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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 15.12.2000
Aktenzeichen: VII B 192/00
Rechtsgebiete: HeizölkennzV, MinöStG 1993, FGO


Vorschriften:

HeizölkennzV § 9
HeizölkennzV § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
HeizölkennzV § 9 Abs. 1 Satz 1
HeizölkennzV § 9 Abs. 5
HeizölkennzV § 10 Abs. 1
HeizölkennzV § 9 Abs. 1 Satz 2
HeizölkennzV § 9
HeizölkennzV § 9 Abs. 3
MinöStG 1993 § 26 Abs. 6 Satz 1
MinöStG 1993 § 26 Abs. 6
FGO § 68
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Mit Steueränderungsbescheid vom 2. Juli 1998, von der Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht, setzte der Beklagte und Beschwerdeführer (das Hauptzollamt --HZA--) gegen die Klägerin Mineralölsteuer in Höhe von ... DM mit der Begründung fest, die Klägerin habe im Jahre 1995 bei ihren wechselweisen Auslieferungen von Dieselkraftstoff (DK) und gekennzeichnetem Gasöl (Heizöl, HEL) mit dem Tankwagen mit dem amtlichen Kennzeichen ... insgesamt ... l Mineralöl unzulässig vermischt. Das von der Klägerin zur Vermeidung von unzulässigen Vermischungen angewendete Nachdrückverfahren sei kein nach den Vorschriften der Heizölkennzeichnungsverordnung (HeizölkennzV) vom 27. Juli 1993 (BGBl I, 1384) zugelassenes Verfahren. Daher müsse die nach § 9 HeizölkennzV zugelassene Vermischungshöchstgrenze von 1 v.H. außer Betracht bleiben. Die Klägerin habe folglich entgegen § 26 Abs. 4 Satz 1 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG 1993) gekennzeichnetes Mineralöl mit anderem Mineralöl vermischt und insgesamt ... l dieses Gemischs als Kraftstoff abgegeben mit der Folge, dass nach § 26 Abs. 6 Satz 1 MinöStG 1993 hierfür die Mineralölsteuer nach dem Steuersatz für DK entstanden sei.

Das Finanzgericht (FG) hob auf die Klage der Klägerin den nunmehr angefochtenen Steueränderungsbescheid vom 2. Juli 1998 auf. Zur Begründung führte es aus, auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin bei den streitgegenständlichen Auslieferungen von DK jedenfalls nicht die Vermischungshöchstgrenze von 1 v.H. des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HeizölkennzV überschritten habe. Entgegen der Annahme des HZA sei die Systemrestmenge des Tankwagens (34 l bei einem Ablassen über einen Leerschlauch bzw. 86 l über einen Vollschlauch) nicht jeweils in die Tanks der Kunden, die den DK bestellt hätten, abgelassen worden, sondern mittels des Nachdrückverfahrens bereits vor der Abgabe an den Kunden entweder in den jeweiligen Lagertank auf dem Firmengelände abgelassen oder in die Kammer des Tankwagens gepumpt worden, in der sich das jeweils zuletzt ausgelieferte Produkt befunden habe, oder es sei bereits bei dem letzten Kunden mit dem Nachfolgeprodukt (DK) nachgedrückt worden, indem vor Erreichen der bestellten Menge HEL der Tankvorgang abgestellt und auf das Nachfolgeprodukt umgestellt worden sei. Auf diese Weise sei die im Schlauch vorhandene Restmenge an HEL bestimmungsgemäß in den Kundentank nachgedrückt worden. In keinem Fall sei die Systemrestmenge bei der vorhergehenden Auslieferung von HEL an Abnehmer von DK abgegeben worden. Soweit sich bei dem angewendeten Nachdrückverfahren zwangsläufig Gemische von HEL und DK ergeben hätten, könne nicht davon ausgegangen werden, dass insoweit ein Anteil von jeweils mehr als 1 v.H. HEL bei der Abgabe von DK vorhanden gewesen sei. Da die Vermischungshöchstgrenze des § 9 Abs. 1 Satz 1 HeizölkennzV mithin nicht überschritten worden sei, komme es nicht darauf an, ob es sich bei dem sog. Nachdrückverfahren um ein "gesetzlich zugelassenes" Verfahren handele, was in einem Merkblatt des Bundesministers der Finanzen (BMF) in Abrede gestellt werde. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 5 HeizölkennzV erfordere im Übrigen im Unterschied zu § 10 Abs. 1 HeizölkennzV gerade keine Zulassung durch das zuständige HZA. Auch die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 2 HeizölkennzV (Abgabe gleich großer Restmengen bei zwei aufeinander folgenden Wechseln) führe im Streitfall zu keinem anderen Ergebnis.

Mit seiner Beschwerde begehrt das HZA die Zulassung der Revision gegen das finanzgerichtliche Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob das Nachdrückverfahren als in § 9 HeizölkennzV nicht genanntes und damit rechtlich nicht zugelassenes Verfahren die Steuerfolge des § 26 Abs. 6 MinöStG 1993 habe, da ein Gemisch erzeugt werde, welches zweckwidrig als Kraftstoff abgegeben werde. Diese Frage sei, im Gegensatz zur Auffassung des FG, zu bejahen. Zulässige Verfahren i.S. des § 9 HeizölkennzV seien die Abgabe der Systemrestmenge als Einheit und damit als feststehende Größe in ein Behältnis. Damit sei gemeint, dass die Systemrestmenge als Ganzes beim Produktwechsel mit dem Nachfolgeprodukt abgegeben werde. Die Abgabemenge müsse dann das 100- bzw. 200-fache der Systemrestmenge betragen, worauf gemäß § 9 Abs. 3 HeizölkennzV an den Abgabevorrichtungen u.a. von Tankfahrzeugen hingewiesen werden müsse. Nur bei Einhaltung dieser in § 9 HeizölkennzV aufgeführten Verfahren sei es zulässig, 1 v.H. des Vorprodukts dem Nachfolgeprodukt beizumischen.

