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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 24.02.2005
Aktenzeichen: VII B 140/04
Rechtsgebiete: BranntwMon, BO, FGO, BierStG, BierStVO


Vorschriften:

BranntwMonG § 37
BranntwMonG § 57
BO § 116
BO § 117
BO § 118
BO § 119
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
BierStG § 3 Abs. 3
BierStVO § 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) lehnte den Antrag der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) eine in Ausübung eines Hobbys einzurichtende Obstbrennerei gemäß § 57 des Branntweinmonopolgesetzes (BranntwMonG) zur Abfindung zuzulassen, mit der Begründung ab, dass die für den Oberfinanzbezirk X festgeschriebene Grenzzahl von ... Obstabfindungsbrennereien bereits erreicht sei. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass es sich beim Abfindungsbrennen um eine bloße Besitzstandsregelung handle. Daher verstießen die Ausnahmeregelungen der §§ 116 bis 119 der Brennereiordnung (BO) i.V.m. § 57 BranntwMonG weder gegen die durch Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Den Klägern verbleibe die Möglichkeit, ihrem Hobby durch Einrichtung einer Verschlussbrennerei oder durch Beteiligung an einer verschlusssicher eingerichteten Obstgemeinschaftsbrennerei gemäß § 37 BranntwMonG nachzugehen. Auch stehe ihnen die Möglichkeit offen, als sog. Stoffbesitzer in der Brennerei eines anderen selbst gewonnene Stoffe zu brennen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG wenden sich die Kläger mit ihrer Beschwerde, mit der sie im Wesentlichen die Verletzung des Gebotes der Gehörsgewährung und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend machen. Verfahrensfehlerhaft habe das FG das eigentliche Klagebegehren nicht berücksichtigt. Die Kläger hätten kein Teilhaberecht, sondern ein auf das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) gestütztes Abwehrrecht geltend gemacht. Den vorgetragenen Aspekt der verfassungskonformen Einschränkung eines Verbotstatbestandes habe das FG vollkommen unbeachtet gelassen und auch seine Erörterungspflicht nicht erfüllt. Damit sich die Grenzzahlen nicht als verfassungswidriges Verbot des Hobbybrennens auswirkten, seien sie nur auf gewerbliche Brennereien anzuwenden.

Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob der Grundsatz, dass sich der Hobbybrenner den ausschließlich für Gewerbetreibende konzipierten monopolrechtlichen Beschränkungen zu unterwerfen habe, gegen die nach Art. 2 Abs. 1 GG zu gewährleistende allgemeine Handlungsfreiheit verstoße. Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei auch aus Gründen der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative der Finanzgerichtsordnung --FGO--) erforderlich. Sollte der BFH zu dem Schluss gelangen, dass monopolrechtliche Restriktionen auch der Ausübung eines Hobbys entgegenstehen könnten, sei eine Stellungnahme zu der bisher ungeklärten Rechtsfrage veranlasst, ob das Branntweinmonopol überhaupt noch bestehe. Denn inzwischen sei das Finanzmonopol zu einer reinen Subventionierung der deutschen Brennereien gegenüber der Konkurrenz in anderen Mitgliedstaaten reduziert worden. Die durch Art. 12 des Haushaltssanierungsgesetzes vom 22. Dezember 1999 (BGBl I, 2534) herbeigeführten Änderungen hätten faktisch zu einer Abschaffung des Finanzmonopols geführt. Das erstinstanzliche Urteil weiche auch von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), insbesondere von dem BVerfG-Beschluss vom 29. Juli 2004 1 BvR 737/00 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2004, 2097) ab. Denn das FG habe sich der Prüfung vollkommen verschlossen, ob sich der Zweck des Abfindungsbrennens im Laufe der Zeit gewandelt habe, so dass die für den Streitfall erheblichen Regelungen des BranntwMonG nunmehr einer verfassungskonformen Interpretation in dem Sinne zugeführt werden müssten, dass ein Hobbybrennen unter Abfindung in jedem Fall zu ermöglichen sei. Das BVerfG habe darauf hingewiesen, dass Gesetze einem Alterungsprozess unterworfen seien. Daher habe das Gericht eine Auslegung zu finden, die einerseits die durch das Gesetz geschützten Belange und andererseits die Freiheitsrechte des Einzelnen berücksichtige und dabei auch den Veränderungen der Lebenswirklichkeit Rechnung trage.

Das HZA tritt der Beschwerde entgegen. Ausweislich des Tatbestandes habe das FG den klägerischen Vortrag vollständig berücksichtigt, so dass ein Verfahrensfehler nicht vorliege. Hinsichtlich der übrigen Zulassungsgründe genügten die Darlegungen nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Senat lässt es offen, ob der von den Klägern gerügte Verfahrensmangel in der erforderlichen Weise dargelegt ist, jedenfalls liegt er nicht vor. Im Übrigen entspricht die Darlegung der Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO nicht den Anforderungen von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Auch die behauptete Divergenz liegt nicht vor.

