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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.06.2006
Aktenzeichen: VII B 137/05
Rechtsgebiete: MinöStV, FGO


Vorschriften:

MinöStV § 53
FGO § 138 Abs. 1
FGO § 138 Abs. 2
FGO § 138 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) belieferte regelmäßig eine Tankstelle unter Eigentumsvorbehalt mit Kraftstoffen, zuletzt im Januar 1998. Die Forderungen aus den im Januar 1998 ausgeführten Lieferungen beglich die Tankstelleninhaberin (S) nicht. Unter dem Vorbehalt der Beibringung einer Bankbürgschaft erklärte sich die Klägerin zum Abschluss einer Teilzahlungsvereinbarung bereit. Hierzu setzte sie S eine Frist bis zum 6. April 1998. Im Vorgriff auf die abzuschließende Teilzahlungsvereinbarung zahlte die Warenempfängerin in den Monaten Januar bis April 1998 jeweils einen größeren Betrag an die Klägerin. Letztlich wurde eine Bankbürgschaft jedoch nicht beigebracht. Nachdem die Klägerin die Warenempfängerin wiederholt gemahnt hatte, beantragte sie am 6. Mai 1998 den Erlass eines Mahnbescheids. In der Folgezeit erwirkte sie den Erlass eines Versäumnisurteils und unternahm Vollstreckungsversuche. Am 30. Juni 2000 gab S die eidesstattliche Versicherung ab.

Den Antrag auf Vergütung der in den Lieferungen enthaltenen Mineralölsteuer lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) mit der Begründung ab, dass die Klägerin ihre Ansprüche nicht innerhalb von zwei Monaten nach der letzten Lieferung gerichtlich geltend gemacht habe. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass es die Klägerin versäumt habe, den Kaufpreisanspruch rechtzeitig gerichtlich zu verfolgen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei die gerichtliche Verfolgung spätestens zwei Monate nach der Belieferung in die Wege zu leiten. Nach der letzten Mineralöllieferung im Januar 1998 habe die Klägerin den Erlass eines Mahnbescheids erst im Mai 1998 beantragt. Eine Ratenzahlungsvereinbarung sei innerhalb der Zwei-Monats-Frist nicht zustande gekommen. Auf die Einhaltung dieser Frist könne nicht allein deshalb verzichtet werden, weil der Mineralöllieferant und der Warenempfänger über die Gewährung von Ratenzahlungen verhandelten. Denn der Mineralöllieferant sei gehalten, seinen Anspruch nachdrücklich und zügig gerichtlich zu verfolgen und könne nicht abwarten, ob ein Mahnbescheid möglicherweise durch den Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung oder Insolvenzeröffnung entbehrlich werde.

Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG hat die Klägerin eine auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) gestützte Beschwerde eingelegt. Im Streitfall sei die Frage zu klären, ob die für den Vergütungsanspruch nach § 53 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (MinöStV) erforderliche rechtzeitige gerichtliche Verfolgung der Ansprüche voraussetze, dass die Einleitung gerichtlicher Schritte grundsätzlich innerhalb von zwei Monaten nach der Belieferung des Warenempfängers erfolge, selbst wenn zwischen dem Mineralölhändler und dem Warenempfänger Verhandlungen über eine Teilzahlungsvereinbarung liefen bzw. Ratenzahlungen im Vorgriff auf eine entsprechende Vereinbarung bereits geleistet worden seien oder ob in einem solchen Fall die Einleitung gerichtlicher Schritte erst dann erforderlich sei, wenn es tatsächlich nicht zum Abschluss der Vereinbarung komme oder der Warenempfänger die Ratenzahlung einstelle. An der Klärung dieser Rechtsfrage bestehe ein Allgemeininteresse, da eine Vielzahl von Fällen betroffen sei. Darauf deute die Regelung in der Dienstvorschrift der Bundesfinanzverwaltung zur Anwendung von § 53 MinöStV (VSF-Nachrichten --VSF N-- 34/2005) hin, nach der sich in den Fällen, in denen nachweislich Verhandlungen über eine mögliche Ratenzahlungsvereinbarung geführt worden seien, die Frist für die gerichtliche Verfolgung entsprechend verlängere. Dies treffe auf den Streitfall zu. Wiederholt habe der BFH Ratenzahlungsvereinbarungen als zulässig erachtet und die unverzügliche Einleitung gerichtlicher Schritte dann gefordert, wenn eine solche Vereinbarung notleidend werde. Auf die zivilrechtliche Wirksamkeit der Vereinbarung könne es nicht ankommen.

