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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 17.09.1998
Aktenzeichen: VII B 133/98
Rechtsgebiete: FGO
Vorschriften:
FGO § 76 Abs. 1 | |
FGO § 81 Abs. 1 Satz 1 | |
FGO § 96 Abs. 1 |
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) rügt, das Finanzgericht (FG) habe zu Unrecht keinen Beweis darüber erhoben, ob
- die Waren entsprechend den Angaben in den Zollunterlagen über X (Inland) transportiert wurden;
- die Zollverschlüsse bereits vor oder erst nach Überschreiten der belgisch-deutschen Grenzen entfernt wurden;
- für die Fahrer, die die Transporte durchführten, bereits vor Überschreiten der deutschen Grenze feststand, daß die Waren der Bestimmungszollstelle nicht gestellt werden und vielmehr nach Y (Inland) befördert werden sollten, sind die Verfahrensrügen der Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) durch Übergehen eines Beweisantrages und der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FGO) unbegründet. Die Klägerin hat den angeblich übergangenen Beweisantrag weder in dem bezeichneten Schriftsatz vom 30. Juni 1997 gestellt, noch hat sie die Nichterhebung eines entsprechenden Beweises in der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 1997 gerügt.
In dem angegebenen Schriftsatz hat sie lediglich die dort im einzelnen genannten Fahrer als Beweis dafür angeboten, daß sie die Klägerin täuschten, indem sie auf deren ausdrückliche Nachfrage wiederholt erklärten, daß sie die Ware nach Z (Italien) fahren und daß die Formalitäten in Slowenien und Kroatien ohne größere Verzögerung abgewickelt würden. Hierauf kam es jedoch nach Auffassung des FG nicht an, weil die Waren nach dessen Meinung der zollamtlichen Überwachung noch nicht entzogen wurden, solange das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde.
Aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung ergibt sich nicht, daß die Klägerin die nunmehr beanstandete Nichtbefolgung eines Beweisantrages und insbesondere eines solchen mit dem in der Beschwerde genannten Inhalt gerügt hat. Einen Antrag auf Protokollberichtigung, der sich im übrigen nur auf den im Schriftsatz vom 30. Juni 1997 gestellten Beweisantrag bezog, hat das FG abgelehnt.
Dem FG hätte sich die Beweiserhebung zu den in der Beschwerde genannten Beweisthemen nicht aufdrängen müssen. Zwar erhebt das Gericht gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 FGO Beweis in der mündlichen Verhandlung (Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme). Eine Beweisaufnahme war aber, wie sich aus der Vorentscheidung ergibt, nicht erforderlich, weil das FG die Tatsachen, die es seiner Entscheidung, daß die Waren erst in Deutschland der zollamtlichen Überwachung entzogen wurden, zugrunde gelegt hat, nach seiner Urteilsbegründung den ihm vorliegenden und damit auch der Klägerin im Wege der Akteneinsicht zugänglichen Akten entnommen haben muß und es auch nach dem Beschwerdevorbringen keine Anhaltspunkte dafür gibt, daß der Akteninhalt insoweit nicht den Tatsachen entsprach. Die Rüge eines Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 FGO hat die Klägerin insoweit nicht erhoben. Der Vortrag der Klägerin in der Beschwerdeschrift, daß der Inhalt der Aussagen der Fahrer insoweit umstritten gewesen sei, ist unsubstantiiert. Allein der Umstand, daß die Fahrer im Zeitpunkt ihrer Vernehmung im Ermittlungsverfahren selbst Beschuldigte waren, mußte das FG nicht zu einer förmlichen Beweisaufnahme veranlassen.
Nach dem in der Vorentscheidung wiedergegebenen erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin waren aber im übrigen auch nicht die vom FG insoweit seiner Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen streitig, sondern streitig war nur die Rechtsfrage, ob die Zuwiderhandlung nicht bereits in der Übergabe der Sendungen an Personen zu sehen sei, die von vornherein den Mißbrauch des Versandverfahrens beabsichtigten.
2. Entgegen der Auffassung der Klägerin beruht das Urteil nicht auf der unterlassenen Beweisaufnahme betreffend die von den belgischen Zollbehörden durchgeführten Ermittlungen sowie ihrer Kenntnisse von den Zuwiderhandlungen und damit auch insoweit nicht auf der geltend gemachten Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG.
