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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 18.07.2008
Aktenzeichen: VII B 184/07
Rechtsgebiete: FGO, AO, BGB, EStG


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 76
AO § 225 Abs. 1
BGB § 366
EStG § 38 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war bis zu seiner Abberufung Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft mbH (GmbH), die im Bundesgebiet mehrere Betriebsstätten unterhielt. Im Oktober 1999 teilte der Kläger dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) mit, dass für die in S gelegene Betriebsstätte keine Lohnsteueranmeldungen abgegeben worden seien. Zudem veranlasste er im November 1999 zur Tilgung der Lohnsteuerschulden eine Überweisung an das FA in Höhe von ... DM. In der Folgezeit erließ das FA für die Jahre 1997 bis 1999 Lohnsteuerschätzungsbescheide. Nach Verrechnung der vom Kläger geleisteten Zahlungen mit den für die Jahre 1997 und 1998 festgesetzten Lohnsteuern und steuerlichen Nebenleistungen verblieben noch Steuerrückstände für das Jahr 1999. Mit Haftungsbescheid vom 20. April 2001 nahm das FA den Kläger aufgrund dieser Rückstände gemäß § 69 i.V.m. § 34 der Abgabenordnung (AO) als Haftungsschuldner in Anspruch. Der Einspruch des Klägers führte zur Zurücknahme dieses Bescheids. Unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlungen erließ das FA am 21. November 2001 einen neuen Haftungsbescheid, der im Dezember 2001 geändert wurde. Auf den Einspruch setzte das FA die Haftungssumme hinsichtlich des Jahres 1999 geringfügig herab.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der angefochtene Haftungsbescheid in Form des Änderungsbescheids vom 13. Juni 2007 rechtmäßig sei. Seine Pflichten als Geschäftsführer der GmbH habe der Kläger grob fahrlässig verletzt, denn über einen Zeitraum von zwei Jahren seien für die Betriebsstätte in S keine Lohnsteueranmeldungen abgegeben worden. Zu Gunsten des Klägers könne § 225 Abs. 1 AO nicht zur Anwendung gelangen. Aufgrund der fehlenden Verfügungsbefugnis habe der Kläger nicht bestimmen können, dass der von ihm nach seiner Abberufung als Geschäftsführer überwiesene Betrag vorrangig zur Tilgung der im Jahr 1999 angefallenen Steuerschulden verwendet werden sollte. Die vom FA getroffene Ermessensentscheidung sei nicht zu beanstanden. Neben dem Kläger sei auch der faktische Geschäftsführer der GmbH als Haftungsschuldner in Anspruch genommen worden. Es sei nicht ersichtlich, dass daneben noch weitere Haftungsschuldner in Betracht gekommen seien. Anhaltspunkte dafür, dass die beiden Betriebsstättenleiter sowie die Lohnbuchhalterin als Verfügungsberechtigte nach § 35 AO angesehen werden könnten, seien nicht erkennbar.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und mangelnder Sachaufklärung (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO i.V.m. § 76 FGO). Hinsichtlich des Bestimmungsrechts über die Tilgungsreihenfolge (§ 225 Abs. 1 AO; § 366 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) weiche das erstinstanzliche Urteil insbesondere von den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 8. April 1997 XI ZR 196/96 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1997, 2046), des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Oktober 1999 IV R 63/98 (BFHE 190, 37, BStBl II 2001, 329) und des FG des Saarlandes vom 29. November 1990 2 K 153/86 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1991, 580) ab. In Abweichung von diesen Entscheidungen habe das FG den Rechtssatz aufgestellt, dass ein anderer als der Steuerschuldner die Reihenfolge der Tilgung nicht bestimmen könne, wenn er zwar die Schuld ganz oder teilweise getilgt, jedoch nicht dargelegt habe, inwieweit er über das zur Schuldentilgung verwendete Geld verfügungsberechtigt gewesen sei. Darüber hinaus habe das FG bei der Bestimmung des Haftungszeitraums das Einkommensteuergesetz (EStG) nicht korrekt angewandt und das nach § 38 Abs. 2 EStG bestehende Zuflussprinzip nicht beachtet. Zudem habe es nicht hinreichend aufgeklärt, wer für die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer hinsichtlich der von einer anderen GmbH übernommenen Arbeitnehmer verpflichtet gewesen sei. Unbeachtet habe das FG gelassen, dass die GmbH ihre Tätigkeit vor ihrer Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft im September 1997 nicht aufgenommen habe. Deshalb sei eine Zuordnung von Lohnzahlungen vor dieser Zeit unzutreffend.

