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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 09.12.2005
Aktenzeichen: VII B 136/05
Rechtsgebiete: StBerG, FGO


Vorschriften:

StBerG § 3 Nr. 4 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine in Luxemburg ansässige und nach luxemburgischem Recht zugelassene Buchprüfungsgesellschaft (expert comptable), die auch zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist. Auch in Deutschland leistet die Klägerin bundesweit Hilfe in Steuersachen. Zusammen mit einer weiteren luxemburgischen Gesellschaft, für welche die Klägerin eine Aufsichtsfunktion innehat, ist die Klägerin für 350 Mandanten, davon ca. 20 % in Deutschland, tätig. Anlässlich ihrer Tätigkeit für die in Deutschland ansässige Familie G, für deren GmbH und GbR die Klägerin Jahresabschlüsse mit Steuererklärungen erstellte und für die sie ein Einspruchsverfahren betrieb, wies der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Klägerin als Bevollmächtigte zurück.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Zurückweisung zu Recht erfolgt sei, da die Klägerin geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leiste, ohne hierzu gemäß § 3 Nr. 4 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) befugt zu sein. Die Klägerin erbringe nicht lediglich Dienstleistungen im Sinne des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG). Von dem Tatbestand des § 3 Nr. 4 Satz 1 StBerG würden nur grenzüberschreitende, vorübergehende Hilfeleistungen in Steuersachen erfasst. Die Klägerin sei aber in Deutschland umfassend für die Familie G steuerlich tätig geworden. Wegen der Nachhaltigkeit ihrer Tätigkeiten könnten diese nicht als lediglich vorübergehend bewertet werden.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie im Wesentlichen auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil Zulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 FGO z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist einer Rechtsfrage beizumessen, wenn ihre Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. April 2002 IV B 29/01, BFHE 198, 316, BStBl II 2002, 581, m.w.N.). Das Vorliegen dieser Zulassungsvoraussetzungen muss der Beschwerdeführer innerhalb der Begründungsfrist schlüssig und substantiiert darlegen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO). Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Juni 1995 II B 5/95, BFH/NV 1996, 141, m.w.N.; vom 14. März 2000 V B 23/00, BFH/NV 2000, 1148; Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2002 VII B 178/02, BFH/NV 2003, 214).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerde überwiegend nicht gerecht, da sie sich im Stil einer Revisionsbegründung gegen die Entscheidung des FG wendet und geltend macht, dass das FG mit seinem Urteil den freien Dienstleistungsverkehr gemäß Art. 49, 50 EG unzulässig beschränkt und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) missachtet habe.

Soweit die im Streitfall maßgeblichen Rechtsfragen als in der Beschwerdebegründung sinngemäß bezeichnet angesehen werden können, sind diese Rechtsfragen jedenfalls nicht klärungsbedürftig.

a) Der für § 3 Nr. 4 Satz 1 StBerG maßgebende Begriff der Dienstleistung i.S. des Art. 50 EG ist durch die Rechtsprechung des EuGH und --ihr folgend-- des BFH geklärt. Vom Erlaubnistatbestand dieser Vorschrift werden nur grenzüberschreitende, vorübergehende Hilfeleistungen in Steuersachen erfasst. Denn zum einen sind nach Art. 49 EG nur solche Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige von Mitgliedstaaten verboten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind. Zum anderen sind Dienstleistungen i.S. des Art. 50 EG zeitlich beschränkte Leistungen, die ohne dauerhafte Niederlassung (nach Art. 50 Satz 3 EG: "vorübergehend") in dem betreffenden Mitgliedstaat erbracht werden (vgl. EuGH-Urteile vom 4. Dezember 1986 Rs. 205/84, EuGHE 1986, 3755, 3801; vom 30. November 1995 Rs. C-55/94, EuGHE 1995, I-4165, 4195; vom 11. Dezember 2003 Rs. C-215/01, EuGHE 2003, I-14847; Senatsbeschlüsse vom 11. Februar 2003 VII B 330/02, VII S 41/02, BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422, m.w.N.; vom 21. Januar 2004 VII B 99/03, BFH/NV 2004, 827; BFH-Beschluss vom 15. Oktober 2003 X B 82/03, BFH/NV 2004, 671).

