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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 01.10.2007
Aktenzeichen: VII B 130/07
Rechtsgebiete: TabStG, FGO


Vorschriften:

TabStG § 19
TabStG § 19 Satz 1
TabStG § 21
FGO § 128 Abs. 1
FGO § 128 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Dem Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) ist vom Finanzgericht (FG) auf seinen Antrag Aussetzung der Vollziehung (AdV) eines Bescheides des Antragsgegners und Beschwerdeführers (Hauptzollamt --HZA--) gewährt worden, mit dem gegen den Antragsteller Tabaksteuer festgesetzt worden ist, nachdem rd. 400 000 Stück Zigaretten, versteckt in Polstermöbeln, in dem von dem Antragsteller geführten Lastzug bei Übertritt in das Steuergebiet am Grenzübergang X sichergestellt worden waren. Der Antragsteller behauptet, er habe nicht gewusst, dass sich in der Ladung seines Lastzuges diese Zigaretten befanden; die Verstecke seien für ihn auch nicht erkennbar gewesen. Hiervon ausgehend hat das FG die Vollziehung des Tabaksteuerbescheides ausgesetzt, weil es der Meinung ist, § 19 des Tabaksteuergesetzes (TabStG), auf den das HZA seinen Bescheid stützt, setze das Wissen voraus, verbrauchsteuerpflichtige Waren in das Steuergebiet zu verbringen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde des HZA.

II. Die gemäß § 128 Abs. 1 und 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat die Vollziehung des Tabaksteuerbescheides zu Recht ausgesetzt, weil seine Rechtmäßigkeit ernstlich zweifelhaft ist (§ 69 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 und 2 FGO).

Nach § 19 TabStG, von dessen Anwendbarkeit im Streitfall das HZA ausgeht --die Zigaretten waren offenbar aus Russland in das Zollgebiet der Gemeinschaft eingeschmuggelt worden--, wird Steuerschuldner, wer Tabakwaren unzulässigerweise entgegen § 19 Satz 1 TabStG aus dem freien Verkehr anderer Mitgliedstaaten zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet verbringt. Außer dem angefochtenen Beschluss hat das FG Düsseldorf in seinem dort bereits angeführten Urteil vom 23. August 2006 4 K 5272/05 VTa (Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2006, 380) die Auffassung vertreten, dass eine Person, die von der Existenz der in dem von ihr geführten Fahrzeug versteckten Waren keine Kenntnis hat, diese Waren nicht im Sinne jener Vorschrift in einen Mitgliedstaat "verbringt", so wie es gemäß Art. 202 Abs. 3 1. Spiegelstrich des Zollkodex bzw. bei einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift nach § 21 TabStG bei einer Einfuhr von Zigaretten in das Zollgebiet der Gemeinschaft der Fall wäre (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 4. März 2004 Rs. C-238/02 und 246/02, EuGHE 2004, I-2141). Dafür werden die vom Zollrecht abweichende Fassung des Steuerentstehungstatbestandes angeführt, aber auch die Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 76/1 mit Änd.) und Wesenseigentümlichkeiten der Verbrauchsteuererhebung im Binnenmarkt.

Ungeachtet der Frage, ob die für eine solche unterschiedliche Bestimmung der Person des Verbringers im Zollrecht und im Verbrauchsteuerrecht angeführten Gründe sich als für den erkennenden Senat überzeugend erweisen werden, vor dem das vorgenannte Urteil des FG Düsseldorf mit der Revision angegriffen wird (Az.: VII R 49/06), muss angesichts dieser von zwei Instanzgerichten vertretenen Rechtsauffassung die Vollziehung des auf einer abweichenden Rechtsauslegung beruhenden Bescheides des HZA ausgesetzt werden. Denn eine solche Rechtsprechung zu einer höchstrichterlich bisher nicht geprüften Frage, die von den Instanzgerichten mit erwägenswerten Argumenten anders als von dem HZA beantwortet wird, begründet grundsätzlich ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dessen Abgabenbescheides.

Für die vom HZA hilfsweise begehrte Anordnung einer Sicherheitsleistung (§ 69 Abs. 2 Satz 3 FGO) besteht kein hinreichender Anlass. Denn es ist weder vom HZA dargelegt noch sonst erkennbar, inwiefern die Realisierung des angeblichen Tabaksteueranspruchs durch die vom FG verfügte AdV bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung des HZA gefährdet oder ernstlich erschwert würde. Dass gegen den Antragsteller eine angesichts der von ihm angegebenen Einkommensverhältnisse beträchtliche Abgabenforderung erhoben wird und diese unter Umständen --unter Inanspruchnahme entsprechender Rechtshilfemöglichkeiten-- in Estland vollstreckt werden müsste, ist keine Folge der AdV, der dadurch vorgebeugt werden müsste, dass die AdV von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht wird.

Ende der Entscheidung

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