Entscheidungserheblichen Akteninhalt, wie z.B. die Eröffnungsbilanz oder den steuerlichen Erfassungsbogen, habe das FG unberücksichtigt gelassen. Die GmbH habe in dem Zeitraum von Juni bis September 1997 über keine DATEV-Software verfügt. Durch weitere Zeugenbefragungen von Mitarbeitern von Krankenkassen und Arbeitnehmern der GmbH hätte das FG die Beschäftigungsverhältnisse, die Lohnzahlungen und den Haftungszeitraum näher aufklären müssen.

In Abweichung von der ständigen BFH-Rechtsprechung habe das FG den Rechtssatz aufgestellt, dass das FA bei der Ausübung seines Auswahlermessens dann nicht ermessensfehlerhaft entscheide, wenn es neben dem Kläger noch einen anderen Haftungsschuldner in Anspruch nehme und im Übrigen bei allen weiteren potentiellen Haftungsschuldnern keine Ermessenserwägungen anstelle und diese auch nicht begründe. Entgegen dieser Rechtsaufassung seien sämtliche potentiellen Haftungsschuldner in die Ermessenserwägungen mit einzubeziehen; zudem sei die Entscheidung hinreichend zu begründen. Mit seiner Entscheidung sei das FG von einem Beschluss des FG Berlin vom 7. Mai 2002 im vorausgegangenen Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung (AdV) abgewichen, in dem ausgeführt worden sei, dass der angefochtene Haftungsbescheid nicht erkennen lasse, inwieweit das FA eine Inanspruchnahme der Betriebsstättenleiter geprüft habe. Auch verkenne das FG den Regelungsgehalt des § 34 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG), wenn es davon ausgehe, dass ein nur formal eingesetzter Betriebsleiter nicht als potentieller Haftungsschuldner in Betracht komme. Entgegen der Auffassung des FG seien Leiter von Betriebsstätten als Verfügungsberechtigte i.S. von § 35 AO anzusehen. Die Feststellung des FG, dass von einer Verfügungsberechtigung kein Gebrauch gemacht worden sei, widerspreche dem tatsächlichen Sachverhalt. Verfahrensfehlerhaft habe das FG keine weiteren Ermittlungen über die konkrete Funktion der Lohnbuchhalterin --in Anbetracht des Vorwurfes der Lohnsteuerhinterziehung durch ihren Ehemann-- angestellt. Hinsichtlich einer möglichen Inanspruchnahme der Nachfolgegesellschaft der GmbH nach § 75 AO sei das FG seiner Pflicht zur Sachaufklärung ebenfalls nicht nachgekommen bzw. habe aus den Unterlagen die falschen rechtlichen Schlüsse gezogen.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Weder die behaupteten Divergenzen noch die gerügten Verfahrensmängel liegen vor.

1. Hinsichtlich der Befugnis zur Tilgungsbestimmung hat das FG den vom Kläger formulierten Rechtssatz mit diesem Wortlaut nicht aufgestellt. Insbesondere hat es nicht generell in Abrede gestellt, dass auch ein Dritter eine Tilgung vornehmen kann. Entgegen dem Vorbringen des Klägers hat das FG in seiner Urteilsbegründung nicht auf ein Darlegungserfordernis hinsichtlich der Verfügungsberechtigung im Zeitpunkt der Tilgungsbestimmung abgestellt, sondern darauf, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Überweisung tatsächlich nicht mehr Geschäftsführer der GmbH und somit nicht mehr berechtigt gewesen ist, über Gelder der GmbH im eigenen Namen zu verfügen.

