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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 07.02.2005
Aktenzeichen: VII B 132/04
Rechtsgebiete: FGO
Vorschriften:
FGO § 115 Abs. 2 | |
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3 |
Gründe:
I. Im Oktober und November 1993 ließ die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) Versandverfahren Carnet TIR für zehn LKW-Sendungen Weißzucker nach Spanien eröffnen. Die Warensendungen wurden jedoch bei der jeweiligen Bestimmungszollstelle nicht gestellt. Daraufhin wurden gegen die Klägerin die entsprechenden Einfuhrabgaben festgesetzt; die Steuerbescheide, die der Klägerin im März 1995 zugingen, sind rechtsbeständig.
Ihre Anträge auf Erlass der Einfuhrabgaben aus Billigkeitsgründen begründete die Klägerin damit, dass sie Opfer von Täuschungsmanövern geworden sei. In allen Fällen seien die Warensendungen unmittelbar an den Empfänger geliefert worden. Dorthin seien die LKW von mehreren "Lotsen" in einem vorausfahrenden PKW begleitet worden. An der Entladestelle hätten sich diese Personen dann als Vertreter des Empfängers bzw. auch als Zollbeamte ausgegeben. Nach Aktenlage stammten entsprechende Schreiben der Klägerin betreffend den beantragten Erlass der Einfuhrabgaben aus dem März 2001. Die Klägerin machte jedoch geltend, bereits mit Schreiben vom 3. Januar 1996 einen Erlassantrag gestellt zu haben.
Die Erlassanträge der Klägerin wurden abgelehnt; ihre Einsprüche und die Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Entstehung der Einfuhrabgaben auf offensichtliche Fahrlässigkeit der im Speditionsgeschäft erfahrenen Klägerin zurückzuführen sei. Die Klägerin und die von ihr mit der Durchführung der Versandverfahren betrauten Personen hätten sich ausschließlich von den Warenempfängern sowie von ihnen nicht bekannten Personen die Art und Weise der Beendigung des Versandverfahrens und den abweichenden Bestimmungsort vorgeben lassen, was sich als eine besonders schwere Pflichtenverletzung im Carnet TIR-Verfahren darstelle. Indem die Klägerin den ihr nicht näher bekannten Personen die Abwicklung des Versandverfahrens ohne Gegenkontrolle überlassen habe, sei das Tätigwerden falscher Amtspersonen erst ermöglicht worden. Es handele sich insoweit um einen gravierenden Mangel in der Organisation und Abwicklung des Carnet TIR-Verfahrens. Darüber hinaus habe die Klägerin die für den Erlass aus Billigkeitsgründen geltende zwölfmonatige Antragsfrist nicht eingehalten. Eine Fristverlängerung wegen eines begründeten Ausnahmefalls komme nicht in Betracht. Der Klägervertreter habe kein Postausgangs- oder Fristenbuch vorgelegt, aus dem sich ergebe, dass und zu welchem Zeitpunkt der angebliche Erlassantrag vom 3. Januar 1996 zur Post aufgegeben worden sei. Sein entsprechendes Vorbringen im Rahmen seiner eidesstattlichen Versicherung reiche zur Glaubhaftmachung nicht aus. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei jedenfalls wegen der bereits abgelaufenen Antragsfrist (§ 110 Abs. 3 der Abgabenordnung --AO 1977--) nicht möglich.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.
II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert.
Hat das FG --wie im Streitfall-- seine Entscheidung kumulativ auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, muss der Beschwerdeführer einen Zulassungsgrund bezüglich jeder dieser Begründungen darlegen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Anm. 28). Hieran fehlt es im Streitfall.
1. Soweit das FG den Erlassantrag als verspätet gestellt angesehen hat, hält die Beschwerde es für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob ein begründeter Ausnahmefall i.S. des Art. 239 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften --ZK-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 302/1) vorliegt, wenn die Zollbehörde erst mehrere Jahre nach Antragstellung und nach zwischenzeitlicher Korrespondenz im Erlassverfahren feststellt, dass ihr zwar die Antragsbegründung, nicht aber die Antragsschrift vorliegt. Jedoch geht die Beschwerde in keiner Weise substantiiert auf die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage und auf ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung ein.
Darüber hinaus wäre diese Frage in einem Revisionsverfahren auch nicht klärungsfähig, weil sie von einer bereits mehrere Jahre zurückliegenden Antragstellung ausgeht, während nach den Feststellungen des FG eine solche im Streitfall gerade nicht vorlag. Das FG hat nämlich nicht angenommen, dass die Klägerin einen Erlassantrag bereits mit Schreiben vom 3. Januar 1996 gestellt hatte. Nach den Feststellungen des FG verhält es sich auch nicht etwa so --wie es nach der von der Beschwerde formulierten Frage erscheinen mag--, dass die Klägerin die Antragsfrist nur deshalb versäumt hat, weil die Zollbehörde trotz einer ihr vorliegenden Korrespondenz über die Frage eines Erlasses aus Billigkeitsgründen nicht gemerkt und die Klägerin dementsprechend nicht darauf hingewiesen hat, dass ihr noch kein Erlassantrag vorlag. Vielmehr sind der Zollbehörde die Schreiben der Klägerin aus dem März 2001, welche die Beschwerde als Begründungen eines bereits gestellten Antrags verstanden wissen will, erst zu einem Zeitpunkt zugegangen, als die zwölfmonatige Antragsfrist des Art. 239 Abs. 2 Satz 1 ZK bereits verstrichen war.
Soweit die Beschwerde die Entscheidung des FG, dass ein begründeter Ausnahmefall i.S. des Art. 239 Abs. 2 Satz 2 ZK nicht vorliege, für "sachlich falsch" hält, wendet sie sich gegen die materielle Richtigkeit der FG-Entscheidung, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.).
2. Soweit das FG seine Entscheidung außerdem darauf gestützt hat, dass die Entstehung der Einfuhrabgaben auf offensichtliche Fahrlässigkeit der Klägerin zurückzuführen sei, kann es daher offen bleiben, ob die Beschwerde einen Grund für die Zulassung der Revision schlüssig dargelegt hat. Gleichwohl weist der Senat darauf hin, dass dies nicht der Fall ist, denn die Beschwerde formuliert auch insoweit keine konkrete, grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage, sondern setzt sich in der Art einer Revisionsbegründung mit der Entscheidung des FG auseinander und stellt den Rechtsansichten und Tatsachenwürdigungen des FG ihre eigenen Ansichten bzw. Würdigungen entgegen. Mit den von der Beschwerde formulierten Fragen, welche sie bezüglich der Frage der offensichtlichen Fahrlässigkeit für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, wendet sie sich in Wahrheit --wenn auch gekleidet in eine allgemein gehaltene Frage-- wiederum nur gegen die materielle Richtigkeit der FG-Entscheidung.
Ende der Entscheidung
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