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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 10.04.2006
Aktenzeichen: VII B 181/05
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO
Vorschriften:
AO 1977 § 284 | |
AO 1977 § 284 Abs. 1 | |
AO 1977 § 284 Abs. 3 | |
AO 1977 § 284 Abs. 3 Satz 1 | |
AO 1977 § 284 Abs. 3 Satz 2 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1 |
Gründe:
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) schuldete Lohn- und Umsatzsteuer für April 2001 bis Juni 2002. Nach einer Vollstreckungsankündigung über 16 766,21 € beantragte er Stundung und Ratenzahlung. Der Antrag wurde bestandskräftig abgelehnt. Vollstreckungsversuche blieben erfolglos.
Unter dem 6. Januar 2004 forderte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Kläger gemäß § 284 der Abgabenordnung (AO 1977) auf, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen und lud ihn zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 16. Februar 2004 vor. Auf den Einspruch des Klägers, in dem er behauptete, zur Tilgung monatlich 1 700 € zu leisten, hob das FA die Terminsbestimmung auf. Den Einspruch wies es mit Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 2004 zurück, da auf den Rückstand lediglich 3 818,41 € gezahlt worden und die Rückstände bis zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung auf 18 064,35 € angestiegen seien.
Die Klage blieb erfolglos. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) wies das Finanzgericht (FG) die Auffassung des Klägers zurück, dass die zweite Ermessensentscheidung, die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, erst nach Vorlage des Vermögensverzeichnisses ergehen dürfe. Der zweite Akt der eidesstattlichen Versicherung, deren förmliche Abgabe, sei aufschiebend bedingt durch die Erfüllung des ersten Aktes, der Vorlage des Vermögensverzeichnisses, so dass nach Vorlage des Vermögensverzeichnisses eine erneute Ermessensprüfung vorgenommen werde, verbunden mit der Möglichkeit, auch in diesem Stadium trotz Ladung zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung noch von deren Abgabe abzusehen (Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 27. November 2003 VII B 278/03, BFH/NV 2004, 607). Allerdings stelle sich die Frage einer erneuten Ermessensausübung nicht, wenn --wie im Streitfall-- ein Vermögensverzeichnis gar nicht abgegeben werde.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hinsichtlich der Frage geltend, ob das FA anordnen könne, dass mit der Vorlage des Vermögensverzeichnisses zwingend an Eides statt zu Protokoll dessen Richtigkeit und Vollständigkeit zu versichern sei oder ob es ausdrücklich darauf hinweisen müsse, dass die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach der Vorlage des Vermögensverzeichnisses eine weitere eigenständige Ermessensentscheidung ist. Auch sei im Hinblick auf neuere Meinungen in der Literatur eine erneute Entscheidung des BFH zum gebotenen Umfang der Ermessensausübung nach Vorlage und Prüfung des Vermögensverzeichnisses erforderlich.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 132 FGO). Die vom Kläger mit der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die aufgeworfene Rechtsfrage im angestrebten Revisionsverfahren geklärt werden kann und klärungsbedürftig ist (z.B. BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2001 III B 103/01, BFH/NV 2002, 652). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn auf den Sachverhalt durch die Rechtsprechung geklärte Rechtsgrundsätze anzuwenden sind und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute höchstrichterliche Prüfung und Entscheidung der Frage geboten erscheinen lassen (z.B. BFH-Beschluss vom 22. Oktober 2002 VII B 306/01, BFH/NV 2003, 208).
Beide für bedeutsam gehaltenen Rechtsfragen sind --abgesehen von ihrer Klärbarkeit im Streitfall-- nicht klärungsbedürftig.
1. Mit den vom FG und vom Kläger selbst zitierten Entscheidungen hat der Senat das Verhältnis der Anforderung des Vermögensverzeichnisses nach § 284 Abs. 1 AO 1977 zur Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 Abs. 3 AO 1977 und die Notwendigkeit anzustellender Ermessenserwägungen geklärt.