Weder der Entscheidung des BGH in NJW 1997, 2046 noch dem BFH-Urteil in BFHE 190, 37, BStBl II 2001, 329 ist der vom Kläger unterstellte Rechtssatz zu entnehmen, dass die Bestimmung der Tilgungsreihenfolge gemäß § 225 Abs. 1 AO auch von einem Dritten vorgenommen werden kann, der im Zeitpunkt der Zahlung nicht berechtigt ist, über die dem FA überwiesenen Gelder zu verfügen. In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um die Anwendung von § 366 Abs. 1 BGB und darum, ob eine im Rahmen einer Sicherungsabrede vertraglich festgelegte Zweckerklärung geeignet war, das Bestimmungsrecht der Schuldner nach § 366 Abs. 1 BGB zu Gunsten einer Tilgungsbestimmung durch die kreditgebende Bank zu verdrängen. Die Verfügungsbefugnis der Schuldner über den aus einem Grundstücksverkauf erzielten Erlös stand dabei außer Zweifel. Bei der BFH-Entscheidung in BFHE 190, 37, BStBl II 2001, 329 ging es insbesondere um die Frage, ob auch ein Duldungsverpflichteter als Steuerpflichtiger i.S. von § 33 Abs. 1 AO "freiwillige Zahlungen" i.S. von § 225 Abs. 1 und 2 AO erbringen kann. Der BFH hat diese Frage zumindest für den Zeitraum bejaht, in dem gegen den Duldungsverpflichteten noch keine Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet worden sind. Auch in diesem Fall stand die Verfügungsbefugnis des Duldungsverpflichteten außer Frage. Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass sich das FG mit seinen Ausführungen zu einem tragenden Rechtssatz der vorgenannten Entscheidungen in Widerspruch gesetzt haben soll.

2. Dies trifft auch für die anderen vom Kläger angeführten gerichtlichen Entscheidungen zu, mit denen die Beschwerde lediglich darlegt, dass auch ein Dritter anstelle des Steuerschuldners die Leistung bewirken und das Bestimmungsrecht ausüben kann. Dies ist indes vom FG --wie ausgeführt-- nicht in Zweifel gezogen worden.

3. Soweit sich der Kläger gegen eine vermeintlich unzutreffende Auslegung und Anwendung von § 38 Abs. 2 EStG wendet, rügt er eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG bei der Festlegung des Haftungszeitraums, die jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann. Denn etwaige Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich gesehen nicht die Zulassung der Revision (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2003 VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 24 und § 116 Rz 34, jeweils m.w.N.).

4. Mit seinen weiteren Ausführungen tritt der Kläger im Stil einer Revisionsbegründung der Beweiswürdigung des FG entgegen, nach der die GmbH bereits vor ihrer Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft und bereits mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages Personal beschäftigt und Lohnzahlungen vorgenommen hat. Der behauptete Verfahrensmangel der unzureichenden Sachaufklärung wird damit indes nicht dargelegt. Das FG hat seine Beweiswürdigung insbesondere auf bei den Akten befindliche Kopien von Anstellungsverträgen, die an die Arbeitnehmer ausgehändigten und vom Kläger unterschriebenen Lohnbescheinigungen und den Geschäftsgegenstand der GmbH, der neben der steuerlichen auch die wirtschaftliche Beratung erfasste, gestützt. Diesen Ausführungen setzt der Kläger seine eigene, detaillierte Darstellung entgegen, nämlich, dass er die Arbeitsverträge ohne Beachtung des darauf angegebenen Datums unterschrieben habe, dass die GmbH mangels DATEV-Anschlusses nicht in der Lage gewesen sei, Lohnsteuerbescheinigungen auszustellen und dass die Eröffnungsbilanz keine näheren Angaben enthalten habe. Dass sich dem FG aus seiner maßgeblichen Sicht und trotz der vorliegenden Arbeitsverträge vom Juni 1997, in denen die GmbH als Arbeitgeberin ausgewiesen worden ist, eine weitere Aufklärung des Sachverhalts zur Widerlegung des Inhalts der vorliegenden Urkunden zwingend hätte aufdrängen müssen, wird mit diesen Ausführungen nicht hinreichend belegt. Im Kern seiner Ausführungen wendet sich der Kläger gegen die Beweiswürdigung durch das FG, das den vom Kläger im Erörterungstermin gemachten Ausführungen und den in einem AdV-Beschluss des FG Berlin summarisch getroffenen Feststellungen nicht gefolgt ist. Etwaige Fehler in der Beweiswürdigung sind indes dem materiellen Recht zuzuordnen und können daher nicht zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO führen.