Denn das FG hat seine Entscheidung, daß keine Gründe ersichtlich seien, die eine Inanspruchnahme der Klägerin unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ausschließen, nicht nur darauf gestützt, daß keine Anhaltspunkte für eine Kenntnis der belgischen Behörden von den Zuwiderhandlungen (auch unter Berücksichtigung des Vorfalls vom 19. Februar 1993) schon im März 1993 vorlägen. Vielmehr hat das FG seine Entscheidung selbständig tragend auch damit begründet, daß der Klägerin die gesamten Umstände bekannt waren und daß erhebliche Zweifel an der Gutgläubigkeit der Klägerin bestehen. Insoweit spielen die Fragen, ob die belgischen Behörden Ermittlungen durchgeführt haben und ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt sie Kenntnis von der nicht ordnungsgemäßen Erledigung der Versandverfahren gehabt haben, keine die Entscheidung tragende Rolle.
3. Auch auf die als Verstoß gegen § 96 Abs. 1 FGO (Entscheidung aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens) gerügte angebliche Nichtberücksichtigung des Umstandes, daß in dem "Proces-Verbal" des belgischen Finanzministeriums vom 22. Oktober 1996 ausdrücklich festgestellt wurde, daß die belgische Zollverwaltung ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat, beruht die Vorentscheidung --anders als die Klägerin meint-- aus den zuvor unter Ziff. 2. genannten Gründen nicht.
Das gleiche gilt hinsichtlich der angeblichen Nichtberücksichtigung des Umstandes, daß auch der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) in der mündlichen Verhandlung erklärte, daß die belgischen Behörden mitgeteilt hätten, daß das Verfahren von ihnen in V (Belgien) aufgenommen worden sei und den deutschen Zollfahndungsbehörden mitgeteilt wurde, daß in Belgien keine strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Vertreter der Klägerin geführt würden.
4. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage von angeblicher grundsätzlicher Bedeutung
"Unter welchen Voraussetzungen stellt bereits die Eröffnung eines externen Versandverfahrens und/oder die Übergabe des Versandguts an bösgläubige Transportpersonen eine zur Abgabenentstehung führende Zuwiderhandlung dar?"
ist nicht klärungsbedürftig und hat schon deswegen keine grundsätzliche Bedeutung. Denn diese Frage läßt sich ohne weiteres aus dem Zollschuldrecht, wie es in der Verordnung (EWG) Nr. 2144/87 (ZollschuldVO) des Rates vom 13. Juli 1987 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 201/15) geregelt ist, beantworten. Als Zuwiderhandlungen, die danach im Zusammenhang mit einem Zollverfahren zur Zollschuldentstehung führen können, kommen nur die Entziehung eingangsabgabenpflichtiger Waren aus der zollamtlichen Überwachung (Art. 2 Abs. 1 Buchst. c ZollschuldVO) und die Nichterfüllung von Pflichten in bezug auf solche Waren, die sich in einem Zollverfahren befinden, in Betracht. Beide Varianten sind aber durch die bloße Übergabe von zum gemeinschaftlichen Versandverfahren abgefertigten Waren an bösgläubige Transportführer nicht erfüllt, weil die Waren allein dadurch noch nicht der zollamtlichen Überwachung entzogen worden sind und keine der sich aus dem Versandverfahren ergebenden Pflichten (vgl. Art. 11 der Verordnung (EWG) Nr. 2726/90 des Rates vom 17. September 1990, ABlEG Nr. L 262/1) verletzt wurde. Aus der von der Klägerin angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Urteil vom 27. September 1984 99/83, EuGHE 1984, 3939; bestätigt durch Urteil vom 20. September 1988 252/87, EuGHE 1988, 4762) und des FG München (Urteil vom 15. Oktober 1997 3 K 1419/96) lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß dies anders gesehen werden könnte. In den angeführten Fällen enthielt jeweils schon die Anmeldung zum Versandverfahren Tatsachen, die den tatsächlichen Gegebenheiten (Status der Waren als Gemeinschaftsware) oder der vom Hauptverpflichteten beabsichtigten Bestimmung der Waren (Ausfuhr aus der Gemeinschaft statt in Wahrheit Verbleib in der Gemeinschaft) nicht entsprach. Dagegen liegen im Streitfall keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, daß die Anmeldung zum Versandverfahren solche Mängel aufwies.
5. Die von der Klägerin außerdem aufgeworfenen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung
"1. Stellte das sekundäre Gemeinschaftsrecht auf dem Gebiet des Zollrechts vor Einführung des Zollkodex eine abschließende Regelung dar, so daß im Bereich des harmonisierten Zollrechts der allgemeine Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht anzuwenden war?
