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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 07.01.1999
Aktenzeichen: VII B 161/98
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 76 Abs. 1
FGO § 96 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Im Rahmen eines ihr vom Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--) bewilligten Veredelungsverkehrs (aktive Eigenveredelung) mit .... Stück lebenden Enten zur Herstellung von bratfertigen Enten ließ die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) Enten im Gesamtwert von ... DM zur aktiven Veredelung abfertigen. Die Wiederausfuhrfrist für die veredelten Waren wurde mehrmals verlängert. Die Klägerin führte jedoch bis zum Ablauf dieser Frist weder die unveredelte noch die veredelte Ware wieder aus. Das HZA erließ daraufhin 1993 einen Steuerbescheid über Abschöpfung, Einfuhrumsatzsteuer und Ausgleichszinsen.

Die Klägerin beantragte den Erlaß der Abschöpfungs- und Ausgleichszinsbeträge. Nach ihrer Meinung lägen besondere Umstände i.S. von Art. 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1430/79 (VO Nr. 1430/79) des Rates vom 2. Juli 1979 über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 175/1) vor, weil die betreffenden Enten für das Land A produziert worden seien, jedoch ohne Verschulden der Klägerin nicht hätten dorthin verkauft werden können, da der Geschäftspartner in Konkurs gefallen sei. Der Versuch, eine neue Vertriebsschiene in A aufzubauen, sei daran gescheitert, daß das Geflügel, welches nicht salmonellenfrei gewesen sei, nicht nach A hätte eingeführt werden dürfen. Da inzwischen das Haltbarkeitsdatum der Enten abzulaufen begonnen hätte, hätte sie, um weiteren Schaden zu vermeiden, die Ware nach und nach auf dem deutschen Markt verkauft. Sie machte geltend, daß es eine erhebliche Härte bedeuten würde, wenn die Abschöpfung einschließlich Ausgleichszinsen eingezogen würden, weil sie durch dieses Geschäft schon ohne Zollbelastung große Verluste erlitten hätte. Der Einzug der Abgabe würde außerdem den Unternehmensbestand gefährden.

Das HZA lehnte den Antrag ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte --zusammengefaßt-- aus, ein besonderer Umstand, der den Erlaß der Einfuhrabgaben rechtfertige, liege nicht vor. Der Streitfall entspreche weder den in der Verordnung (EWG) Nr. 3799/86 der Kommission vom 12. Dezember 1986 zur Durchführung der Art. 4a, 6a, 11a und 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1430/79 des Rates über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben (ABlEG Nr. L 352/19) noch den in Art. 900 ff. der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 2. Juli 1993 (ABlEG Nr. L 253/1) geregelten Sonderfällen. Ferner ergebe sich auch daraus, daß die vorgesehene Abnehmerin der Waren im Ausland zahlungsunfähig geworden sei und die Waren wegen entgegenstehender Bestimmungen nicht nach A hätten eingeführt werden können, ein besonderer Umstand i.S. des Art. 13 VO Nr. 1430/79 nicht. Infolge der Entnahme der Waren in den freien Verkehr müsse sich die Klägerin so behandeln lassen, als hätte sie die betreffenden Enten eingeführt.

Eine Befreiung von den Ausgleichszinsen komme nur unter den Voraussetzungen des Art. 62 Abs. 2 Anstrich 5 (gemeint war wohl Anstrich 4) der Verordnung (EWG) Nr. 2228/91 der Kommission vom 26. Juni 1991 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 1999/85 des Rates über den aktiven Veredelungsverkehr (ABlEG Nr. L 210/1) in Betracht. Die Klägerin habe, wenn nicht vorsätzlich, zumindest offensichtlich fahrlässig gehandelt, als sie die Enten über einen längeren Zeitraum hinweg ohne Abgabenentrichtung freihändig verkaufte. Die Entnahme der betreffenden Enten aus dem aktiven Veredelungsverkehr ohne entsprechende Zollanmeldung schließe den Erlaß der Ausgleichszinsen aus.

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision gegen die Vorentscheidung. Sie macht geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung und die Vorentscheidung könne auf einem Verfahrensmangel beruhen.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg, weil die grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht in der erforderlichen Weise dargelegt worden ist und die gerügten Verfahrensfehler nicht vorliegen.