Darüber hinaus legt die Beschwerde nicht dar, dass der Kläger die unterlassene Erhebung weiterer Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt hat oder weshalb ihm eine solche Rüge nicht möglich gewesen ist. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung hat der Kläger entsprechende Beweisanträge, z.B. auf Vernehmung von Mitarbeitern der Krankenkassen sowie von Mitarbeitern der GmbH, nicht gestellt. Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die Unterlassung der rechtzeitigen Rüge den endgültigen Rügeverlust --z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde-- zur Folge. Das Übergehen eines Beweisantrages oder einer unvollständigen Zeugeneinvernahme kann deshalb im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der maßgeblichen Verhandlung selbst anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte, dem die Nichtbefolgung eines Beweisantrages oder die mangelhafte Sachaufklärung während der Zeugenbefragung erkennbar war, den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597).

5. Soweit der Kläger in Bezug auf die Ausführungen des FG zur Ermessensausübung durch das FA eine Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des BFH (u.a. von den BFH-Entscheidungen vom 3. Februar 1981 VII R 86/78, BFHE 133, 1, BStBl II 1981, 493; vom 23. Oktober 1990 VII S 22/90, BFH/NV 1991, 500; vom 11. März 2004 VII R 52/02, BFHE 205, 14, BStBl II 2004, 579; vom 22. September 1992 VII R 73-74/91, BFH/NV 1993, 215; vom 7. April 1992 VII R 104/90, BFH/NV 1993, 213, und vom 9. August 2002 VI R 41/96, BFHE 200, 200, BStBl II 2003, 160) behauptet, liegt eine solche Divergenz nicht vor. Den Rechtssatz, den die Beschwerde dem erstinstanzlichen Urteil entnommen haben will, hat das FG in dieser Form nicht aufgestellt. Entgegen der Darstellung des Klägers hat das FG nämlich nicht geurteilt, dass das FA bei der Ausübung seines Auswahlermessens dann nicht ermessensfehlerhaft entscheidet, wenn es neben dem Kläger noch einen anderen Haftungsschuldner in Anspruch nimmt und im Übrigen bei allen weiteren potentiellen Haftungsschuldnern keine Ermessenserwägungen anstellt und auch nicht begründet.

