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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 13.08.2007
Aktenzeichen: VII B 20/07
Rechtsgebiete: AO, FGO
Vorschriften:
AO § 35 | |
AO § 69 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative | |
FGO § 116 Abs. 3 Satz 1 | |
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3 |
Gründe:
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war neben den Herren E, F, H und K Kommanditist einer im Oktober 1996 gegründeten KG, deren Ziel die Unterstützung einer Sportmannschaft war. Persönlich haftende Gesellschafterin war eine GmbH, deren Stammkapital im Wesentlichen der Kläger, F und Herr W übernommen hatten. Zur Geschäftsführerin der GmbH wurde zunächst Frau J bestellt, die bis Ende 1999 bei H beschäftigt war. In der Gesellschafterversammlung vom 19. Mai 1998 wurde J als Geschäftsführerin abberufen. Ein neuer Geschäftsführer wurde für die Folgezeit jedoch nicht bestellt. Ursprünglich beliefen sich die Kommanditbeteiligungen der Kommanditisten auf jeweils 1 000 DM. Am 19. Mai 1998 wurde die Erhöhung der Kommanditbeteiligung auf insgesamt 624 000 DM beim Registergericht angemeldet. Der Kläger übernahm davon einen Anteil von 365 000 DM. An dem Vermögen der KG war die GmbH nicht beteiligt. Bei Gesellschafterversammlungen hatte die Komplementär-GmbH kein Stimmrecht, die Kommanditisten hatten für je 1 000 DM eine Stimme. Einstimmigkeit war lediglich bei Änderung oder Ergänzung des Gesellschaftsvertrages erforderlich.
Verträge mit den Spielern wurden vom Kläger und von F abgeschlossen. Die KG unterhielt bei einer Bank ein Girokonto, für das der Kläger seit Oktober 1998 neben den Herren H, E und W zeichnungsberechtigt war. Nachdem eine Pfändung erfolgt war, kündigte die Bank einen der KG gewährten Zwischenkredit. Das Schreiben der Bank war an die KG, zu Händen des Klägers gerichtet. Auf Anfrage teilte die Bank mit, dass nach ihren Unterlagen die KG vom Kläger vertreten worden sei. Ab März 1998 wurden Umsatzsteuervoranmeldungen nicht mehr fristgerecht beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) abgegeben. Die Umsatzsteueranmeldungen für das Kalenderjahr 1998 wurden jeweils vom Kläger unterschrieben. Die aufgrund der Voranmeldungen zu zahlenden Vorauszahlungen wurden nur teilweise getilgt.
Nachdem die rückständige Umsatzsteuer bei der KG nicht beigetrieben werden konnte, erwog das FA zunächst eine haftungsrechtliche Inanspruchnahme von J. Aufgrund einer Stellungnahme des H wurde eine Inanspruchnahme von J jedoch nicht weiterverfolgt. Stattdessen wies das FA den Kläger im Dezember 2000 darauf hin, dass es prüfe, ob er für die rückständigen Abgaben der KG in Anspruch genommen werden könne. Daraufhin widersprach der Kläger der Annahme des FA, dass er ab 1998 die Geschäfte der KG geführt hätte. Die geforderten Angaben zu den Verbindlichkeiten und den darauf geleisteten Zahlungen könne er nicht machen, da sich die Buchführungsunterlagen beim Steuerberater befänden.