1. Soweit die Klägerin ihre Beschwerde auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache stützt, ist sie unzulässig, weil der Zulassungsgrund (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) nicht --wie in § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO vorgeschrieben-- hinreichend dargelegt worden ist. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehört, daß eine konkrete Rechtsfrage benannt und auf ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingegangen wird (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--, vgl. z.B. Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Rechtsfrage handeln (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 23. Januar 1992 II B 64/91, BFH/NV 1992, 676). Daß die angestrebte Revisionsentscheidung Auswirkungen auf eine Vielzahl von Fällen hätte, begründet eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache allein noch nicht (BFH-Beschluß vom 3. Mai 1994 VII B 22/94, BFH/NV 1995, 79). Ferner sind zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache Angaben dazu erforderlich, inwiefern die richtige Antwort auf die in dem angestrebten Revisionsverfahren zu klärende Rechtsfrage zweifelhaft ist, in welchem Umfang und aus welchen Gründen sie umstritten ist und welche unterschiedlichen Auffassungen zu ihr in der Rechtsprechung oder im Schrifttum vertreten werden (Klärungsbedürftigkeit, vgl. BFH-Beschluß vom 21. August 1986 V B 46/86, BFH/NV 1987, 171).

Die Klägerin hält die Fragen, inwieweit persönliche Billigkeitsgründe durch Art. 13 VO Nr. 1430/79 ausgeschlossen werden, ob fahrlässige Handlungsweise einem Erlaß von Abschöpfung und Ausgleichszinsen grundsätzlich entgegenstehe bzw. wie das Merkmal der "offensichtlichen Fahrlässigkeit" i.S. des Art. 13 VO Nr. 1430/79 auszulegen sei, für von grundsätzlicher Bedeutung.

Hinsichtlich der ersten Frage mangelt es bereits an der Formulierung einer konkreten Rechtsfrage. Bei dem Begriff "persönliche Billigkeitsgründe" handelt es sich um einen Sammelbegriff, unter den die unterschiedlichsten Umstände fallen können. Die Klägerin hätte genau darlegen müssen, welche persönlichen oder sachlichen Gründe in ihrem konkreten Fall für einen Erlaß der Eingangsabgaben nach Art. 13 VO Nr. 1430/79 sprechen sollen.

Soweit der Beschwerdeschrift zu entnehmen ist, daß die Klägerin solche "persönlichen Billigkeitsgründe" darin sehen will, daß die Waren infolge einer überraschenden und für die Klägerin nicht vorhersehbaren Änderung der Rechtslage in A dort nicht mehr hätten eingeführt werden können und dies im Zusammenhang mit dem sachlichen Billigkeitsgrund des wirtschaftlichen Niedergangs des Vertriebspartners in A und des drohenden Ablaufs der Verfallsdaten der Ware eine Fallkonstellation sein soll, die einen besonderen Umstand i.S. des Art. 13 VO Nr. 1430/79 darstellt, hat sie nicht dargestellt, inwieweit diese Frage umstritten ist und im allgemeinen Interesse einer Klärung bedarf. Dazu hätte sich die Klägerin jeweils bezogen auf die Einfuhrabschöpfung und die Ausgleichszinsen mit der Verwaltungspraxis, sowie der in Schrifttum und Rechtsprechung vertretenen Auffassung zu den Voraussetzungen, unter denen das Vorliegen "besonderer Umstände" anzunehmen ist, auseinandersetzen müssen. Sie hätte sich insbesondere damit befassen müssen, weshalb selbst dann ein "besonderer Umstand" i.S. des Art. 13 VO Nr. 1430/79 vorliegen kann, wenn die Abgabenerhebung wie im Streitfall im Rahmen ihres normalen Geschäftsrisikos liegt. Es reicht nicht aus, nur darzutun, aus welchen Gründen das Urteil nach Meinung der Klägerin unzutreffend ist. Der Verweis auf eine mögliche Vielzahl von Fällen, in denen die aufgeworfene Frage eine Rolle spielen kann, genügt ebenfalls nicht.

Auch die grundsätzliche Bedeutung der Frage, ob fahrlässige Handlungsweise einem Erlaß von Abschöpfung und Ausgleichszinsen grundsätzlich entgegensteht bzw. wie das Merkmal der "offensichtlichen Fahrlässigkeit" i.S. des Art. 13 VO Nr. 1430/79 auszulegen ist, hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt. Sie hat nicht ausgeführt, weshalb diese Frage trotz des eindeutigen Wortlauts des Art. 13 VO Nr. 1430/79, wonach ein Erlaß von Abgaben nicht in Betracht kommt, wenn der Beteiligte offensichtlich fahrlässig gehandelt hat, umstritten sein soll. Gleiches gilt in bezug auf den Begriffsinhalt der "offensichtlichen Fahrlässigkeit". Im übrigen sieht der Senat diesbezüglich auch keinen grundsätzlichen Entscheidungsbedarf, weil es insoweit nur von den Umständen des Einzelfalls abhängt, ob ein Beteiligter offensichtlich fahrlässig gehandelt hat.

