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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 16.05.2000
Aktenzeichen: VII B 200/98
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 128 Abs. 1
FGO § 151 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1
FGO § 154
ZPO § 883 Abs. 2 bis 4
ZPO § 888 Abs. 1
ZPO § 893
BUNDESFINANZHOF

1. Ein finanzgerichtliches Urteil, in welchem die Finanzbehörde dazu verurteilt worden ist, Einsicht in eine bestimmte Akte zu gewähren, unterliegt grundsätzlich der Vollstreckung nach § 888 ZPO über die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung nichtvertretbarer Handlungen.

2. Beruft sich die Behörde auf das Nichtvorhandensein der Akte oder weiterer Aktenteile und will der Vollstreckungsgläubiger sicher sein, dass die ihm vorgelegte oder vorzulegende Akte vollständig ist, ist die Verpflichtung der öffentlichen Hand zur Einsichtgewährung jedoch in entsprechender Anwendung des § 883 Abs. 2 und 3 ZPO wie ein Herausgabeanspruch zu vollstrecken.

FGO § 128 Abs. 1, § 151 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, § 154 ZPO § 883 Abs. 2 bis 4, § 888 Abs. 1, § 893

Beschluss vom 16. Mai 2000 - VII B 200/98 -

Vorinstanz: FG Düsseldorf


Gründe

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) haben in ihrer Eigenschaft als Mitglieder einer Erbengemeinschaft gegen den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) das rechtskräftige Urteil des Finanzgerichts (FG) erstritten, in dessen Tenor das FA verpflichtet wird, der Erbengemeinschaft Einsicht in die Akte S zu gewähren. Dabei handelt es sich um eine Steuerfahndungsakte, die das FA in einem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den am 30. Dezember 1991 verstorbenen Vater der Antragsteller und dessen Ehefrau wegen des Verdachts, Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung nicht erklärt zu haben, angelegt und geführt hat. In diesem Verfahren, dessen Ergebnis im Bericht vom 5. Juni 1991 festgehalten worden ist, wurden aufgrund von Durchsuchungsbeschlüssen bei Kreditinstituten zahlreiche Sparbriefe, Sparkonten, festverzinsliche Wertpapiere und Festgeldkonten ermittelt. Die Auswertung des Berichts führt zu Mehrsteuern für die Jahre 1978 bis 1988 in Höhe von insgesamt rd. ... DM. Die Antragsteller erhoffen sich aus der Einsichtnahme in die Ermittlungsakte nähere Aufschlüsse über das im Rahmen der Ermittlungen festgestellte Kapitalvermögen zum Zwecke der Regelung der Erbangelegenheit in der Erbengemeinschaft.

Nach Rechtskraft des finanzgerichtlichen Urteils übersandte das FA dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller, der bereits während des Klageverfahrens Einsicht in die Steuerfahndungsakte genommen hatte, die bislang mit dem Hinweis auf die Wahrung des Steuergeheimnisses ausgehefteten Blätter 41 bis 125, 159 und 160 der Akte. Bei Durchsicht dieser Aktenteile stellte der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller fest, dass darin auf Beweismittel in Form von Bankunterlagen Bezug genommen wurde, und begehrte Einsicht auch in diese Unterlagen. Das FA wandte hiergegen ein, es seien keine Beweismittel mehr vorhanden. Bei den Nachforschungen über den Verbleib der Unterlagen konnte das FA lediglich drei Heftstreifen mit Kopien von Kontounterlagen, die das FA im Rahmen des Ermittlungsverfahrens von zwei Geldinstituten erhalten und zwischenzeitlich wieder zurückgegeben hatte, wieder beschaffen und den Antragstellern zur Verfügung stellen.

Die Antragsteller waren der Auffassung, das FA sei damit seiner Verpflichtung zur Gewährung von Akteneinsicht aus dem rechtskräftigen Urteil des FG nicht in ausreichendem Maße nachgekommen, und begehrten beim FG unter Vorlage einer mit Rechtskraftzeugnis versehenen vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils (Vollstreckungsklausel vom ...) zu erkennen, das FA gemäß § 888 der Zivilprozeßordnung (ZPO) zur Vornahme der Akteneinsicht durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder sogleich durch Zwangshaft anzuhalten.