Mit Haftungsbescheid vom 27. November 2001 nahm das FA den Kläger für die rückständigen Abgabenschulden der KG als Verfügungsberechtigten gemäß § 69 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 35 AO in Haftung. Der Einspruch führte lediglich zu einer Herabsetzung der Haftungssumme. Die daraufhin erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass das FA den Kläger zu Recht als Verfügungsberechtigten angesehen und als Haftungsschuldner in Anspruch genommen habe. Nach der Abberufung von J als Geschäftsführerin sei die allein zur Geschäftsführung berufene Komplementär-GmbH rechtlich handlungsunfähig gewesen. Aufgrund der Höhe seiner Kommanditbeteiligung habe der Kläger in der Folgezeit maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der KG gehabt; insbesondere sei er in der Lage gewesen, den Inhalt der Gesellschafterbeschlüsse zu bestimmen. Der Umstand, dass die dafür maßgebliche Erhöhung des Kommanditkapitals am gleichen Tag wie die Abberufung der Geschäftsführerin der Komplementär-GmbH erfolgt sei, spreche dafür, dass der Kläger den maßgeblichen Einfluss in der Gesellschaft auch angestrebt habe. Tatsächlich sei der Kläger in der Folgezeit auch nach außen hin als Verfügungsberechtigter tätig geworden. Er habe Spielerverträge abgeschlossen und er sei von der Bank als diejenige Person angesehen worden, die die maßgeblichen Entscheidungen für die KG getroffen habe. Auch der Steuerberater der KG habe den Kläger seit Mitte 1998 als die maßgebende Person der KG angesehen und habe ihn die gefertigten Steuererklärungen unterschreiben lassen. Ab Oktober 1998 sei der Kläger auch tatsächlich verfügungsberechtigt gewesen, denn zu diesem Zeitpunkt sei ihm eine Vollmacht für das Bankkonto der KG erteilt worden. Die ihm als Verfügungsberechtigten obliegenden steuerlichen Pflichten habe der Kläger zumindest grob fahrlässig verletzt. Da im Haftungszeitraum noch Ausgangsumsätze erzielt und die Bankverbindlichkeiten vollständig getilgt worden seien, müsse der Kläger noch über ausreichende Mittel zur Tilgung der Verbindlichkeiten verfügt haben. Mangels besserer Erkenntnisse sei die Tilgungsquote auf 90 % zu schätzen.
Mit seiner auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) gestützten Beschwerde begehrte der Kläger die Zulassung der Revision. Die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage, ob der Kläger als faktischer Geschäftsführer anzusehen sei, berühre das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts. Voraussetzung dafür, dass jemand als faktischer Geschäftsführer anzusehen sei, sei eine überragende Stellung in der Geschäftsführung. Zu berücksichtigen seien hierbei acht klassische Merkmale: Bestimmung der Unternehmenspolitik, Unternehmensorganisation, Einstellung von Mitarbeitern, Gestaltung der Geschäftsbeziehung zu Vertragspartnern, Verhandlungen mit Kreditgebern, Gehaltshöhe, Entscheidung in Steuerangelegenheiten und Steuerung der Buchhaltung. Der Kläger habe allenfalls Einfluss auf die Bestimmung der Unternehmenspolitik und auf Verhandlungen mit Kreditgebern gehabt. Die Steuerangelegenheiten der KG seien von dem damit beauftragten Steuerberater erledigt worden. Der Kläger selbst habe kein Gehalt bezogen. Die Gestaltung der Geschäftsbeziehungen zu Vertragspartnern habe das FG nicht gewertet. Ohne nähere Begründung und ohne Prüfung der von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze habe das FG unterstellt, dass er aufgrund der Erhöhung seiner Kommanditbeteiligung auch zwangsläufig als faktischer Geschäftsführer tätig gewesen sei.
Die überragende Stellung des Klägers habe das FG für einen Zeitraum nach dem 19. Mai 1998 festgestellt. Infolgedessen könne ihm nicht angelastet werden, dass er die Umsatzsteuer für März 1998 nicht rechtzeitig angemeldet und abgeführt habe. Gerade die Tatsache, dass die Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1998 und 1999 erst am 12. September 2000 eingereicht worden seien, zeige, dass der Kläger zumindest in diesen Jahren nicht als faktischer Geschäftsführer anzusehen sei.
