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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 09.06.2005
Aktenzeichen: VII B 19/02
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2
FGO § 118 Abs. 2
FGO § 126 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat 1997 36 lebende Rinder zur Ausfuhrabfertigung angemeldet. Sie gab dabei das Eigengewicht der Tiere mit 17 869 kg an. Bei einer von der Abfertigungszollstelle durchgeführten Beschau von 8 Rindern wurde jedoch ein geringeres Gewicht festgestellt, als in den Wiege- und Ladelisten von der Klägerin angegeben, und zwar eine Abweichung zwischen 4 kg und 49 kg je Rind. Dazu vermerkte das Zollamt (ZA), diese Gewichtsdifferenzen seien auf "natürlichen Abgang" zurückzuführen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) rechnete die bei der Beschau festgestellten Gewichtsdifferenzen auf die Gesamtsendung hoch und gelangte zu einem um 605,8 kg geringeren Gesamtgewicht als in der Ausfuhranmeldung angegeben. Dementsprechend gewährte er der Klägerin Ausfuhrerstattung, die er im Einspruchsverfahren aufgrund einer Berichtigung der Gewichtskorrektur auf 585,4 kg geringfügig heraufsetzte.

Die wegen Kürzung des Erstattungsanspruches in diesem Umfang erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, nach Art. 3 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (VO Nr. 3665/87) der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 351/1) sei der Tag der Ausfuhr maßgeblich u.a. für die Feststellung der Menge der ausgeführten Erzeugnisse. Das gelte auch für Erzeugnisse wie lebende Tiere, die natürlichen Gewichtsschwankungen ausgesetzt seien. Das danach maßgebliche Gewicht sei bei der Beschau festgestellt worden, deren Ergebnisse gemäß Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 des Zollkodex (ZK) für alle in der Anmeldung bezeichneten Waren gälten. Die Zollbehörde sei zur Durchführung einer Beschau auch bei Ausfuhrware berechtigt. Denn das Ausfuhrverfahren sei als Zollverfahren ausgestaltet. Dass die Durchführung einer Beschau aufgrund des Stressfaktors bei lebenden Rindern Auswirkungen auf deren Gewicht haben könne, ändere daran nichts und führe nicht dazu, dass die Zollbehörde die Ergebnisse der Erstverwiegung durch den Ausführer übernehmen müsse. Die Klägerin könne die Zugrundelegung der von ihr angemeldeten Gewichte auch nicht deshalb verlangen, weil sie die Fiktion des Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK entkräftet hätte. Der Vermerk der Abfertigungszollstelle "Rest wie angemeldet angenommen" verlange dies nicht. Das Ergebnis der Teilbeschau habe auf alle in der Anmeldung bezeichneten Waren übertragen werden dürfen. Dies sei rechnerisch richtig dadurch geschehen, dass die bei den beschauten Rindern festgestellte Gewichtsdifferenz zu dem insoweit angemeldeten Gewicht ins Verhältnis gesetzt und der daraus ermittelte Prozentsatz auf das angemeldete Gesamtgewicht der Tiere übertragen wurde.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf folgende Fragen zumisst:

- Welcher konkrete Zeitpunkt ist für die Feststellung des Gewichts der Tiere maßgebend?

- Welche Anforderungen sind an die Festlegung dieses Zeitpunkts zu stellen?

- Sind im Zusammenhang mit einer Ausfuhrerstattung überhaupt die Vorschriften des ZK und insoweit speziell bezüglich der Zollbeschau anwendbar?

- Falls die Vorschriften anwendbar sind: Ist insoweit auch die gesetzliche Fiktion des Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK anwendbar und wenn ja, inwieweit bzw. durch welche Umstände ist die gesetzliche Fiktion beim Export lebender Rinder widerlegt?

- Dürfen, sofern eine nachträgliche Beschau zulässig ist und bei dieser durch Stichproben Gewichtsdifferenzen festgestellt wurden, diese Gewichtsdifferenzen pauschal auf die Tiere übertragen werden oder muss für jedes einzelne Tier die Gewichtsdifferenz exakt ermittelt werden bzw., wenn eine pauschale Umlegung zulässig ist, nach welchem "Umlegungsmaßstab" hat dies zu geschehen?

Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.

1. Es kann keinem Zweifel unterliegen und bedarf daher nicht der Klärung in dem von der Klägerin angestrebten Revisionsverfahren, dass Waren, für deren Ausfuhr in Drittländer Ausfuhrerstattung in Anspruch genommen werden soll, nach Maßgabe der zollrechtlichen Vorschriften auszuführen sind und dass insofern die Vorschriften insbesondere des ZK im Ausfuhrerstattungsrecht grundsätzlich anwendbar sind. Wie das HZA zu Recht hervorgehoben hat, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 18. August 1998 VII R 8/98 (BFHE 186, 567) entschieden, dass das Ausfuhrverfahren, dessen ordnungsgemäße Durchführung Voraussetzung für die Gewährung von Ausfuhrerstattung ist, nach den Vorschriften des Zollrechts abzuwickeln ist; der Senat hat an dieser Rechtsprechung u.a. in den Beschlüssen vom 9. Dezember 2002 VII B 102/02 (BFH/NV 2003, 530) und vom 28. Januar 2003 VII B 204/02 (BFH/NV 2003, 672) festgehalten.

