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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 11.11.2008
Aktenzeichen: VII B 19/08
Rechtsgebiete: VwVG, AO, GG, FGO


Vorschriften:

VwVG § 14
VwVG § 15 Abs. 3
AO § 258
GG Art. 103 Abs. 1
FGO § 96 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 3 S. 1
FGO § 116 Abs. 3 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen hat dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) untersagt, die Finanzportfolioverwaltung i.S. des § 1 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 des Gesetzes über das Kreditwesen gewerbsmäßig oder in einem Umfang zu erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Mit Bescheid vom 23. September 2002 bestellte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) einen Rechtsanwalt zum Abwickler der vom Kläger betriebenen Finanzportfolioverwaltungsgeschäfte (Ziffer I des Bescheids). Ferner wurden dem Abwickler u.a. die Befugnisse eines geschäftsführenden Gesellschafters der vom Kläger vertretenen GbR übertragen (Ziffer II des Bescheids). Schließlich wurde angeordnet, dass der Kläger die Maßnahmen des Abwicklers zu dulden habe und dass er Verfügungen im Rahmen der Portfolioverwaltung nur mit dessen Zustimmung treffen dürfe (Ziffer III des Bescheids).

Mit Schreiben vom 23. November 2004 drohte die BaFin ein Zwangsgeld in Höhe von ... EUR (1) für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer II oder III der Verfügung an und setzte dieses mit Bescheid vom 2. Juni 2005 gemäß § 17 des Gesetzes über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen i.V.m. § 14 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VwVG) zuzüglich Gebühren fest. Im selben Schreiben drohte die BaFin ein Zwangsgeld von ... EUR (2) für den Fall an, dass der Kläger dem Abwickler nicht innerhalb einer Frist von einer Woche die von diesem in einem Schreiben näher bezeichneten Unterlagen zur Verfügung stellen oder die Einsichtnahme in die Unterlagen nicht dulden sollte. Die sofortige Vollziehung beider Verfügungen wurde angeordnet. Nach Anmahnung des Zwangsgeldes, Festsetzung weiterer Gebühren und Zurückweisung der Widersprüche des Klägers ersuchte die BaFin den Beklagten und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) gemäß § 3 VwVG um Vollstreckung des Zwangsgeldes (1). Den Antrag auf einstweilige Einstellung der Vollstreckung und hilfsweise auf Einstellung der Vollstreckung gegen Ratenzahlungen lehnte das HZA ab.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Auch das angedrohte Zwangsgeld (2) setzte die BaFin fest und ordnete die sofortige Vollziehung an. Am 24. März 2006 ersuchte die BaFin das HZA um Vollstreckung dieser Forderung nebst Gebühren. Aus den Feststellungen des HZA über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers ergab sich, dass der Kläger eine durchschnittliche monatliche Provision von ... EUR brutto erhielt. Daneben erzielte er ein Arbeitseinkommen von über ... EUR netto. Er gab an, monatlich ... EUR Ratenzahlungen auf einen Schuldrestbetrag von ca. ... EUR zu leisten und sonstige Verbindlichkeiten in Höhe von ... EUR zu haben. Der Kläger bot an, ab dem 1. Dezember 2006 monatlich ... EUR zu zahlen. Nachdem die Klage gegen den Bescheid der BaFin vom 2. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom Verwaltungsgericht abgewiesen worden war, strengte der Kläger beim Verwaltungsgerichtshof ein Berufungszulassungsverfahren an.