Im Beschluss vom 7. Dezember 2000 VII B 206/00 (BFH/NV 2001, 577) hat der Senat judiziert, dass die Verpflichtungen des Vollstreckungsschuldners, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen und die Richtigkeit desselben zu Protokoll an Eides statt zu versichern, trotz der gesetzlichen Regelung in unterschiedlichen Absätzen des § 284 AO 1977 als Einheit anzusehen seien. Die Aufforderungen hierzu könnten daher grundsätzlich in einem einheitlichen Vorgang, in der Regel in der Ladung zu dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, erfolgen. Wenn die Vollstreckungsbehörde es im Einzelfall für geboten halte, könne sie auch abgestuft vorgehen und die den Vollstreckungsschuldner treffenden Verpflichtungen Schritt für Schritt einfordern. Auf welche Weise die Vollstreckungsbehörde letztendlich vorgehe, stehe in ihrem pflichtgemäßen Ermessen und bedürfe in der Ladungsverfügung keiner besonderen Begründung.
Entgegen der Auffassung der Beschwerde lässt sich mit diesen Ausführungen ohne weiteres die Frage beantworten, ob in der zusammengefassten Aufforderung zu beiden Teilakten der Hinweis auf ein mögliches Absehen von der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erforderlich ist. Die Frage ist zu verneinen.
Da der Gesetzgeber in § 284 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 zum Ausdruck gebracht hat, dass die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zur Bekräftigung des abgegebenen Vermögensverzeichnisses den Regelfall darstellt und nach § 284 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 das Ermessen der Vollstreckungsbehörde erst bei der Frage einsetzt, ob sie im konkreten Einzelfall von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung absehen kann (vgl. Senatsbeschluss vom 5. September 2002 VII B 71/02, BFH/NV 2003, 139), ist offenkundig, dass die zusammengefasste Aufforderung zur Abgabe des Vermögensverzeichnisses und der eidesstattlichen Versicherung keinen Hinweis auf --nur im Ausnahmefall-- noch anzustellende Ermessenserwägungen enthalten muss (vgl. zum sog. "intendierten Ermessen" Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Juni 1997 3 C 22.96, BVerwGE 105, 55, und Senatsurteil vom 26. Juli 2005 VII R 57/04, BFHE 210, 205, BStBl II 2005, 814).
2. Entgegen der Auffassung der Beschwerde bedarf es auch keiner weiteren oder erneuten Klarstellung des BFH zur Frage, ob und in welchem Umfang das FA Ermessenserwägungen anstellen muss, wenn es die eidesstattliche Versicherung nach Vorlage und Prüfung des Vermögensverzeichnisses verlangt.
a) Im Streitfall ist diese Frage nicht entscheidungserheblich, denn der Kläger hat ein Vermögensverzeichnis nicht vorgelegt. Insoweit fehlt es an der entscheidenden gesetzlichen Voraussetzung, unter der von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 abgesehen werden kann.
b) Erneuten oder weiteren Klärungsbedarf vermag der Senat im Übrigen auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht zu erkennen.
Der Senat hat in seinem Beschluss in BFH/NV 2003, 139 hervorgehoben, der Gesetzgeber habe selbst in § 284 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 zum Ausdruck gebracht, dass die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorrangig das abgegebene Vermögensverzeichnis bekräftigen solle ("hat abzugeben") und dass das Ermessen der Vollstreckungsbehörde erst bei der Frage einsetze, ob sie im konkreten Einzelfall von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung absehen könne. Deshalb obliege es der Behörde in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens, nach Vorlage des Vermögensverzeichnisses durch den Vollstreckungsschuldner, im Einzelfall nochmals zu prüfen, ob nicht von der Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung abgesehen werden könne. Und nur wenn ausnahmsweise Gründe, die eine Abstandnahme von der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nahe legen könnten, ersichtlich seien, bedürfe die Aufforderung dazu einer besonderen Begründung.
Da sich an der gesetzlichen Regelung seither nichts geändert hat, besteht keine Veranlassung, diese Rechtsprechung zu überprüfen. Die vom Kläger angeführten Literaturmeinungen --soweit sie nicht nur die vom Senat nicht in Frage gestellte Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall betonen-- gewichten die gesetzgeberische Vorgabe in § 284 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 anders als der Senat, ohne sich mit dieser Vorgabe aber auseinander zu setzen.
Ende der Entscheidung
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