Darüber hinaus sei die vom FA vorgenommene Schätzung der Tilgungsquote, die vom FG übernommen worden sei, als objektiv willkürlich anzusehen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass er selbst über keine Unterlagen der KG verfügt habe. Schließlich lasse das FG außer Acht, dass sowohl das Strafgericht als auch das Sozialgericht den Kläger nicht als faktischen Geschäftsführer angesehen hätten. Da das FG von der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts durch diese Gerichte abweiche, sei die Revision auch nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO zuzulassen.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, denn der Kläger hat keinen der von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Weise dargelegt.
1. Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein konkreter und substantiierter Vortrag, aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und vom 2. Dezember 2002 VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Ihr ist bereits keine abstrakt formulierte Rechtsfrage zu entnehmen, die der höchstrichterlichen Klärung bedarf. Die Beantwortung der aufgeworfenen Frage, ob der Kläger als faktischer Geschäftsführer anzusehen ist, richtet sich nach den konkreten Umständen des Streitfalles. Inwieweit durch die Beantwortung der Frage das Interesse der Allgemeinheit berührt wird, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen. Vielmehr wendet sich der Kläger im Kern seines im Stil einer Revisionsbegründung gehaltenen Vorbringens gegen die materiell-rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das FG. Hierzu stellt er acht --durch Rechtsprechungshinweise nicht näher belegte-- Kriterien auf, die seiner Ansicht nach kumulativ erfüllt sein müssen, um eine Stellung als faktischer Geschäftsführer zu begründen. Lediglich zwei von diesen Merkmalen sieht er auf seine Person bezogen als erfüllt an. Diese Ausführungen genügen den angeführten Darlegungserfordernissen nicht. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bereits eine beherrschende Stellung als Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft eine Verfügungsberechtigung i.S. von § 35 AO vermittelt und dass schon die Unterzeichnung einer Eröffnungsbilanz und von Steuererklärungen auf ein Auftreten als Verfügungsberechtigter hindeuten kann (BFH-Entscheidung vom 16. Januar 1980 I R 7/77, BFHE 130, 230, BStBl II 1980, 526). Jedenfalls hat der BFH in seiner Rechtsprechung das kumulative Vorliegen der vom Kläger angeführten Merkmale zur Begründung einer Stellung als faktischer Geschäftsführer nicht gefordert.
2. Soweit sich der Kläger gegen die vermeintlich unbesehene Übernahme der vom FA geschätzten Haftungsquote durch das FG wendet, lässt auch dieses Vorbringen eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung nicht erkennen. Vielmehr erschöpft sich der Einwand des Klägers in unsubstantiierten Angriffen gegen die Schätzung des FG. Die behauptete offensichtliche Willkür liegt schon deshalb nicht vor, weil das FG der vom FA nachvollziehbar begründeten Schätzung der Tilgungsquote mangels Vorlage geeigneter Nachweise seitens des Klägers gefolgt ist. Verfahrensrügen sind dagegen vom Kläger nicht erhoben worden.
3. Soweit dem Hinweis des Klägers auf Urteile des Strafgerichts und des Sozialgerichts eine Divergenzrüge entnommen werden kann, ist die behauptete Divergenz nicht in der erforderlichen Weise dargelegt. Macht der Beschwerdeführer geltend, dass eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), so muss er in der Beschwerdebegründung darlegen, inwiefern über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen bei den Gerichten bestehen und welche sonstigen Gründe eine höchstrichterliche Entscheidung gebieten. Hierzu muss er tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (BFH-Beschlüsse vom 7. Oktober 2003 X B 52/03, BFH/NV 2004, 80, und vom 5. Juli 2002 XI B 67/00, BFH/NV 2002, 1479). Dies leistet die Beschwerde nicht einmal ansatzweise. Es fehlt bereits an der Herausarbeitung und Gegenüberstellung von tragenden und abstrakten Rechtssätzen. Die abweichende Sachverhaltswürdigung anderer Gerichte trägt die Divergenzrüge nicht.
Ende der Entscheidung
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