Vielmehr hat das FG auf die ständige Rechtsprechung des Senats Bezug genommen und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in die Ermessenserwägungen sämtliche Personen einzubeziehen sind, die nach den Haftungsvorschriften für dieselben Steuern haften. Zutreffend hat es weiter ausgeführt, dass nach der BFH-Rechtsprechung in bestimmten Fällen eine besondere Begründung des betätigten Auswahlermessens entbehrlich sein kann. Der von der Beschwerde sinngemäß formulierte Rechtssatz, dass die Finanzbehörde keine weiteren Ermessenserwägungen anzustellen braucht, wenn sie zumindest zwei Haftungsschuldner in Anspruch nimmt, kann dem Urteil nicht entnommen werden. Folglich liegt die vom Kläger behauptete Divergenz nicht vor. Mit seinem Vorbringen greift der Kläger die vermeintlich rechtsfehlerhafte Anwendung der BFH-Rechtsprechung und der von ihr entwickelten Grundsätze zur Ausübung und Begründung des Auswahlermessens auf die besonderen Umstände des Streitfalls an. Das FG hat ausgeführt und nachvollziehbar begründet, dass weitere als die in Anspruch genommenen Haftungsschuldner nicht ernsthaft in Betracht kämen; insbesondere könnten die tatsächlich bzw. nur formal eingesetzten Betriebsstättenleiter sowie die Lohnbuchhalterin nicht als Verfügungsberechtigte i.S. von § 35 AO angesehen werden. Nach der Rechtsauffassung des FG stellte sich damit die Frage einer Ausweitung der Begründung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen auf weitere potentielle Haftungsschuldner nicht. Im Übrigen ist das FA auch nicht gehalten, die Begründung der Ausübung des Auswahlermessens auf Personen zu erstrecken, die als Haftungsschuldner nicht ernsthaft in Betracht kommen (vgl. zur Begründung der Ausübung des Entschließungsermessens Senatsentscheidungen vom 13. Juni 1997 VII R 96/96, BFH/NV 1998, 4, und vom 29. Mai 1990 VII R 81/89, BFH/NV 1991, 283). Entfernt liegende Überlegungen in Bezug auf weitere potentielle Haftungsschuldner braucht das FA nicht anzustellen.

6. Soweit sich die Beschwerde unter der Teilüberschrift "divergierende Rechtssätze und Rechtsanwendungsfehler" dagegen wendet, dass das FG die Betriebsstättenleiter und die Lohnbuchhalterin nicht als Verfügungsberechtigte eingestuft und dabei den Regelungsinhalt von § 34 StBerG nicht richtig erfasst und § 35 AO unzutreffend ausgelegt habe, richtet sich dieses Vorbringen wiederum gegen eine vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung bzw. rechtsfehlerhafte Würdigung des Sachverhalts durch das FG. Wie bereits ausgeführt, kann dies nicht zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO führen. Ohne konkrete Rechtssätze aus dem erstinstanzlichen Urteil und aus den angeführten BFH-Urteilen herauszuarbeiten und gegenüberzustellen, stellt der Kläger an verschiedenen Stellen lediglich die Behauptung auf, das FG sei von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen bzw. habe einen unzutreffenden Sachverhalt angenommen.

7. Schließlich hatte das FG entgegen dem Vorbringen des Klägers keinen Anlass, die Sachaufklärung auf eventuelle Haftungsschuldner aus Betriebsübernahme (§ 75 AO) auszudehnen. Hierzu hat das FG ausgeführt, dass der Kläger nicht dargelegt habe, wann und in welchem Umfang die Betriebsstätte in S auf eine Nachfolgegesellschaft übertragen worden sein soll und dass diese Gesellschaft offensichtlich nicht mehr existiere. Die Haftung nach § 75 AO setzt jedoch voraus, dass ein Unternehmen an den Erwerber im Ganzen übereignet wird, dass also die wesentlichen Betriebsgrundlagen auf einen Erwerber übergegangen sind. Nach den schriftsätzlichen Hinweisen des Klägers war dies jedoch offensichtlich nicht der Fall. In seinem Schriftsatz vom 10. Juli 2002 hat der Kläger entgegen den Ausführungen in der Beschwerdebegründung auch nicht vorgetragen, dass die wesentlichen Betriebsgrundlagen auf nur eine Gesellschaft übertragen worden sind. Vielmehr hat er lediglich die Behauptung aufgestellt, dass die ehemaligen Mandanten der GmbH, ein Teil der Mitarbeiter und das Inventar durch insgesamt drei verschiedene Gesellschaften übernommen worden seien. Zudem ist fraglich, ob überhaupt eine "Übereignung" der wesentlichen Betriebsgrundlagen i.S. von § 75 AO erfolgt ist. Zu Recht hat das FG das Vorbringen des Klägers als nicht ausreichend angesehen, um die Sachaufklärung auf potentielle Betriebsübernehmer auszudehnen.



Ende der Entscheidung

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