Die Klage gegen den die Einstellung der Vollstreckung ablehnenden Bescheid des HZA hat das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger habe nicht substantiiert dargelegt, dass ihn die Vollstreckung des Zwangsgeldes und der Gebühren unangemessen hart treffen würde. Angesichts der Höhe des Einkommens sei weder eine Existenzvernichtung ersichtlich, noch sei zu befürchten, dass der Kläger das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht mehr weiter führen könne. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Vollstreckung des weiteren Zwangsgeldes (2). Die Vollstreckung sei auch unter Berücksichtigung der angebotenen Ratenzahlung nicht unbillig. Denn gerade eine Ratenzahlung werde dem Beugecharakter des Zwangsgeldes nicht gerecht. Über den bestehenden Dissens, ob der Kläger eine bloße Pflicht zur Duldung oder eine Pflicht zur Vorlage von Unterlagen habe, sei im Streitfall nicht zu befinden. Diese Frage müsse im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldfestsetzung geklärt werden. Im Übrigen gehe das FG davon aus, dass der Kläger die angeforderten Unterlagen noch nicht vorgelegt und damit seine Pflicht noch nicht erfüllt habe. Deshalb komme auch eine Einstellung des Vollzugs der Zwangsgeld- und Gebührenfestsetzung nach § 15 Abs. 3 VwVG nicht in Betracht.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Von grundsätzlicher Bedeutung seien die Fragen, wie weit die Prüfungspflicht des FG bzw. der Vollstreckungsstelle im Rahmen des § 258 der Abgabenordnung (AO) und des § 15 Abs. 3 VwVG gehe und ob sich die Vollstreckungsbehörde einfach auf die Behauptung der BaFin stützen könne, ohne den Vortrag des Vollstreckungsschuldners berücksichtigen zu müssen, und ob bei Zwangsgeldern das Anerbieten von Ratenzahlungen und die positive Prognose hinsichtlich der Einhaltung der Zusage und zügiger Tilgung per se die Unbilligkeit der Vollstreckung zur Folge habe. Verfahrensfehlerhaft habe das FG den Gehörsanspruch (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt. Denn den Vortrag in Bezug auf die bestehenden Zahlungsverpflichtungen --u.a. hinsichtlich der Büromiete und der Anwalts- und Gerichtskosten-- habe es gänzlich unberücksichtigt gelassen und damit die Existenzbedrohung verkannt. Zudem sei das FG zu Unrecht davon ausgegangen, dass er, der Kläger, seinen Verpflichtungen noch nicht nachgekommen sei. Neben der Duldung der Abwicklungsmaßnahmen aufgrund der Abwicklungsverfügung sei er lediglich dazu verpflichtet, dem Abwickler Zutritt zu den Geschäftsräumen zu gewähren. Unterlagen müsse er nicht vorlegen. Die Nichterfüllung der dem Abwickler übertragenen Aufgaben könne ihm nicht angelastet werden. Zudem seien die geforderten Unterlagen der BaFin und dem Abwickler stets zur Verfügung gestanden. Den diesbezüglichen Vortrag habe das FG verfahrensfehlerhaft außer Acht gelassen.

Unzutreffend sei das FG davon ausgegangen, dass eine Einstellung der Vollstreckung auch nicht nach § 15 Abs. 3 VwVG in Betracht komme. Den Vortrag hinsichtlich des Ausscheidens als Geschäftsführer zweier Fonds-Gesellschaften hätte das FG nicht als unsubstantiiert zurückweisen dürfen. Schließlich sei ein Verstoß gegen die Grundverfügung der BaFin nicht mehr zu erwarten. Insgesamt stelle sich die Vollstreckung als unverhältnismäßig dar.

Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) nicht hinreichend dargelegt ist, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert. Auch die gerügten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) sind zum Teil nicht schlüssig dargelegt, jedenfalls liegen sie aber nicht vor.

1.

Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein konkreter und substantiierter Vortrag, aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und vom 2. Dezember 2002 VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.).

a)

Soweit der Kläger den Umfang der dem FG bzw. der Vollstreckungsstelle im Rahmen des § 258 AO bzw. des § 15 Abs. 3 VwVG obliegenden Prüfungspflicht unter der Prämisse höchstrichterlich geklärt wissen will, dass sich die Vollstreckungsbehörde auf das Vorbringen einer anderen Behörde --im Streitfall das Vorbringen der BaFin-- stützt, ist diese Frage einer allgemeingültigen Klärung nicht fähig. Denn es hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab, zu welchen Ermittlungen sich die Finanzbehörde veranlasst sieht, um eine sachgerechte Ermessensentscheidung treffen zu können. Die Prüfung des jeweiligen Sachverhalts, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Erkenntnisse anderer Behörden und des Vorbringens des Vollstreckungsschuldners, hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen. Festlegungen in Bezug auf den erforderlichen Umfang dieser Prüfung lassen sich nicht von vornherein für eine unbestimmte Anzahl von Fällen treffen. Daher ist die vom Kläger aufgeworfene Frage nicht grundsätzlich zu klären.

b)

Hinsichtlich der Frage, ob bei Zwangsgeldern das Anerbieten von Ratenzahlungen und die positive Prognose hinsichtlich der Einhaltung der Zusage und einer zügigen Tilgung per se die Unbilligkeit der Vollstreckung zur Folge haben, legt die Beschwerde nicht dar, warum diese Frage der höchstrichterlichen Klärung bedarf. Das FG hat weder diesen noch den entgegengesetzten Rechtssatz seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es hat vielmehr ausdrücklich anerkannt, dass § 258 AO auch auf die Vollstreckung von Zwangsgeld Anwendung findet, allerdings bei Zwangsgeld das Anerbieten von Ratenzahlungen nicht per se die Unbilligkeit der Vollstreckung zur Folge habe. Es bewertet lediglich "im vorliegenden Einzelfall", dass "hier" Ratenzahlung dem Beugecharakter des Zwangsgeldes nicht gerecht werde.

