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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.04.2004
Aktenzeichen: VII B 198/03
Rechtsgebiete: AO 1977
Vorschriften:
AO 1977 § 194 Abs. 1 Satz 1 | |
AO 1977 § 194 Abs. 3 | |
AO 1977 § 93 | |
AO 1977 § 208 Abs. 1 Nr. 3 | |
AO 1977 § 200 Abs. 1 Satz 2 |
Gründe:
Im Rahmen einer im Jahre 1998 durchgeführten Betriebsprüfung bei der Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin), einem Kreditinstitut, die sich nach der Prüfungsanordnung auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse für die Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer, gesonderte Feststellungen des Teilbetrags des verwendbaren Eigenkapitals, des Einheitswerts des Betriebsvermögens und des Zinsabschlags für die Jahre 1993 bis 1996 bezog, forderte die Betriebsprüfungshauptstelle des Beklagten und Beschwerdeführers (Finanzamt --FA--) die Klägerin mit Schreiben vom 30. Oktober 1998 auf, die Namen der jeweiligen Inhaber der Konten zu benennen, bei denen der Prüfer Barauszahlungen auf dem Kassenkonto der Klägerin festgestellt hatte, denen auf diesem Konto zeit- und pfenniggleiche Bareinzahlungen für Tafelpapiere gegenüberstanden, damit den Veranlagungsfinanzämtern der Kontoinhaber entsprechende Kontrollmitteilungen über die augenscheinlich durchgeführten Tafelgeschäfte gemacht werden könnten.
Nach erfolglosem Einspruch gegen dieses Auskunftsersuchen hatte die Klage der Klägerin bei dem Finanzgericht (FG) Erfolg. Das FG urteilte, das Auskunftsersuchen sei rechtswidrig, weil der Betriebsprüfer seine Erkenntnisse über die 21 Tafelgeschäfte nicht anlässlich seiner Ermittlungen über die steuerlichen Verhältnisse der Klägerin erlangt habe. Der Prüfer habe sich mit den Machtmitteln eines Betriebsprüfers, aber außerhalb des durch § 194 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) festgelegten Prüfungsauftrags, Kenntnisse über die steuerlich relevanten Vorgänge Dritter verschafft. Ein sachlicher Zusammenhang mit einer konkreten, durch den Prüfungsauftrag bestimmten Prüfungstätigkeit sei nicht erkennbar, da nicht ersichtlich sei, auf welche Unregelmäßigkeiten, die die Besteuerungsgrundlagen der Klägerin beeinflussen könnten, die vorgenommene Prüfung des Kontos "Fällige eigene ... Tafelemissionen" hinausgehen sollte. Das FA habe nicht darlegen können, inwieweit sich hieraus Erkenntnisse über das von der Klägerin zu versteuernde Einkommen hätten gewinnen lassen. Der Prüfer habe daher nur deshalb Einblick in die Wertpapierkonten und Kassenkonten genommen, um herauszufinden, welche Kunden der Klägerin Tafelgeschäfte in dieser Form des anonymisierten Bargeschäfts abgewickelt hätten. Eine solche unmittelbar und ausschließlich auf steuerliche Verhältnisse Dritter gerichtete Prüfungshandlung werde von § 194 Abs. 3 AO 1977 nicht gedeckt und sei deshalb rechtswidrig. Dem stehe nicht entgegen, dass sich das FA außerhalb der Betriebsprüfung durch ein auf § 93 AO 1977 gestütztes Auskunftsersuchen oder ggf. durch die Einschaltung der Steuerfahndung gemäß § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 in rechtmäßiger Weise die Namen der betreffenden Kunden habe verschaffen können.
Hiergegen richtet sich die ausschließlich auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde des FA. Grundsätzliche Bedeutung habe die Rechtsfrage, ob das im Streit befindliche Auskunftsersuchen durch die Regelung des § 194 Abs. 3 AO 1977 gerechtfertigt sei bzw. ob der Betriebsprüfer seine Kenntnisse über die Verhältnisse Dritter "anlässlich" der Außenprüfung bei der Klägerin erlangt habe. Es sei nicht geklärt, ob die Aufforderung eines Betriebsprüfers anlässlich der Außenprüfung eines Kreditinstituts, näher bezeichnete Informationen über Bankkunden zum Zwecke der Erstellung von Kontrollmitteilungen vorzulegen, in einem gemäß § 194 Abs. 3 AO 1977 sachlichen Zusammenhang mit der Außenprüfung stehe. Die Vorentscheidung stehe auch im Widerspruch zu Entscheidungen des FG Köln, das hierzu eine gegensätzliche Auffassung vertreten habe. Hiernach sei ein sachlicher Zusammenhang mit der Außenprüfung selbst dann gegeben, wenn die auszuwertenden eigenen Konten und Geschäftsunterlagen des Kreditinstituts für deren Besteuerung belanglos sein sollten.