b) Ebenso ist nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteile in EuGHE 1995, I-4165, 4195 f.; vom 13. Februar 2003 Rs. C-131/01, EuGHE 2003, I-1659, und in EuGHE 2003, I-14847) geklärt, unter welchen Voraussetzungen eine grenzüberschreitende Dienstleistung einen nur vorübergehenden Charakter hat. Dieser ist nicht nur unter Berücksichtigung der Dauer der Leistung, sondern auch ihrer Häufigkeit, regelmäßigen Wiederkehr oder Kontinuität zu beurteilen, und er schließt nicht die Möglichkeit für den Dienstleistungserbringer i.S. des Art. 50 EG aus, sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten Infrastruktur (einschließlich eines Büros, einer Praxis oder einer Kanzlei) auszustatten, soweit diese Infrastruktur für die Erbringung der fraglichen Leistung erforderlich ist. Wer dagegen in stabiler und kontinuierlicher Weise eine Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, fällt unter die Vorschriften des Kapitels über das Niederlassungsrecht und nicht unter die des Kapitels über die Dienstleistungen.

c) Da somit die im Streitfall maßgeblichen Rechtsfragen als geklärt anzusehen sind, hätte die Beschwerde zur Begründung einer gleichwohl vorliegenden grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache eingehend begründen müssen, warum sie eine erneute Entscheidung des BFH zu den betreffenden Fragen im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung für erforderlich hält, und hätte hierfür substantiiert darlegen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die bereits höchstrichterlich beantworteten Fragen umstritten sind, insbesondere welche neuen gewichtigen, vom BFH bislang nicht geprüften Einwände in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte gegen die höchstrichterliche Auffassung erhoben werden (vgl. BFH-Beschluss vom 3. April 2000 VIII B 99/99, BFH/NV 2000, 985, m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Sie stützt sich im Wesentlichen auf das EuGH-Urteil in EuGHE 2003, I-14847, welches jedoch die --wie ausgeführt-- bereits beantworteten Rechtsfragen nicht als erneut klärungsbedürftig erscheinen lässt, sondern sie vielmehr in derselben Weise wie zuvor beantwortet. Auch mit dieser genannten Entscheidung vertritt der EuGH die Auffassung, dass der vorübergehende Charakter einer Dienstleistung nicht nur unter Berücksichtigung der Dauer der Leistung, sondern auch ihrer Häufigkeit, regelmäßigen Wiederkehr oder Kontinuität zu beurteilen und von dem Fall zu unterscheiden ist, in dem Leistungen in einer stabilen und kontinuierlichen Weise in einem anderen Mitgliedstaat erbracht werden. Dementsprechend führt der EuGH in jenem Urteil aus, dass allein die Tatsache, dass ein in einem Mitgliedstaat niedergelassener Wirtschaftsteilnehmer Dienstleistungen mehr oder weniger häufig oder regelmäßig in einem anderen Mitgliedstaat erbringe, ohne dort in stabiler und kontinuierlicher Weise einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, nicht ausreiche, um ihn als in diesem Mitgliedstaat niedergelassen anzusehen.

Die Frage, wann im Einzelfall eine Dienstleistung einen nur vorübergehenden Charakter hat bzw. wann eine in stabiler und kontinuierlicher Weise ausgeübte Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat vorliegt, ist indes vom EuGH nicht entschieden worden und kann von ihm auch nicht entschieden werden, da der EG-Vertrag insoweit keine Vorschriften enthält, die eine abstrakte Abgrenzung ermöglichen, sondern bleibt der Beantwortung durch die nationalen Gerichte vorbehalten (EuGH-Urteil in EuGHE 2003, I-14847 Rz. 31, 33; vgl. auch EuGH-Urteil vom 27. Oktober 2005 Rs. C-234/03, zur Veröffentlichung in EuGHE vorgesehen). Die Beantwortung dieser Frage erfordert eine Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse, die in erster Linie dem Tatrichter obliegt und revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann. Grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfragen ergeben sich insoweit nicht. Anders als die Beschwerde meint, käme es daher in einem Revisionsverfahren nicht in Betracht, die von der Beschwerde formulierten, auf den Einzelfall der Klägerin abgestimmten Fragen dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Wenn die Beschwerde geltend macht, dass die Entscheidung des FG im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH stehe, weil hinsichtlich der steuerlich beratenden Tätigkeit der Klägerin für die Familie G keinesfalls von einer nachhaltigen Tätigkeit die Rede sein könne, so wendet sie sich lediglich gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (BFH-Beschluss vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.).