2. Kann der allgemeine Grundsatz des Vertrauensschutzes der Inanspruchnahme eines Hauptverpflichteten für nicht ordnungsgemäß erledigte Versandverfahren nach der VO Nr. 2726/90 (bis einschließlich 1992 VO Nr. 222/77) entgegenstehen,
- wenn dieser Hauptverpflichtete, aufgrund einer Täuschung durch seinen Vertragspartner fortlaufend gutgläubig Versandverfahren unter gleichbleibenden Bedingungen nach der VO Nr. 2726/90 (bis einschließlich 1992 VO Nr. 222/77) eröffnet, und
- die zuständige nationale Zollbehörde auf wiederholte Nachfragen des Hauptverpflichteten in Kenntnis der Nichterledigung der Versandverfahren dem Hauptverpflichteten mitteilt, die Verfahren würden ordnungsgemäß beendet, um aufgrund der Eröffnung weiterer Versandverfahren durch den Hauptverpflichteten die Einzelheiten der Nichterledigung der bereits eröffneten Versandverfahren und die hierfür verantwortlichen Personen ermitteln zu können?
3. Sind die nationalen Zollbehörden unter den in Frage 2 beschriebenen Umständen aufgrund des allgemeinen Grundsatzes des Vertrauensschutzes verpflichtet, den Hauptverpflichteten bei Eröffnung weiterer Versandverfahren auf die Nichterledigung der in der Vergangenheit eröffneten Versandverfahren hinzuweisen?
4. Falls Frage 3 zu verneinen sein sollte: Steht das Gemeinschaftsrecht unter den in Frage 2 beschriebenen Umständen einer nach nationalen Recht begründeten Verpflichtung entgegen, den Hauptverpflichteten auf die Nichterledigung der Versandverfahren von sich aus hinzuweisen oder diesbezügliche Fragen zutreffend zu beantworten?
5. Kann ein Hauptverpflicheter, der wegen der Nichterledigung eines Versandverfahrens als Zollschuldner gesamtschuldnerisch nach Art. 4 Abs. 2 der VO Nr. 1031/88 (ZollschuldnerVO) neben den Personen, die die dem Verfahren unterliegenden Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen haben, stets ohne nähere Prüfung der Umstände des Einzelfalles als Zollschuldner in Anspruch genommen werden oder ist hierfür zu prüfen, ob besondere Umstände des Einzelfalles einer Inanspruchnahme des Hauptverpflichteten entgegenstehen?"
sind entgegen der Auffassung der Klägerin nicht entscheidungserheblich. Denn das FG hat seine Entscheidung wie bereits oben unter Ziff. 2. ausgeführt auch darauf gestützt, daß erhebliche Zweifel an der Gutgläubigkeit der Klägerin bestehen und sie schon deshalb keinen Vertrauensschutz genießen kann, der ihrer Inanspruchnahme als Abgabenschuldnerin entgegenstehen könnte. Da diese Begründung die Entscheidung, daß eine Inanspruchnahme der Klägerin nicht ausgeschlossen ist, selbständig trägt, wären die aufgeworfenen Rechtsfragen in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig (vgl. z.B. Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 27. Juli 1993 VII B 214/92, BFH/NV 1994, 559; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Anm. 59).
6. Schließlich meint die Klägerin auch zu Unrecht, daß die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits von der Beantwortung der Rechtsfrage abhängt
"Sind die nationalen Finanzgerichte aufgrund der VO 1468/81 (UnterstützungsVO) oder anderer gemeinschaftsrechtlicher Regelungen berechtigt, Zollbeamte anderer Mitgliedstaaten zu Aussagen in finanzgerichtlichen Verfahren zu verpflichten?".
Abgesehen davon, daß das FG nach den Ausführungen der Klägerin in der Vorinstanz keine Veranlassung gesehen hat, ausländische Zollbeamte zu vernehmen und deshalb keine Veranlassung hatte, die Frage überhaupt zu prüfen, wäre sie auch im Revisionsverfahren aus den unter Ziff. 2. genannten Gründen nicht entscheidungserheblich, weil es nach den Entscheidungsgründen nicht auf etwaige in Belgien durchgeführte Ermittlungen oder Kenntnisse der belgischen Zollbehörden, die ausländische Zeugen bekunden könnten, ankommt.
Im übrigen ergeht der Beschluß nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Ende der Entscheidung
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