Das FG hielt das Vollstreckungsbegehren für zulässig, aber nicht für begründet, weil das FA die ihm auferlegte Handlung erfüllt habe. Es habe die ihm bei der erstmaligen Stellung des Antrags auf Akteneinsicht am 3. Januar 1995 noch vorliegenden Akten sämtlich dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller zur Einsicht vorgelegt. Soweit Beweismittel bis zu diesem Zeitpunkt vernichtet worden sein sollten, treffe das FA aufgrund des Urteils keine Verpflichtungen, die Akte wieder zu vervollständigen. Auch müsse das FA die Antragsteller nicht in die Lage versetzen, die Grundlagen der Besteuerung zu erkennen, falls dies aus den vorhandenen Akten nicht möglich sein solle. Anhaltspunkte dafür, dass das FA nach dem genannten Zeitpunkt Aktenteile oder Beweismittel vernichtet habe oder etwa Unterlagen zurückhalte, obwohl es deren Aufenthaltsort kenne, seien nicht ersichtlich.

Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihren Vollstreckungsantrag weiter. Sie sind der Auffassung, das FA habe seine Verpflichtung zur Gewährung von Akteneinsicht nicht vollständig erfüllt. Sie tragen hierzu im Wesentlichen vor, im Gegensatz zu den Feststellungen des FG fehlten in der Akte nicht nur die Beweismittel in Form von Bankunterlagen, sondern die in drei Leitz-Ordnern gesammelten Unterlagen, welche die Grundlagen für die Fahndungsergebnisse, die zu der Besteuerung geführt hätten, bildeten. Das FA sei verpflichtet gewesen, die vollständigen Akten während der gesetzlichen Aufbewahrungszeit aufzubewahren. Es habe während des Klageverfahrens zu keiner Zeit eingewandt, es besitze die vollständigen Akten nicht mehr. In Wirklichkeit seien die Aktenteile nicht vernichtet worden, wie das FA vortrage, sondern die Akte sei "gefilzt" worden. Rechtlich fehlerhaft sei auch die Auffassung des FG, das FA habe nur die Unterlagen vorzulegen, die in dem Zeitpunkt vorhanden gewesen seien, als erstmals Akteneinsicht verlangt worden sei. Das FA sei vielmehr verpflichtet, die Akte wieder zu vervollständigen, und zwar auf den Stand des Ermittlungsergebnisses gemäß dem Bericht vom 5. Juni 1991. Die Wiederbeschaffung der Akten sei auch nicht unmöglich geworden. Die früheren Unterlagen seien von Mikrofiches der Geldinstitute gezogen worden. Was auf diesen Datenträgern vorhanden sei, könne komplett und technisch mühelos abgedruckt werden. Das FA sei beweisfällig dafür geblieben, dass ihm die Leistung unmöglich geworden sei.

Die gesetzlich nicht ausgeschlossene und daher nach § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

1. Soll im Anwendungsbereich der FGO gegen die öffentliche Hand vollstreckt werden, so gilt gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz FGO das Achte Buch der ZPO über die Zwangsvollstreckung (§§ 704 ff.) sinngemäß, wobei das FG Vollstreckungsgericht ist (§ 151 Abs. 1 Satz 2 FGO). Diese Generalverweisung gilt freilich nur insoweit, als sich aus den nachfolgenden Sondervorschriften der FGO (§ 151 Abs. 2 bis 4, §§ 152 bis 154) nichts Gegenteiliges ergibt (vgl. den Senatsbeschluss vom 21. Oktober 1999 VII B 197/99, BFH/NV 2000, 221; Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 151 Rz. 1 und 2). Die Vollstreckung findet hiernach nur aus den in § 151 Abs. 2 FGO abschließend aufgeführten Titeln statt (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Januar 1973 VII B 128/71, BFHE 108, 479, BStBl II 1973, 499). Außerdem muss der in Betracht kommende Titel überhaupt einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben. Bei Gestaltungsurteilen, die aufgrund von Anfechtungsklagen ergehen, ist das grundsätzlich hinsichtlich des Hauptausspruchs nicht der Fall (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 151 FGO Tz. 3). Eine Vollstreckung gegen die öffentliche Hand findet somit regelmäßig nur statt, wenn eine der in § 151 Abs. 1 Satz 1 FGO genannten Gebietskörperschaften, Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts bzw. eine diesen Einrichtungen zugehörige Behörde (§ 63 FGO) aus einem der in § 151 Abs. 2 FGO abschließend aufgeführten Titeln zu einer Leistung (Geldleistung oder sonstigen Leistung) verurteilt worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 2. November 1994 VII B 109/94, BFH/NV 1995, 616; Gräber/ von Groll, a.a.O., § 151 Rz. 1).

