des FG auch nicht an; das Urteil erweist sich aus anderen Gründen als richtig.
Ende der Entscheidung
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