Daraus folgt ohne weiteres und zwingend, dass auch die Vorschriften des ZK über die Überprüfung der Angaben in einer Zoll- bzw. Ausfuhranmeldung im Ausfuhrerstattungsrecht anzuwenden sind, insbesondere was die Voraussetzungen, die Durchführung und die Rechtsfolgen einer Beschau gemäß Art. 69, 70 Abs. 1 ZK angeht (vgl. zur sinngemäßen Anwendung des rechtsähnlichen früheren § 17 des Zollgesetzes --ZG-- im Ausfuhrerstattungsrecht Senatsurteile vom 18. Mai 1993 VII R 44/92, BFHE 172, 190, und vom 26. Juni 1990 VII R 104/87, BFHE 161, 221). Es könnte im Übrigen schon der Natur der Sache nach nicht ernsthaft in Betracht kommen, die Zollbehörde gleichsam zur ungeprüften Übernahme der Angaben des Ausführers für verpflichtet zu halten oder ihr allein die Möglichkeit zu eröffnen, bei der Ermittlung der für die Ausfuhranmeldung erforderlichen Angaben durch diesen, insbesondere etwa bei einer Verwiegung der Ausfuhrware, zum Zwecke der Kontrolle anwesend zu sein. Ebenso wenig kann es vernünftigerweise in Betracht kommen, von der Ausfuhrzollstelle statt der im Zollverfahren grundsätzlich zulässigen stichprobenweisen Beschau der Ware eine vollständige Überprüfung jedes einzelnen Packstückes --hier jedes einzelnen Rindes-- zu verlangen.

2. Nach Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK gilt das Ergebnis der Untersuchung (Beschau) eines Teils einer einheitlich angemeldeten Warensendung grundsätzlich für die gesamte Warensendung. Die von der Klägerin zur Ausfuhr angemeldeten Rinder sind freilich, was ihr Gewicht angeht, nicht im Sinne dieser Vorschrift einheitlich angemeldet worden; vielmehr hat die Klägerin in den Wiege- und Ladelisten für jedes Rind das individuell ermittelte, unterschiedliche Gewicht angegeben. Deshalb kann das Ergebnis der Nachverwiegung von 8 Rindern nicht aufgrund des Art. 70 Abs. 1 ZK --nach welcher Methode auch immer-- auf die übrigen, nicht nachverwogenen Rinder übertragen werden.

Eine andere Frage ist, ob nicht das bei der Überprüfung der Gewichtsangaben für einen Teil der Warensendung festgestellte Mindergewicht der Zollbehörde und dem Gericht Anlass gibt, an der richtigen Ermittlung und Angabe des maßgeblichen Gewichts auch für die übrigen Rinder zu zweifeln. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn --wie im Streitfall-- bei einer Mehrzahl von überprüften Gewichtsangaben sich keine einzige als zutreffend erweist und von der Zollbehörde in nicht unbeträchtlichem Umfang erhebliche Abweichungen festgestellt werden. Vermag der Ausführer in einem solchen Fall die durch das Ergebnis der Nachverwiegung ausgelösten Zweifel nicht überzeugend auszuräumen, so geht dies zu seinen Lasten, da er unbeschadet der nach Art. 71 Abs. 2 ZK durch seine Angaben grundsätzlich ausgelösten Fiktion die Feststellungslast für die Voraussetzungen der von ihm in Anspruch genommenen Ausfuhrerstattung trägt (Senatsurteile in BFHE 161, 221, und vom 18. Mai 1993 VII R 70/92, BFH/NV 1994, 208). Auch dies bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Überdies hat das FG, auch wenn es in Verletzung des Bundesrechts (§ 118 Abs. 1 FGO) seine Entscheidung in erster Linie auf die angeblich durch die Teilbeschau ausgelöste Fiktion eines Mindergewichts auch der nicht beschauten Teile der Ausfuhrsendung gestützt hat, offensichtlich Zweifel an der Richtigkeit der Angabe der Klägerin in dem vorgenannten Sinne gehabt oder jedenfalls doch hätte haben müssen, wenn es die Streitsache unter diesem Gesichtspunkt betrachtet hätte. Seine Entscheidung erweist sich somit jedenfalls im Ergebnis als richtig, was die Zulassung der Revision in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO ausschließt (Senatsbeschluss vom 9. September 1999 VII B 279/98, BFH/NV 2000, 324).