Die Klägerin ist der Beschwerde entgegengetreten.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Der vom FA aufgeworfenen Rechtsfrage, sollte deren grundsätzliche Bedeutung in rechtlich ausreichender Weise dargelegt worden sein (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), kommt eine grundsätzliche Bedeutung jedenfalls deshalb nicht mehr zu, weil der beschließende Senat mit seinen Urteilen vom 4. November 2003 VII R 28/01 (BFHE 204, 15, Deutsches Steuerrecht 2004, 452) und VII R 29/01 unter Aufhebung der vom FA zur Unterstützung seiner Auffassung benannten Urteile des FG Köln vom 7. November 2000 9 K 8038/97 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2002, 69) und 9 K 8039/97 (EFG 2002, 66) diese Frage bereits rechtsgrundsätzlich entschieden hat und sich weiterer Klärungsbedarf aus dem Vortrag des FA nicht ergibt.
In diesen Urteilen hat der Senat zu § 194 Abs. 3 AO 1977 entschieden, dass zwischen einer Außenprüfung und der Feststellung steuerrelevanter Verhältnisse dritter Personen ein sachlicher Zusammenhang in der Weise bestehen muss, dass bei einer konkreten und im Aufgabenbereich des Prüfers liegenden Tätigkeit ein Anlass auftaucht, solche Feststellungen zu treffen. Fehle es an einer solchen konkreten Prüfungstätigkeit, die den Anlass für die Feststellung der Verhältnisse Dritter bieten müsse, handele der Prüfer außerhalb der ihm durch den Prüfungsauftrag verliehenen Befugnisse. Dies gelte auch für Mitwirkungsverlangen nach § 200 Abs. 1 Satz 2 AO 1977, die darauf gerichtet seien, unabhängig von einer konkreten Prüfungstätigkeit ausschließlich die steuerlichen Verhältnisse Dritter festzustellen. Derartige Mitwirkungsverlangen seien rechtswidrig.
Mit diesen Ausführungen ist der rechtliche Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen die Prüfer bei einer Betriebsprüfung die steuerlichen Verhältnisse dritter Personen feststellen und auswerten dürfen. Ob sich ein bestimmtes Mitwirkungsverlangen in diesen vom Recht gezogenen Grenzen hält, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls, die einer Überprüfung durch den Bundesfinanzhof im Wege der Grundsatzrevision nicht zugänglich ist. Diese Einzelfallbezogenheit wird sogar in der wörtlichen Wiedergabe der vom FA als rechtsgrundsätzlich bedeutsam angesehenen Rechtsfrage deutlich, ob nämlich "das Auskunftsersuchen des Prüfers vom 30.10.1998, die Namen von Kunden zu nennen, deren Tafelpapiergeschäfte auf dem Konto 'fällige eigene ...-Tafelemissionen' verbucht worden sind, durch die Regelung des § 194 Abs. 3 AO gerechtfertigt ist bzw. ob der Betriebsprüfer i.S. dieser Vorschrift seine Kenntnisse über die Verhältnisse Dritter 'anlässlich' der Außenprüfung bei der Klägerin und Beschwerdegegnerin erlangt hat".
Für den Streitfall ist das FG zu der Auffassung gelangt, der Prüfer habe nur deshalb Einblick in die Wertpapierkonten und Kassenkonten genommen, um herauszufinden, welche Kunden der Klägerin Tafelgeschäfte in dieser Form des anonymisierten Bargeschäfts abgewickelt hätten. Daher sei diese unmittelbar und ausschließlich auf steuerliche Verhältnisse Dritter gerichtete Prüfungshandlung von § 194 Abs. 3 AO 1977 nicht gedeckt und deshalb rechtswidrig. Zu dieser Auffassung ist das FG nicht willkürlich gelangt, sondern deshalb, weil das FA und der vom FG vernommene Zeuge zu der Frage, welche Unregelmäßigkeiten in der Buchführung der Klägerin der Prüfer mit der Prüfung der beiden Konten hätte entdecken können, keine Antwort geben und nichts dazu darlegen konnten. Der Prüfer ist damit nach der Würdigung des FG außerhalb seines Prüfungsauftrags tätig geworden mit dem ausschließlichen Ziel, die steuerlichen Verhältnisse Dritter festzustellen. Das ist nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats unzulässig.
Ende der Entscheidung
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