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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 06.11.2003
Aktenzeichen: VII B 149/03
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 254 Abs. 1 Satz 1
AO 1977 § 332 Abs. 2 Satz 2
AO 1977 § 332
AO 1977 § 254 Abs. 1 Satz 1
AO 1977 § 332 Abs. 2 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 1. Alternative
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gab für eine Steuerberatungsgesellschaft, deren Geschäftsführer er ist, Steuererklärungen für die Jahre 1997, 1998 und 1999 ohne die jeweils dazugehörigen Jahresabschlüsse und Gewinn- und Verlustrechnungen ab. Nachdem Aufforderungen, die Steuererklärungen entsprechend zu vervollständigen, ohne Erfolg geblieben waren, drohte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) dem Kläger mit Verfügung die Festsetzung von Zwangsgeld in Höhe von je 300 DM gesondert für jedes der drei Jahre und gesondert für jeweils die Gewinn- und Verlustrechnung und den Jahresabschluss an, falls der Kläger die betreffende Unterlage nicht bis zum ... einreiche. Den Einspruch des Klägers wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom ... zurück. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 1. Alternative der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt. Der Kläger macht geltend, dass auch für die Androhung von Zwangsgeldfestsetzungen die einwöchige Vollstreckungsschutzfrist des § 254 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gelte, so dass die Zwangsgeldfestsetzungen im Streitfall verfrüht angedroht worden seien. Zudem ergebe sich auch aus § 332 Abs. 2 Satz 2 AO 1977, dass die Zwangsmittelandrohung vom Grundverwaltungsakt getrennt zu ergehen habe. Auch werde in der Literatur zum Teil die Ansicht vertreten, dass mehrere Zwangsmittelandrohungen in gesonderten Schriftstücken erfolgen müssten, was im Streitfall aber nicht beachtet worden sei. Außerdem habe das FA bei der Entscheidung über die Höhe der angedrohten Zwangsgelder im Einspruchsverfahren nicht beachtet, dass es die Zwangsgeldbeträge in Euro hätte ausweisen müssen. An der Klärung dieser Rechtsfragen bestehe ein allgemeines Interesse und ihre Klärung diene der Fortbildung des Rechts.

II. Die Beschwerde ist unbegründet, weil keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 1. Alternative FGO vorliegt.

1. Einer Rechtsfrage ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzliche Bedeutung beizumessen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dabei muss es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Juni 1995 II B 5/95, BFH/NV 1996, 141, m.w.N.). Das Vorliegen dieser Zulassungsvoraussetzungen muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift und innerhalb der Begründungsfrist schlüssig und substantiiert darlegen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO). Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1996, 141, m.w.N.; vom 14. März 2000 V B 23/00, BFH/NV 2000, 1148).

a) Dem Beschwerdevorbringen lässt sich zum einen die sinngemäß formulierte Rechtsfrage entnehmen, ob die Androhung eines Zwangsmittels gemäß § 332 AO 1977 voraussetzt, dass die nach § 254 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 vorgeschriebene Wochenfrist seit der Bekanntgabe des Leistungsgebots verstrichen ist.

Der Senat kann offen lassen, ob bezüglich dieser Rechtsfrage die übrigen für die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung erforderlichen Voraussetzungen schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, ob insbesondere die Beschwerde in ausreichend substantiierter Weise auf die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht. Jedenfalls ist diese von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig, weil sie sich nach dem Wortlaut des Gesetzes eindeutig beantworten lässt und weil sie vom Senat auch bereits in entsprechender Weise entschieden worden ist.

Bei § 332 AO 1977 handelt es sich um eine spezielle Vollstreckungsvorschrift für die Vollstreckung wegen anderer Leistungen als Geldforderungen, nämlich wegen Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen. Nach § 332 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 kann die Androhung der Zwangsmittel mit dem Verwaltungsakt verbunden werden, durch den die Handlung, Duldung oder Unterlassung aufgegeben wird. Anders als der Kläger offenbar meint, begründet diese Vorschrift keinen Gegensatz zu der allgemeinen Vollstreckungsvorschrift des § 254 Abs. 1 Satz 1 AO 1977, zumal der auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtete Verwaltungsakt in der Regel --so auch im Streitfall-- zugleich das nach dieser Vorschrift geforderte Leistungsgebot enthält (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 332 AO 1977 Rz. 1). Die Verbindung der Zwangsmittelandrohung mit dem betreffenden Verwaltungsakt schließt somit nicht aus, dass die Vollstreckung --wie es § 254 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 fordert-- erst beginnt, wenn seit der Bekanntgabe des Leistungsgebots mindestens eine Woche verstrichen ist. Dementsprechend hat der Senat entschieden, dass die mit Zwangsmitteln durchzusetzende Aufforderung zur Abgabe von Steuererklärungen gleichzeitig mit der Androhung des Zwangsmittels in einem Verwaltungsakt ergehen kann (Senatsbeschluss vom 22. Mai 2001 VII R 79/00, BFH/NV 2001, 1369).

b) Damit ist auch die von der Beschwerde gleichsam hilfsweise formulierte Frage beantwortet, ob sich aus § 332 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 ergibt, dass die Zwangsmittelandrohung getrennt von dem Verwaltungsakt zu ergehen hat, mit welchem die Handlung, Duldung oder Unterlassung aufgegeben worden ist. Die mögliche Verbindung der Zwangsmittelandrohung mit dem Verwaltungsakt, aus dem vollstreckt werden soll, wird mit der Vorschrift des § 332 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 eindeutig geregelt. § 332 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 schreibt allein vor, dass die Androhung eines bestimmten Zwangsmittels für jede einzelne Verpflichtung, die durch den betreffenden Verwaltungsakt begründet wird, getrennt ergehen muss.

c) Soweit sich dem Beschwerdevorbringen zum anderen die sinngemäß formulierte Rechtsfrage entnehmen lässt, ob die nach § 332 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 vorgeschriebene getrennte Zwangsmittelandrohung für jede einzelne Verpflichtung aus dem Verwaltungsakt erfordert, dass die verschiedenen Zwangsmittelandrohungen auch in gesonderten Schriftstücken zu ergehen haben, kann es der Senat ebenfalls offen lassen, ob die grundsätzliche Bedeutung dieser Rechtsfrage schlüssig dargelegt ist, weil diese Rechtsfrage jedenfalls nicht klärungsbedürftig ist.