3. Nicht klärungsbedürftig ist ferner auch die Richtigkeit der vom FG gezogenen Schlussfolgerung, das Mindergewicht der nicht nachverwogenen Teile der Ausfuhrsendung müsse nach Maßgabe eines anhand des beschauten Teils der Ausfuhrsendung ermittelten Prozentsatzes festgestellt werden. Es handelt sich dabei, auch wenn das FG dies nicht ausdrücklich so formuliert hat, der Sache nach um eine Schätzung, die nach der Rechtsprechung des Senats auch im Ausfuhrerstattungsrecht zulässig ist. Dass in einem Fall wie dem vorliegenden nicht anders als im Wege der Schätzung vorgegangen werden kann, liegt überdies auf der Hand, weil die gemessen an dem Gesamtgewicht der Sendung unbedeutenden festgestellten Gewichtsdifferenzen bei dem beschauten Teil der Ausfuhrsendung schwerlich rechtfertigen könnten, der Klägerin mangels genauer Feststellbarkeit des tatsächlichen Gewichts der ausgeführten Rinder die Ausfuhrerstattung gänzlich zu versagen, noch ein Anlass besteht, außer Betracht zu lassen, dass solche Gewichtsdifferenzen auch bei dem nicht beschauten Teil der Warensendung wahrscheinlich, wenn auch dem Umfang nach nicht genau feststellbar sind.

Die vom FG gewählte Schätzungsmethode wirft ebenfalls keine rechtsgrundsätzlich bedeutsamen Fragen auf. Sie entspricht vielmehr dem Ziel, die Grundlagen für die Berechnung der Ausfuhrerstattung durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen (BFH-Urteile vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BFHE 142, 585, BStBl II 1986, 226, und vom 10. Oktober 1986 VI R 12/83, BFH/NV 1987, 698). Im Übrigen gehört die Schätzung zu den tatsächlichen Feststellungen i.S. von § 118 Abs. 2 FGO, die allein dem FG obliegen und an deren Ergebnis der beschließende Senat in dem angestrebten Revisionsverfahren gebunden wäre (statt aller BFH-Urteil vom 19. Februar 1987 IV R 143/84, BFHE 149, 121, BStBl II 1987, 412).

4. Die Rechtssache hat schließlich auch keine grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Frage, ob die Gewichtsangaben eines Ausführers durch ein Nachverwiegen der Ausfuhrware im Rahmen der Beschau auch bei solchen Waren überprüft und ggf. korrigiert werden dürfen, bei denen --wie bei lebenden Tieren-- die Durchführung der Beschau und der Nachverwiegung für einen Gewichtsverlust ursächlich sein kann oder sogar typischerweise ursächlich sein wird.

Nach Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 3665/87 ist der Tag der Ausfuhr maßgeblich für die Feststellung u.a. der Menge des ausgeführten Erzeugnisses. Nach Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 3665/87, der bei Anwendung jener Vorschrift selbstredend zu beachten ist, gilt als Tag der Ausfuhr der Zeitpunkt, an dem die Zollbehörden die Ausfuhranmeldung annehmen. Danach kann keinem Zweifel unterliegen, dass es in Fällen wie dem vorliegenden darauf ankommt, welches Gewicht (Menge) die Rinder in dem Zeitpunkt haben, in dem die Zollbehörde die Ausfuhranmeldung annimmt (so schon Senatsurteil vom 10. März 1998 VII R 13/97, BFH/NV 1998, 1135), wann immer dies geschehen mag und ohne Rücksicht darauf, ob dieser Zeitpunkt von dem einer Verwiegung seitens des Ausführers mehr oder weniger entfernt ist. Dass es nicht anders sein kann, ergibt sich im Übrigen aus der eben erläuterten Überlegung, dass die Zollbehörde die Möglichkeit haben muss, die von dem Ausführer gemachten Gewichtsangaben durch eigenes Nachverwiegen zu überprüfen. Ob diese Überprüfung stets dazu führt, dass die Gewichtsangaben des Ausführers im Falle einer Beschau nach unten zu korrigieren sind, wie die Beschwerde glauben machen will, muss dahinstehen; zwangsläufig ist es schon deshalb nicht, weil mitunter durch zwischenzeitliche Tränkung der Tiere deren Gewicht jedenfalls in dem hier zur Rede stehenden Ausmaß ansteigen dürfte (vgl. dazu Urteil in BFH/NV 1998, 1135). Deshalb ist die Zollbehörde auch nicht etwa gehalten, bei einem von den Angaben des Ausführers abweichenden geringeren Wiegeergebnis jene Angaben in der offenbar hier von der Abfertigungszollstelle angestellten Erwägung zugrunde zu legen, ein zwischenzeitlicher Gewichtsverlust sei "natürlich".

Sofern das Vorbringen der Beschwerde in diesem Zusammenhang dahin zu verstehen sein sollte, die Abfertigungszollstelle habe die Ausfuhranmeldung der Klägerin angenommen und erst später eine Beschau durchgeführt, fehlt es an einer diesbezüglichen Feststellung des FG; überdies könnten in diesem Falle allenfalls Einwände gegen die Richtigkeit der vom FG vorgenommenen Würdigung des Streitfalls erhoben werden, welche jedoch eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO nicht rechtfertigten.

Ende der Entscheidung

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