Unter Hinweis auf die geänderte Verwaltungsauffassung und die entsprechend neu gefasste Dienstvorschrift hat das HZA mit Bescheid vom 4. Oktober 2005 den angefochtenen Verwaltungsakt zurückgenommen und die beantragte Mineralölsteuervergütung gewährt. Die Beteiligten haben daraufhin den Rechtsstreit für erledigt erklärt.

II. 1. Da sich der Rechtsstreit durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen in der Hauptsache erledigt hat, ist nur noch über die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden (§ 138 Abs. 1 FGO).

Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand entspricht es billigem Ermessen, die Kosten den Beteiligten je zur Hälfte aufzuerlegen.

2. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist trotz Rücknahme eines den Antrag nach § 53 MinöStV ablehnenden Verwaltungsaktes die Kostentragungsregelung des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht auf Verpflichtungsklagen anwendbar, mit denen ein Mineralöllieferant eine auf § 53 MinöStV gestützte Mineralölsteuervergütung begehrt (Senatsbeschluss vom 16. November 2005 VII R 2/05, BFH/NV 2006, 353, m.w.N.). Denn dass im Vorstadium des Verpflichtungsbegehrens notwendigerweise ein Antrag auf Aufhebung der das Begehren ablehnenden Verwaltungsentscheidungen zu stellen ist, macht das eingelegte Rechtsmittel nicht zu einer Anfechtungsklage. Entgegen der Auffassung der Klägerin findet daher § 138 Abs. 2 FGO im Streitfall keine Anwendung; vielmehr ist die Kostenentscheidung nach der allgemeinen Kostentragungsregelung des § 138 Abs. 1 FGO zu treffen.

3. Nach § 138 Abs. 1 FGO hat das Gericht nach billigem Ermessen über die Auferlegung der Kosten zu entscheiden, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist. Hierbei ist der mutmaßliche Ausgang des Verfahrens ohne das erledigende Ereignis zu berücksichtigen. Dabei ist eine summarische Beurteilung der Rechtslage als ausreichend zu erachten (Senatsbeschluss vom 27. April 1993 VII K 13/92, BFH/NV 1993, 761).

a) Einerseits ist im Streitfall zu berücksichtigen, dass das FG unter Beachtung der bisherigen Rechtsprechung des BFH die Klage als unbegründet abgewiesen hat. Danach steht es dem Mineralöllieferanten grundsätzlich frei, von den Vorgaben eines Mahnsystems abzuweichen, die Zahlungsfristen zu verlängern und sich auf Ratenzahlungen einzulassen. Jedoch hat ein Mineralöllieferant, der auf die rechtzeitige gerichtliche Verfolgung seiner Forderungen verzichtet, bei Ausfall der Zahlungen das Risiko selbst zu tragen und kann dieses nicht auf den Fiskus und die Allgemeinheit abwälzen (BFH-Beschluss vom 2. Februar 1999 VII B 247/98, BFHE 188, 217). Andererseits bestand für den Senat noch kein Anlass, die geänderte Verwaltungsauffassung zu berücksichtigen, nach der Verhandlungen über eine mögliche Ratenzahlungsvereinbarung die nach der BFH-Rechtsprechung einzuhaltende Zwei-Monats-Frist für die gerichtliche Verfolgung entsprechend verlängern. Die entsprechende Dienstvorschrift wurde über einen Monat vor der Entscheidung des FG erlassen und in der VSF N über einen Monat vor Zustellung des erstinstanzlichen Urteils veröffentlicht. Der Umstand, dass die Finanzverwaltung diesen Fall in einer überarbeiteten Dienstvorschrift ausdrücklich angesprochen hat, könnte für einen entsprechenden Regelungsbedarf und für das Interesse der Allgemeinheit an der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage sprechen. Unter diesen Umständen kann eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht von vornherein ausgeschlossen und der Ausgang eines Revisionsverfahrens nicht zuverlässig eingeschätzt werden.

b) In einer solchen Lage, in der erstinstanzlich über schwierige Rechtsfragen zu entscheiden war und der Ausgang des Rechtsstreits nicht mit einiger Sicherheit vorhergesagt werden kann, hält es der Senat nach billigem Ermessen für sachgerecht, die Kosten des Verfahrens den Beteiligten je zur Hälfte aufzuerlegen und die Klägerin zumindest teilweise von den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten zu entlasten (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2006, 353).

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