Wie bereits ausgeführt, schreibt § 332 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 nur vor, dass die Androhung eines bestimmten Zwangsmittels für jede einzelne Verpflichtung, die durch den betreffenden Verwaltungsakt begründet wird, getrennt ergehen muss. Eine vorgeschriebene Trennung in der Weise, dass unterschiedliche Verpflichtungen des Vollstreckungsschuldners zu Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen und die dazugehörigen und damit verbundenen Zwangsmittelandrohungen für den Fall der Nichterfüllung der Pflicht auch auf jeweils gesonderten Schriftstücken zu erfolgen haben, ist der Vorschrift hingegen nicht zu entnehmen. Dementsprechend hat der Senat mit dem genannten Urteil in BFH/NV 2001, 1369 Aufforderungen zur Abgabe verschiedener Steuererklärungen für jeweils ein bestimmtes Jahr verbunden mit jeweils einer Zwangsgeldandrohung getrennt für den Fall der Nichterfüllung jeder einzelnen Erklärungspflicht für rechtmäßig gehalten, obwohl diese Aufforderungen zur Abgabe unterschiedlicher Steuererklärungen und die damit verbundenen Zwangsgeldandrohungen in einem Bescheid zusammengefasst und nicht auf gesonderten Schriftstücken ergangen waren. Diese Rechtsauffassung entspricht der herrschenden Meinung in der Literatur (vgl. Neumann in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, Kommentar, § 332 AO 1977 Rz. 13; Hohrmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 332 AO 1977 Rz. 17; Bittner in Pump/Lohmeyer/Leibner, Abgabenordnung, Kommentar, § 332 Rz. 11; Dumke in Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, 10. Aufl., § 332 Rz. 3 a; Tipke/Kruse, a.a.O., § 332 AO 1977 Rz. 10; App, Betriebs-Berater 1991, 1393, 1394; a.A.: Brockmeyer in Klein, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 332 Rz. 4; Wolf in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 332 Rz. 5; Späth, Deutsches Steuerrecht 1978, 371, 372). Dem Zweck der Vorschrift, dem Pflichtigen deutlich erkennbar zu machen, für welche der verschiedenen Verpflichtungen ihm welches Zwangsmittel für den Fall der Nichterfüllung angedroht wird, kann nicht allein durch Aufführung der Verpflichtungen und Zwangsmittelandrohungen in jeweils gesonderten Schriftstücken Rechnung getragen werden. Ob es dem jeweiligen Pflichtigen anhand der äußeren Gestaltung des Verwaltungsakts deutlich erkennbar ist, welches bestimmte Zwangsmittel ihm droht, falls er eine von mehreren mit dem Verwaltungsakt ihm auferlegten Verpflichtungen nicht erfüllt, ist eine Frage des Einzelfalls, die einer grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich ist.

d) Anders als der Kläger meint, waren die angedrohten Zwangsgelder in der Einspruchsentscheidung des FA nicht in Euro auszuweisen. Wenn auch die Rechtsbehelfsstelle im Einspruchsverfahren eine eigene Ermessensentscheidung hinsichtlich der Höhe des Zwangsgeldes trifft, so bedeutet dies nicht, dass sie, wenn sie die Höhe des mit dem Ausgangsbescheid angedrohten Zwangsgeldes für nicht beanstandenswert hält und diese unverändert lässt, die im Ausgangsbescheid vor dem 1. Januar 2002 noch in DM ausgewiesenen Zwangsgeldbeträge nunmehr nach der Einführung des Euro-Bargeldes in Euro umzurechnen hätte. In Anbetracht des festgesetzten Umrechnungskurses besteht ab dem 1. Januar 2002 kein Zweifel an der Höhe eines vor diesem Zeitpunkt noch in DM angedrohten Zwangsgeldes.

Im Übrigen legt die Beschwerde in keiner Weise dar, weshalb dieser Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Eine substantiierte Darlegung dieser Zulassungsvoraussetzung wäre hier aber in besonderer Weise erforderlich gewesen, weil die Frage, wie in einer Einspruchsentscheidung Geldbeträge zu behandeln sind, die im Ausgangsbescheid noch in DM ausgewiesen worden sind, allenfalls während einer kurzen Übergangszeit nach dem 1. Januar 2002 Bedeutung erlangen konnte. Dem Beschwerdevorbringen lässt sich aber allein entnehmen, dass der Kläger die Umrechnung der Zwangsgeldbeträge in der Einspruchsentscheidung für rechtlich geboten und u.a. aus diesem Grund die Entscheidung des FG für falsch hält. Damit wendet sich der Kläger aber gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (BFH-Beschluss vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.).

2. Da die mit der Beschwerde formulierten Rechtsfragen nicht klärungsbedürftig sind, ist auch der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) nicht gegeben (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2001 III B 103/01, BFH/NV 2002, 652; Senatsbeschluss vom 27. Februar 2003 VII B 263/02, BFH/NV 2003, 835), wobei es auch insoweit offen bleiben kann, ob die Zulassungsvoraussetzungen dieser Vorschrift mit der Beschwerde überhaupt in schlüssiger Weise dargelegt worden sind.



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