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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 31.10.2000
Aktenzeichen: VII B 168/00
Rechtsgebiete: AO 1977, BGB, FGO, ZPO


Vorschriften:

AO 1977 § 226
AO 1977 § 226 Abs. 1
BGB § 406
BGB § 396 Abs. 1 Satz 2
BGB § 388
BGB § 389
BGB § 406
FGO § 72 Abs. 2
FGO § 151 Abs. 1
FGO § 152
ZPO § 767
ZPO § 769
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Parteien streiten darum, ob eine seitens des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) erklärte Aufrechnung vom 8. Oktober 1997 wirksam und deshalb die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) am 1. Dezember 1997 erklärte Aufrechnung ins Leere gegangen ist.

Der Kläger hat seit dem 30. Juni 1997 aufgrund einer Abtretung einen Kostenerstattungsanspruch gegen das FA und hierfür am 22. September 1997 Antrag auf gerichtliche Vollstreckungsverfügung gestellt. Mit Schreiben vom 8. Oktober 1997 erklärte das FA wegen einer Einkommensteuerschuld aus dem Jahre 1986 nach § 226 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 406 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Aufrechnung gegen den Kostenerstattungsanspruch. Dieser Aufrechnung widersprach der Kläger nach § 396 Abs. 1 Satz 2 BGB, weshalb das FA am 6. November 1997 die Vollstreckungsgegenklage mit dem Antrag erhob, die Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Gerichts für unzulässig zu erklären und die Vollstreckung einstweilen einzustellen. Das Finanzgericht (FG) stellte die Vollstreckung mit Beschluss vom 19. November 1997 bis zum Ergehen des Urteils über die Vollstreckungsgegenklage ein. Am 1. Dezember 1997 hat der Kläger dem FA gegenüber die Aufrechnung mit dem Kostenerstattungsanspruch gegen eine Umsatzsteuervorauszahlungsschuld für Oktober 1997 erklärt.

Nachdem der Kläger auf Vollstreckungsmaßnahmen gegen das FA aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss verzichtet hatte, nahm das FA am 19. Dezember 1997 die Vollstreckungsgegenklage zurück und forderte den Kläger mit Abrechnungsbescheid auf, die noch offene Umsatzsteuervorauszahlung für Oktober 1997 zu begleichen, da seine Aufrechnung vom 1. Dezember 1997 wegen der seitens des FA zuvor erklärten Aufrechnung ins Leere gegangen sei.

Der Einspruch und die Klage gegen den Abrechnungsbescheid, mit denen der Kläger vorgetragen hat, dass mit der Rücknahme der Vollstreckungsabwehrklage auch die Aufrechnung des FA unwirksam geworden sei, weil das FA die Aufrechnung gegenüber einem im gerichtlichen Vollstreckungsverfahren befindlichen Kostenerstattungsanspruch nur durch Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage geltend machen könne, und dass nur mehr seine Aufrechnung vom 1. Dezember 1997 wirksam geblieben sei, blieb ohne Erfolg. Das FG hat die Revision nicht zugelassen.

Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision stützt der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage, ob die Aufrechnung des FA gegen einen im gerichtlichen Vollstreckungsverfahren verfolgten Kostenerstattungsanspruch Bestand haben kann, wenn das Formerfordernis der Vollstreckungsabwehrklage durch Rücknahme entfallen sei. Werde die Klage zurückgenommen, gelte sie ex tunc als nicht erhoben, die damit verbundene Aufrechnung verliere damit ihre Wirksamkeit. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könne die Aufrechnung im gerichtlichen Vollstreckungsverfahren nur im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden (Hinweis auf Senatsbeschluss vom 12. Juli 1999 VII B 29/99, BFH/NV 2000, 4). Zwar betreffe die angegriffene Entscheidung des FG einen Einzelfall, zu der beschriebenen Vorgehensweise komme es jedoch häufiger.

Die Beschwerde beruft sich ferner auf Divergenz zu den Senatsentscheidungen vom 23. Oktober 1990 VII B 205/89 (BFH/NV 1991, 690), vom 11. Mai 1993 VII B 190/92 (BFH/NV 1994, 249), vom 22. August 1995 VII B 107/95 (BFHE 178, 532, BStBl II 1995, 916) und in BFH/NV 2000, 4.

Tragender Rechtssatz dieser Entscheidungen des BFH sei jeweils, dass zur Geltendmachung der Aufrechnung im Vollstreckungsverfahren die Vollstreckungsabwehrklage erforderlich sei.

Der tragende Rechtssatz der Vorentscheidung bestehe darin, dass die Vollstreckungsabwehrklage nur der prozessualen Geltendmachung der unabhängig hiervon vom FA zu erklärenden Aufrechnung diene.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung. Bei der Konkretisierung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs sind die Revisionszwecke der Fortbildung des Steuerrechts und der Wahrung der Rechtseinheit hinzuzuziehen. Grundsätzliche Bedeutung haben daher nur solche Rechtsfragen, deren Klärung für die Fortbildung und die einheitliche Anwendung des Rechts wesentlich ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 7). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beizumessen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Dezember 1991 II B 47/91, BFHE 166, 302, BStBl II 1992, 348). In dieser Formel kommt zum Ausdruck, dass sich die Bedeutung der Sache nicht in der Entscheidung des konkreten Einzelfalles erschöpfen darf, sondern eine Vielzahl gleichartiger Fälle betreffen muss.