1. Der aus Art. 103 Abs. 1 GG abzuleitende Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs soll sicherstellen, dass sich ein Verfahrensbeteiligter zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt äußern und seine Rechtsansicht dem Gericht mitteilen kann. Hinweis-, Aufklärungs- und Erörterungspflichten, die über dieses Recht hinausgehen, werden von der Schutzwirkung grundsätzlich nicht erfasst (vgl. Schmidt-Troje in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 96 FGO Rdnr. 87, m.w.N.). Grundsätzlich ist auch davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Darüber hinaus besteht nach der Rechtsprechung des BFH für das FG keine sich aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs abzuleitende Pflicht, sich in der Urteilsbegründung mit jedem Vorbringen des Klägers auseinander zu setzen (BFH-Beschluss vom 15. Juni 1994 II B 172/93, BFH/NV 1995, 131, m.w.N.). Diesen Maßstäben wird das erstinstanzliche Urteil gerecht. Ausweislich des Tatbestandes hat das FG insbesondere den Vortrag der Kläger, dass die Einrichtung einer Verschlussbrennerei den mit dem Betrieb einer Hobbybrennerei zu vereinbarenden Aufwand sprengen würde, zur Kenntnis genommen. In der Beschwerdeschrift haben sich die Kläger auch nicht darauf berufen, dass sie sich zu dem streitgegenständlichen Sachverhalt nicht hätten äußern können oder dass ihnen die Darlegung ihrer Rechtsansichten durch das FG verwehrt worden wäre.

Darüber hinaus trifft die Behauptung der Kläger, das FG habe sich mit der von ihnen vorgebrachten Argumentationskette auch nicht im Ansatz auseinander gesetzt, nicht zu. Zur Möglichkeit der Einrichtung einer Verschlussbrennerei hat das FG in seiner Begründung ausgeführt, dass es aus seiner Sicht auf die Frage, ob und unter welchen Bedingungen eine Verschlussbrennerei durch die Kläger tatsächlich betrieben werden könne, nicht ankomme. Diese Ausführungen belegen, dass das FG sehr wohl das Vorbringen der Kläger hinsichtlich der vermeintlichen Unmöglichkeit der Einrichtung einer Verschlussbrennerei zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidungsfindung auch berücksichtigt hat.

Sofern die Kläger rügen, das FG sei in Abweichung vom eigentlichen Klagebegehren von der Geltendmachung eines Teilhaberechtes und nicht eines Abwehrrechtes ausgegangen, vermag auch dieser Vortrag eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht zu belegen. Vielmehr deutet der auf eine Verpflichtung des HZA zur Zulassung der von den Klägern einzurichtenden Obstbrennerei zur Abfindung gerichtete Klageantrag darauf hin, dass die Kläger im Kern ihres Vorbringens eine auf Art. 2 Abs. 1 GG gestützte Teilhabe an dem Recht des Brennens unter Abfindung begehren. Im Übrigen ist der Urteilsbegründung eine Differenzierung in Teilhabe- und Abwehrrechte nicht zu entnehmen; vielmehr hat das FG unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH ausgeführt, dass § 57 BranntwMonG nicht gegen das in Art. 2 Abs. 1 GG angelegte Gebot zur Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit verstoße.

2. Eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt ebenfalls nicht in Betracht. Denn die bloße Behauptung, dass eine gesetzliche Regelung in verfassungswidriger Weise die Ausübung eines zu gewährleistenden Rechts einschränkt oder unmöglich macht, reicht zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache nicht aus. Auch der Vortrag, dass eine Rechtsfrage verfassungsrechtlich zweifelhaft erscheint, vermag das Interesse der Allgemeinheit an der Klärung der Rechtsfrage nicht hinreichend zu belegen (vgl. BFH-Beschluss vom 29. November 1995 VIII B 70/95, BFH/NV 1996, 421). Entscheidend ist vielmehr, dass das Interesse eines größeren Kreises an Steuerpflichtigen an der einheitlichen Handhabung und Entwicklung des Rechts berührt ist. Im Streitfall ist der Beschwerde nicht zu entnehmen, dass der von den Klägern aufgeworfenen Rechtsfrage eine Bedeutung für eine Vielzahl von weiteren Fällen zukommt. Vielmehr neigt der Senat zu der Auffassung, dass es sich bei dem Bedürfnis, mit Hilfe eines nicht verschlossen eingerichteten Brenngeräts aus eigenem Obst geringe Mengen an Alkohol zu gewinnen, um diesen sodann selbst zu verbrauchen oder im Freundes- oder Bekanntenkreis kostenlos abgeben zu können, um ein Einzelbegehren handelt, das keinen Rückschluss auf eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle zulässt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich um die unter Steueraufsicht stehende Gewinnung eines --auch unter Berücksichtigung des ermäßigten Steuersatzes für Abfindungsbranntwein-- hochsteuerbaren Erzeugnisses handelt, die nur unter Inkaufnahme eines erheblichen Verwaltungsaufwands möglich wäre (Erfordernis einer Zulassung durch das HZA, Abgabe von Steueranmeldungen, Duldung von steuerlichen Aufsichtsmaßnahmen ect.). Dass ein größerer Kreis von Privatpersonen unter diesen Bedingungen in Ausübung eines Hobbys die Aufnahme einer nicht kostendeckenden Eigenproduktion von Trinkbranntwein anstreben würde, vermag die Beschwerde nicht darzulegen.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es sich bei der Einrichtung des Abfindungsbrennens um eine bloße Besitzstandsregelung handelt, bei deren Beschränkung dem Gesetzgeber ein nicht unerheblicher Gestaltungsspielraum verbleibt (Senatsurteil vom 28. November 1995 VII R 6/94, BFHE 179, 491). Nach Auffassung des Senats könnten insbesondere Gründe der Steueraufsicht und des damit verbundenen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwands sowie der Missbrauchsprävention eine Entscheidung des Gesetzgebers legitimieren, von einer nicht auf Grenzzahlen bezogenen und damit uneingeschränkten Ausdehnung der Besitzstandsregelung auf den nicht gewerblichen Bereich Abstand zu nehmen. Denn selbst der unter Abfindung erzeugte Alkohol weist noch eine erhebliche Steuerbelastung in Höhe von 10,22 € je Liter auf. Darin würde sich das Hobbybrennen wesentlich von der durch § 3 Abs. 3 des Biersteuergesetzes 1993 (BierStG) ausdrücklich ermöglichten Bierherstellung durch Haus- und Hobbybrauer unterscheiden. Denn gemäß § 2 der Biersteuerverordnung ist das von diesem Personenkreis hergestellte Bier bis zu einer Menge von 2 Hektolitern im Kalenderjahr von der Biersteuer befreit. Auch der im Falle einer Überproduktion anzuwendende Biersteuersatz ist wesentlich niedriger als der Steuersatz für Abfindungsbranntwein. Im Vergleich zu Hobbybrauern wäre daher das Steuerausfallrisiko bei der uneingeschränkten Zulassung von Hobbybrennern zur Abfindung ungleich höher. Aus der für Hobbybrauer getroffenen Regelung in § 3 Abs. 3 BierStG ließe sich daher kein auf Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG gestütztes Teilhaberecht in Bezug auf das Brennen unter Abfindung herleiten.

3. Da die Kläger keine über den Einzelfall hinausgehende Frage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt haben, ist eine Zulassung der Revision auch nicht zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO erforderlich.

4. Soweit die Kläger eine Zulassung der Revision unter dem Gesichtspunkt der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) begehren, liegt die behauptete Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von der Rechtsprechung des BVerfG nicht vor. Eine solche Abweichung wäre nur dann gegeben, wenn das Urteil des FG von einem Rechtssatz getragen wird, der einem ebenfalls tragenden Rechtssatz aus einer höchstrichterlichen Entscheidung zuwiderläuft. Dies muss in der Beschwerdeschrift unter Herausarbeitung und Gegenüberstellung der Rechtssätze dargelegt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. Oktober 2003 X B 52/03, BFH/NV 2004, 80; vom 6. Oktober 2003 VII B 67/03, BFH/NV 2004, 214, m.w.N.). Die Beschwerde erschöpft sich in der Wiedergabe von längeren Auszügen aus BVerfG-Entscheidungen, die sich mit der Auslegung von Gesetzen und der richterlichen Freiheit zur schöpferischen Fortbildung des Rechts befassen. Zu den allgemeinen Auslegungskriterien und zur Befugnis des Richters, eine gesetzliche Norm im Wege der teleologischen Reduktion einer den Wertentscheidungen der Verfassung entsprechenden Deutung zuzuführen, hat das FG jedoch in seiner Entscheidung überhaupt nicht Stellung genommen und konnte somit auch keinen von den zitierten Urteilen des BVerfG abweichenden Rechtssatz aufstellen. Im Kern ihres Vorbringens rügen die Kläger nicht eine Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von tragenden Rechtsgrundsätzen anderer höchstrichterlicher Entscheidungen, sondern eine unter vermeintlicher Missachtung der angeführten BVerfG-Entscheidungen vorgenommene Interpretation der streitentscheidenden Norm und damit eine fehlerhafte Rechtsanwendung. Dies kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO führen (BFH-Beschluss vom 21. Juli 2004 I B 190/03, BFH/NV 2004, 1642, m.w.N.).

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