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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.05.2006
Aktenzeichen: VII B 194/05
Rechtsgebiete: FGO, ZKDVO, ZK


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
ZKDVO Art. 251 Nr. 1 Satz 3
ZK Art. 49 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat 1999, vertreten durch eine Spedition, vier Sendungen Fahrradteile eingeführt und zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr abfertigen lassen. Nachdem die letzte dieser vier Anmeldungen Anfang Juli 1999 abgegeben worden war, wandte sich die Spedition mit Schreiben vom 21. Oktober 1999 an den Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--), legte die Kopie eines der Klägerin erteilten Bewilligungsbescheides zur besonderen Verwendung von Waren vor und bat darum, die Zollbelege aufgrund dieses Bescheides "zu überarbeiten". Das HZA würdigte dies als Antrag auf Ungültigerklärung der Zollanmeldungen gemäß Art. 66 des Zollkodex (ZK), Art. 251 Nr. 1 der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO) und lehnte diesen Antrag ab, weil er nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist von drei Monaten nach dem Tag der Annahme der Zollanmeldung gestellt worden sei.

Hiergegen richtet sich die Klage, die das Finanzgericht (FG) abgewiesen hat. Das FG hat offen gelassen, ob ein Irrtum i.S. des Art. 251 Nr. 1 ZKDVO für die Abgabe der Zollanmeldungen ursächlich war. Denn jedenfalls sei die Drei-Monats-Frist dieser Vorschrift nicht eingehalten worden und eine Überschreitung dieser Frist vom HZA mit Recht nicht gemäß Art. 251 Nr. 1 Satz 3 ZKDVO zugelassen worden. Denn eine solche Überschreitung der Frist könne nur in einem "begründeten Ausnahmefall" zugelassen werden, womit Art. 251 ZKDVO keine Situation meinen könne, der ein Wirtschaftsteilnehmer im Bereich seiner betrieblichen Tätigkeit üblicherweise ausgesetzt ist bzw. mit der üblicherweise gerechnet werden muss. Daher könne das vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in dem Urteil vom 11. November 1999 Rs. C-48/98 (EuGHE 1999, I-7877) für den Bereich des Art. 49 Abs. 1 ZK aufgestellte Kriterium auch hier herangezogen werden, dass der Antragsteller außergewöhnlichen Ereignissen ausgesetzt gewesen sein müsse, die von denen abweichen, denen jeder Wirtschaftsteilnehmer bei der Ausübung seines Gewerbes regelmäßig ausgesetzt ist. Das sei im Streitfall nicht der Fall gewesen. Im Übrigen könne eine Überschreitung der Frist auch deswegen nicht zugelassen werden, weil ein entsprechender Antrag auf Zulassung einer Fristüberschreitung nicht vor Fristablauf gestellt worden sei.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die der Rechtssache sinngemäß grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf folgende Fragen zumisst:

a) Sind die Ausführungen des EuGH in vorgenanntem Urteil auf Art. 251 Nr. 1 Satz 3 ZKDVO übertragbar?

b) Werden an die "begründeten Ausnahmefälle" im Sinne dieser Vorschrift die gleichen strengen Anforderungen gestellt wie an die außergewöhnlichen "Umstände" nach Art. 49 Abs. 2 ZK?

c) Setzt die Zulassung einer Fristüberschreitung gemäß Art. 251 Nr. 1 Satz 3 ZKDVO einen Antrag des Zollanmelders voraus und muss ein solcher Antrag vor Ablauf der Drei-Monats-Frist gestellt werden oder handelt es sich nicht vielmehr bei der Zulassung der Fristüberschreitung um die Anordnung einer Rückwirkung der Fristverlängerung?

II. Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

a) Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob das vom FG in seinem Urteil angeführte EuGH-Urteil in EuGHE 1999, I-7877 bei der Auslegung und Anwendung des Art. 251 Nr. 1 Satz 3 ZKDVO unmittelbar einschlägig ist, würde sich in dieser Allgemeinheit in dem künftigen Revisionsverfahren nicht stellen.

Es liegt auf der Hand, dass Ereignisse, denen jeder Wirtschaftsteilnehmer bei der Ausübung seines Gewerbes regelmäßig ausgesetzt ist und die im Streitfall nach der irrevisiblen Würdigung des FG für die Fristversäumnis verantwortlich waren, keinen Anlass geben können, einen begründeten Ausnahmefall i.S. des Art. 251 Nr. 1 Satz 3 ZKDVO anzunehmen. Für diese Erkenntnis bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens und nicht einmal einer Bezugnahme auf das EuGH-Urteil in EuGHE 1999, I-7877, wenn es auch nahe liegt, diese zu der --im Vergleich zu Art. 251 ZKDVO weiter gefassten-- Vorschrift des Art. 49 Abs. 2 ZK ergangene Entscheidung in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen und davon auszugehen, dass die Maßstäbe für die Annahme eines begründeten Ausnahmefalls jedenfalls nicht weniger streng sein können als die nach der Rechtsprechung des EuGH im Falle des Art. 49 Abs. 2 ZK anzuwendenden.

b) Auch die weitere von der Beschwerde formulierte Frage, ob die Zulassung einer Fristüberschreitung einen vor Fristablauf gestellten Antrag des Zollbeteiligten voraussetzt, könnte voraussichtlich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden, weil der Antrag auf Ungültigerklärung der streitgegenständlichen Zollanmeldungen nach der revisionsrechtlich nicht angreifbaren und, was die Umstände des Einzelfalles angeht, von der Beschwerde auch nicht angegriffenen Verneinung eines begründeten Ausnahmefalles i.S. des Art. 251 Nr. 1 Satz 3 ZKDVO durch das FG bereits am Fehlen dieser Voraussetzung offensichtlich scheitert, so dass es auf die Richtigkeit der vom FG ergänzend angestellten Überlegung, dass selbst bei Vorliegen eines begründeten Ausnahmefalles vor Ablauf der Drei-Monats-Frist ein Fristverlängerungsantrag hätte gestellt werden müssen, nicht entscheidend ankommt und deshalb eine Klärung dieser Fragen in dem Revisionsverfahren nicht zu erwarten wäre.



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