Die Klägerin ist dieser Auffassung entgegengetreten. Sie ist wie das FG der Ansicht, bei Vermischungen bei der wechselseitigen Abgabe von HEL und DK aus Tankfahrzeugen komme es entscheidend ausschließlich darauf an, ob die in § 9 HeizölkennzV zugelassene Grenze von 1 v.H. der in ein Behältnis abzugebenden Mineralölmenge nicht überschritten werde.

Die Klägerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des HZA ist als unzulässig zu verwerfen, weil eine über den konkreten Einzelfall hinausreichende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt worden ist (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605), die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. die Hinweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 115 Rz. 8 ff.). Nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Beschwerdeschrift schlüssig und substantiiert dargelegt werden. Dazu ist erforderlich, dass der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479).

b) Die Beschwerdeschrift wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Es fehlt bereits jeglicher Hinweis darauf, dass die aufgeworfene Rechtsfrage über den konkreten Streitfall hinaus für eine Vielzahl gleichartiger Fälle von Bedeutung ist und damit das Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. zu diesem Aspekt Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 7, mit Hinweisen auf die BFH-Rechtsprechung). Lässt sich der Darlegung des Beschwerdeführers nicht entnehmen, dass sich die aufgeworfene Rechtsfrage nicht in der Entscheidung des konkreten Falles erschöpft, sondern über diesen Einzelfall hinaus von allgemeiner Bedeutung ist, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Dabei kann für die Beschwerde einer Finanzbehörde aus Gründen der Gleichbehandlung nichts anderes gelten als für die Beschwerde eines Steuerbürgers.

c) Auch die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des BFH ausnahmsweise von der Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung abgesehen werden kann, wenn diese nämlich offenkundig ist (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 61, m.w.N.), liegen im Streitfall nicht vor. Dazu wäre zumindest erforderlich, dass sich die aufgeworfene Rechtsfrage deutlich und für jedermann offenkundig entweder auf Grund des Wortlauts des Gesetzes oder auf Grund des allgemeinen Diskussionsstandes in Rechtsprechung oder Schrifttum stellt oder ergibt, also nach Klärung heischt. Das ist jedoch vorliegend nicht der Fall.

Die vom HZA aufgeworfene Rechtsfrage zielt darauf ab zu klären, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 HeizölkennzV bestimmte Verfahren vorschreibe, bei deren Einhaltung --und nur bei deren Einhaltung-- eine Beimischung des Vorprodukts zu der in ein Behältnis abzugebenden Menge des Folgeprodukts im Ausmaß der in der Vorschrift angegebenen Höchstgrenzen rechtlich zulässig sei, und dass das von der Klägerin angewendete und vom FG im Einzelnen beschriebene sog. Nachdrückverfahren nicht zu diesen zugelassenen Verfahren gehöre. Der Senat kann, wie auch das FG, der besagten Vorschrift die Beschränkung auf bestimmte zugelassene Verfahren zur Verhinderung unzulässiger Vermischungen bei Abgabe von HEL und DK aus verschiedenen Kammern eines Transportmittels in wechselnder Folge nicht entnehmen. Entscheidend dürfte allein sein, dass die dem Folgeprodukt (DK) beigemischte Restmenge des Vorprodukts (HEL) einen Anteil von 1 v.H. der (in ein Behältnis) abzugebenden Mineralölmenge nicht übersteigt, wenn die Abgabe, wie im Streitfall, an Verwender oder an Einrichtungen erfolgt, aus denen Kraftfahrzeuge oder Motoren unmittelbar mit Kraftstoff versorgt werden (Nr. 1 der Vorschrift). Wie und unter Einsatz welchen Verfahrens der Mineralölhändler die Einhaltung dieser Vermischungsgrenze sicherstellt, ist seine Sache. Das Gesetz schreibt jedenfalls ein bestimmtes Verfahren nicht vor. Auch bedarf das angewendete Verfahren keiner Zulassung durch das HZA, wie sich aus dem Vergleich von § 9 (Vermischungen bei der Abgabe aus Transportmitteln) mit § 10 HeizölkennzV (Andere Vermischungen, z.B. durch Zulassung von Spülverfahren bei der Reinigung von Transportmitteln) deutlich ergibt (zum Verhältnis dieser Vorschriften vgl. den Senatsbeschluss vom 20. April 2000 VII B 25/99, BFH/NV 2000, 1366). Das von der Klägerin angewendete Nachdrückverfahren ist somit in § 9 Abs. 1 HeizölkennzV nicht a priori als "nicht zugelassenes" Verfahren ausgeschlossen. Ob es in der von der Klägerin angewendeten Form tatsächlich zuverlässig die Einhaltung der Vermischungsgrenze sicherstellen kann, hat der Senat vorliegend nicht zu entscheiden.



Ende der Entscheidung

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