Der Kläger erkennt selbst an, dass das FG die Grundsätze, nach denen im Falle von Ratenzahlungen eine Unbilligkeit der Vollstreckung nach § 258 AO in Betracht gezogen werden kann, richtig erkannt und wiedergegeben, aber, dass es diese auf den Fall der Zwangsgeldbeitreibung unzutreffend angewandt habe. Im Kern seines Vorbringens wendet er sich damit gegen eine falsche Rechtsanwendung des FG. Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich gesehen jedoch nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2003 VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 24 und § 116 Rz 34, jeweils m.w.N.).

2.

Soweit der Kläger eine Verletzung des Gehörsanspruchs (Art. 103 Abs. 1 GG) rügt, liegt der von ihm geltend gemachte Verfahrensmangel entweder nicht vor oder er ist nicht hinreichend dargelegt.

a)

Die Behauptung, das FG habe den Vortrag hinsichtlich bestehender Zahlungsverpflichtungen gänzlich unberücksichtigt gelassen, trifft nicht zu. Bereits im Tatbestand hat das FG auf die Angaben des Klägers hingewiesen, nach denen er monatlich Ratenzahlungen in Höhe von ... EUR leistet. Zudem hat das FG in der Begründung ausdrücklich zu erkennen gegeben, dass es bei der Entscheidungsfindung Werbungskosten, Betriebsausgaben, Unterhaltsaufwendungen und Schuldendienst berücksichtigt hat. Auch auf die durch das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof verursachten Kosten ist das FG eingegangen. Hierzu hat es ausgeführt, dass es nicht plausibel sei, dass die Vollstreckung des Zwangsgeldes den Kläger in die Lage bringen würde, dieses Verfahren nicht mehr weiter führen zu können.

b)

Auch mit dem Vorbringen, das FG sei zu Unrecht von einer Nichterfüllung der dem Kläger von der BaFin auferlegten Pflichten ausgegangen, wird eine Verletzung des Gehörsanspruchs nicht belegt. Ein solcher Verfahrensfehler liegt bereits deshalb nicht vor, weil das FG auf Seite 12 des Urteils den Einwand des Klägers, er habe ohne hierzu verpflichtet zu sein Fragen des Abwicklers beantwortet, Unterlagen vorgelegt und damit seine Verpflichtungen erfüllt, ausdrücklich in Bezug nimmt. Damit gibt das Gericht zu erkennen, dass es den Vortrag des Klägers sehr wohl zur Kenntnis genommen und rechtliches Gehör gewährt hat.

c)

Soweit es die Beschwerde als verfahrensfehlerhaft ansieht, dass das FG die Pflichtenstellung des Klägers verkannt habe, wendet sie sich gegen die vom FG vorgenommene Auslegung des Inhalts des Bescheids der BaFin vom 2. Juni 2005 und damit gegen die Beweiswürdigung, deren Grundsätze dem materiellen Recht zuzuordnen sind (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 82, m.w.N.).

d)

Schließlich vermag die Beschwerde nicht schlüssig darzulegen, warum in der vom FG vorgenommenen Wertung des Vorbringens des Klägers in Bezug auf sein Ausscheiden als Geschäftsführer und der Unmöglichkeit der Erfüllung der ihm von der BaFin auferlegten Pflichten, eine Verletzung des Gehörsanspruchs liegen soll. Das FG hat sich mit den Argumenten des Klägers eingehend auseinandergesetzt und ist zu dem wohl begründeten Ergebnis gelangt, das es nicht nachvollziehbar sei, warum der Kläger seine ihm im September 2002 auferlegten Pflichten aufgrund seines Ausscheidens im Juli 2004 nicht habe erfüllen können. Zu welchem Punkt sich der Kläger in diesem Zusammenhang nicht hat äußern können, geht aus der Beschwerde nicht hervor.

Ende der Entscheidung

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