d) Klärungsbedürftige Rechtsfragen ergeben sich auch nicht, soweit die Beschwerde zwischen aktiven und passiven grenzüberschreitenden Dienstleistungen unterscheiden will. Eine solche Differenzierung lässt sich aus Art. 49, 50 EG nicht herleiten; vielmehr kommt es nach Art. 49 Satz 1 EG allein darauf an, ob der Leistungsempfänger in einem anderen Mitgliedstaat als der Dienstleistende ansässig ist. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage kann somit nur so beantwortet werden, wie es das FG getan hat.

2. Mit dem Beschwerdevorbringen, dass das FG mit seinem Urteil von Entscheidungen des EuGH abgewichen sei, ließe sich im Übrigen allenfalls der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO begründen. Zu diesem Zulassungsgrund enthält die Beschwerdebegründung jedoch keine Darlegungen. Es ist auch nicht erkennbar, von welchem Rechtssatz aus den genannten EuGH- bzw. BFH-Entscheidungen das FG im Streitfall abgewichen sein sollte. Vielmehr hat sich das FG auf die o.g. Entscheidungen ausdrücklich gestützt und hat dementsprechend untersucht, ob die von der Klägerin in Deutschland erbrachten Leistungen --gemessen an den in dem EuGH-Urteil in EuGHE 1995, I-4165, 4195 dargestellten Kriterien, die der EuGH in den späteren Entscheidungen unverändert gelassen hat-- einen nur vorübergehenden Charakter haben. Es ist daher nicht ersichtlich, inwieweit die angestrebte BFH-Entscheidung geeignet und notwendig ist, künftige unterschiedliche gerichtliche Entscheidungen über eine bestimmte Rechtsfrage zu verhindern. Jedenfalls kann unter Zugrundelegung der genannten EuGH-Entscheidungen nicht angenommen werden, dass in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerberatungsgesellschaft für Mandanten steuerberatend tätig ist, die zu ca. 20 % in Deutschland ansässig sind, die Schlussfolgerung, dass hiermit Leistungen in stabiler und kontinuierlicher Weise in Deutschland erbracht werden, schlechthin ausgeschlossen ist.

3. Soweit die Beschwerde sinngemäß einen Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) rügt, indem sie geltend macht, dass das FG-Urteil nicht mit Gründen versehen sei, liegt dieser Verfahrensmangel jedenfalls nicht vor. Ein Fehlen von Entscheidungsgründen ist nur anzunehmen, wenn dem Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Januar 1985 I R 292/81, BFHE 143, 325, BStBl II 1985, 417). Das ist insbesondere der Fall, wenn nicht erkennbar ist, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde liegt, oder wenn nicht ersichtlich ist, auf welche rechtlichen Erwägungen sich die Entscheidung stützt. Hiervon kann im Streitfall jedoch nicht gesprochen werden. Vielmehr hat das FG seine Ansicht, dass die Klägerin nicht nur vorübergehende Dienstleistungen in Deutschland erbringe, begründet; die Klägerin hält diese Begründung nur nicht für überzeugend. Anders als die Beschwerde meint, war das FG nicht verpflichtet, die Grenzen zwischen vorübergehender Dienstleistung und stabiler und kontinuierlicher Leistungserbringung abstrakt aufzuzeigen und darzulegen, in welcher Weise diese Grenze von der Klägerin überschritten worden ist.

Ende der Entscheidung

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