Schließlich fehlen Ausführungen dazu, inwiefern die aufgeworfenen Fragen für die Entscheidung des Rechtsstreits überhaupt von Bedeutung sein können. Denn das FG hat den Erlaß der Abgaben letztlich mit der Begründung versagt, daß bereits die von der Klägerin durchgeführte weitere zollrechtliche Behandlung der zum aktiven Veredelungsverkehr abgefertigten Enten, nämlich deren Entnahme in den freien Verkehr ohne Einschaltung der Zollstelle, die Möglichkeit eines Erlasses ausschließe.

2. Soweit die Klägerin ohne die Angabe der für verletzt gehaltenen Verfahrensvorschriften die Nichtberücksichtigung bestimmter Beweisanträge und die Verletzung ihres Rechts auf Gehör rügt, ist anzunehmen, daß sie damit die Nichtbeachtung des § 76 Abs. 1 FGO (Verletzung der Sachaufklärungspflicht) sowie des § 96 Abs. 2 FGO und des Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (Verletzung des Rechts auf Gehör) rügen will. Auch in dieser Hinsicht hat die Beschwerde aber keinen Erfolg.

a) Soweit durch die beantragten Beweiserhebungen bewiesen werden sollte, daß die in der Klageschrift dargestellten besonderen Umstände vorhanden gewesen seien, beruht die Vorentscheidung entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf der unterlassenen Beweisaufnahme. Denn nach der insoweit maßgebenden Auffassung der Vorinstanz (vgl. BFH-Beschluß vom 9. Juli 1996 I B 119/95, BFH/NV 1997, 67; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Anm. 34) rechtfertigen die von der Klägerin vorgetragenen Umstände (Zahlungsunfähigkeit des Abnehmers in A, rechtliches Einfuhrverbot für die Enten in A) nicht den Erlaß der strittigen Abgaben. Es ist deshalb unerheblich, ob sie tatsächlich vorliegen.

Auch soweit bewiesen werden sollte, daß die frühere Sachbearbeiterin der Klägerin für Exporte zuvor eine zuverlässige Mitarbeiterin im Betrieb der Klägerin gewesen sei und es keine Hinweise dafür gegeben habe, daß sie die ihr anvertraute Sachbearbeitung nicht ordnungsgemäß durchführen würde, sowie, daß auch die sonstigen Mitarbeiter im Büro der Klägerin, die mit Zollangelegenheiten zu tun hatten, die ihnen anvertrauten Sachbearbeitungen stets ordnungsgemäß durchgeführt hätten und es keine Hinweise dafür gegeben habe, daß sie ihre Aufgabe nicht ordnungsgemäß erledigen würden, kam es darauf nach Auffassung des FG nicht an. Denn die Klägerin hatte nach Meinung des FG schon allein deshalb offensichtlich fahrlässig gehandelt, weil deren Buchhalterin, die mit der Zollabwicklung betraut war, weder einen Auftrag noch einen Hinweis zur zollrechtlichen Abmeldung der betreffenden Waren aus dem aktiven Veredelungsverkehr erhalten hatte. Deshalb war auch insoweit die unterlassene Beweiserhebung für den Ausgang der Vorentscheidung bedeutungslos und stellt somit keinen Verfahrensfehler dar.

Soweit die von der Klägerin bezeichneten Beweisanträge schließlich darauf abzielten nachzuweisen, daß einerseits der durch den Verkauf der Ware in Deutschland entstandene erhebliche Verlust für die Klägerin und andererseits eine Aufrechterhaltung der Forderung auf Abschöpfung zur Gefährdung der Existenz der Klägerin geführt hätten, kam es auch darauf bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung des FG nicht an. Denn das FG-Urteil beruht auf der Auffassung, daß die Art und Weise der Erledigung des Veredelungsverkehrs durch die Klägerin, nämlich die Enten ohne Mitwirkung der Zollstelle auf den Gemeinschaftsmarkt zu bringen, bereits für sich einen Erlaß der Abgaben ausschließt, ebenso wie auch derjenige, der entsprechende Waren einführt und auf dem Gemeinschaftsmarkt abgesetzt hat, im Nachhinein keine Erstattung der gezahlten Einfuhrabgaben verlangen kann.

b) Soweit eine Verletzung des Rechts auf Gehör darin liegen soll, daß das FG in seiner Entscheidungsbegründung nicht auf den erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin eingegangen sei, wonach der Verkauf der Enten aus Schadensminderungsgründen erfolgte und die Handlungsweise zur Sicherung der Arbeitsplätze erforderlich gewesen sei, ist die Beschwerde ebenfalls unbegründet. Denn auch diese Umstände haben in Anbetracht der Grundauffassung des FG (s. oben 2. a am Ende) keine Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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