Daran fehlt es für die vom Kläger herausgestellte Rechtsfrage, ob die im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage erklärte Aufrechnung des FA mit der Klagerücknahme unwirksam wird. Im Streitfall liegen außergewöhnliche Umstände vor, die einem regelmäßigen Verfahrensablauf nicht entsprechen. Nur die besondere Situation, dass das FA seine gegen den Antrag des Klägers auf gerichtliche Vollstreckungsverfügung hinsichtlich seines Kostenerstattungsanspruchs erhobene Vollstreckungsgegenklage nach vorläufiger Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Gericht und Erklärung des Klägers, den Anspruch nicht weiterverfolgen zu wollen, zurückgenommen hat und das FG das Verfahren nach § 72 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eingestellt hat und der Kläger seinerseits während des gerichtlichen Verfahrens eine Aufrechnungserklärung mit dem Kostenerstattungsanspruch gegen eine andere Steuerforderung des FA abgegeben hat, hat dazu geführt, dass sich die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Rechtsfrage nach der Auswirkung der Klagerücknahme auf die im Rahmen des Verfahrens geltend gemachte Aufrechnung des FA gestellt hat. Schon aus dem ungewöhnlichen Ablauf des von dem Kläger eingeleiteten Vollstreckungsverfahrens und aus den Besonderheiten, die zur Klagerücknahme geführt haben, ist ersichtlich, dass diese sich nur bei einem solcherart außergewöhnlichen Geschehensablauf stellende Rechtsfrage nicht die Interessen einer Vielzahl von Steuerpflichtigen berührt und dass diese Frage deshalb auch nicht im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung der Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 3. Mai 1994 VII B 22/94, BFH/NV 1995, 79, und vom 19. Oktober 1994 V B 34/94, BFH/NV 1995, 530).

2. Auch die behauptete Divergenz zu den angeführten Senatsentscheidungen liegt nicht vor. Zwar hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass gegen den gerichtlichen Antrag des Gläubigers auf Verfügung der Vollstreckung gegen die Finanzbehörde (§ 152 FGO) die Aufrechnung des FA nur im Wege der Vollstreckungsabwehrklage in sinngemäßer Anwendung des § 767 der Zivilprozeßordnung (ZPO) bzw. mit dem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung (§ 769 ZPO) geltend gemacht werden kann. Nur im Rahmen dieses Antrags nach §§ 151 Abs. 1, 152 FGO kann die bloße Einwendung der Aufrechnung durch den Schuldner nicht berücksichtigt werden, sondern muss, weil die Aufrechnung den durch Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Anspruch selbst betrifft, in sinngemäßer Anwendung des § 151 Abs. 1 FGO i.V.m. § 767 ZPO durch Vollstreckungsabwehrklage bzw. im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO geltend gemacht werden (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 1994, 249, 250). Dieses Erfordernis hat jedoch nur prozessuale Bedeutung, da Einwendungen gegen den Antrag auf gerichtliche Vollstreckungsverfügung lediglich durch die nach §§ 767, 769 ZPO gebotenen Rechtsbehelfe geltend gemacht werden können (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Mai 1993 VII B 191/92, BFH/NV 1994, 218, 219). Grundsätzlich wird die Aufrechnung des FA als schuldrechtliches Gestaltungsrecht nach § 226 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. §§ 388, 389 --hier § 406-- BGB stets durch einseitige Erklärung des Aufrechnungsberechtigten ausgesprochen (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Juli 1987 VII R 145/83, BFH/NV 1988, 213, 214), wobei allein die Aufrechnungserklärung die Wirkungen der Aufrechnung herbeiführt. Danach ist durch die Rücknahme der Vollstreckungsgegenklage und die Einstellung des Vollstreckungsverfahrens lediglich die prozessuale Rechtslage berührt, die Gestaltungswirkung der Aufrechnung ist davon nicht betroffen. Eine andere Aussage ist den vom Kläger angezogenen BFH-Entscheidungen nicht zu entnehmen. Die angeführten Entscheidungen lassen keinen Zweifel daran, dass der BFH in der Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage i.S. des § 767 ZPO eine prozessuale Rechtshandlung sieht, die lediglich das Verfahren betrifft in dem die Aufrechnung gegen einen Kostenerstattungsanspruch, für den die gerichtliche Vollstreckungsverfügung beantragt ist, prozessual Berücksichtigung finden kann; dass die materiell-rechtliche Wirkung der Aufrechnung jedoch allein durch die Ausübung des Gestaltungsrechts durch die Aufrechnungserklärung des Beteiligten eintritt. Handelt es sich mithin um zwei voneinander unabhängige Rechtshandlungen, so entfällt die Wirkung der selbständigen Aufrechnungserklärung nicht mit der Rücknahme der Vollstreckungsabwehrklage, die lediglich das prozessuale Geschehen beeinflusst. Die Rücknahme der Vollstreckungsabwehrklage bewirkt also allenfalls die Nichtberücksichtigung der erklärten Aufrechnung gegenüber dem Vollstreckungsantrag des Kostenerstattungsberechtigten bzw. die Einstellung des Vollstreckungsverfahrens, sofern der Kläger seinen Antrag auf gerichtliche Verfügung nicht weiterverfolgt, lässt jedoch das Gestaltungsrecht der Aufrechnungserklärung unberührt. Mit dieser vom FG getroffenen Aussage weicht die Vorentscheidung daher von der Rechtsprechung des Senats nicht ab. Die angezogenen Entscheidungen des Senats erschöpfen sich jeweils in der Aussage, dass die Aufrechnung als Einwendung gegen die Zwangsvollstreckung durch Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen ist (vgl. Senatsbeschlüsse in BFH/NV 1991, 690, 691, und in BFH/NV 2000, 4); zum Fortbestand der erklärten Aufrechnung bei Beendigung des Vollstreckungsverfahrens hat sich der Senat nicht geäußert.



Ende der Entscheidung

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