Im Streitfall liegt ein rechtskräftiges Urteil des FG vor, kraft dessen das FA als Behörde eines Landes zur Gewährung von Akteneinsicht, also zu einer sonstigen Leistung, verurteilt worden ist. Ein solches Urteil ist vollstreckungsfähig (§ 151 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Weitere Sonderbestimmungen der FGO kommen nicht zur Anwendung. § 152 FGO scheidet aus, da nicht eine Geldforderung vollstreckt werden soll. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Spezialvorschrift des § 154 FGO für Zwangsmaßnahmen gegen die Finanzbehörde zur Erzwingung anderer als Geldleistungen (s. dazu Senat in BFH/NV 2000, 221) sind nicht erfüllt. Die Verurteilung des FA zur Leistung ergibt sich weder aus einem Urteil, das eine Verpflichtung zur Folgenbeseitigung (§ 100 Abs. 1 Satz 2 FGO) oder zum Erlass eines Verwaltungsakts auferlegt (§ 101 FGO), noch aus einer einstweiligen Anordnung (§ 114 FGO), so dass die in § 154 FGO für diese Fälle vorgesehenen Einschränkungen ("Sperrwirkung", s. Senat in BFH/NV 2000, 221) nicht greifen. Eine Ausdehnung des § 154 FGO auf alle Fälle einer Verurteilung zu einer anderen als einer Geldleistung hält der Senat, obschon dies an und für sich sinnvoll wäre, angesichts des klaren Wortlauts der Vorschrift für ausgeschlossen (vgl. für § 172 der Verwaltungsgerichtsordnung --VwGO--, der dem § 154 FGO entsprechenden Vorschrift im Verwaltungsprozessrecht, etwa Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 10. Aufl. 1998, § 172 Rz. 9 und 10).

Damit richtet sich die Vollstreckung im Streitfall mangels besonderer Regelung in der FGO über § 151 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz FGO nach dem Achten Buch der ZPO. Rechtskraftzeugnis (§ 706 Abs. 1 ZPO) und die erforderliche (s. § 153 FGO) vollstreckbare Ausfertigung des Urteils (Urteil mit Vollstreckungsklausel gemäß § 724 Abs. 1, § 725 ZPO) liegen vor. Diese ist dem FA auch ordnungsgemäß zugestellt worden (§ 750 Abs. 1 ZPO). Einschlägig sind hiernach die Vorschriften der §§ 883 ff. ZPO über die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen und zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen. Da die dem FA auferlegte Gewährung von Akteneinsicht nicht durch einen Dritten vorgenommen werden kann, sondern ausschließlich vom Willen des FA abhängt (nicht vertretbare Handlung), kommt im Weigerungsfalle oder wenn, wie im Streitfall, der Vollstreckungsgläubiger die Ordnungsmäßigkeit der Erfüllung der auferlegten Handlung durch den Vollstreckungsschuldner bestreitet, grundsätzlich § 888 ZPO zum Zuge. Hiernach kann das FG als das Prozessgericht des ersten Rechtszuges und Vollstreckungsgericht (§ 151 Abs. 1 Satz 2 FGO) auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld bis zur Höhe von 50 000 DM oder ggf. durch Zwangshaft anzuhalten sei (§ 888 Abs. 1 ZPO).

2. Im Streitfall hat es das FG abgelehnt, die von den Antragstellern nach § 888 ZPO beantragten Zwangsmittel, um das FA zur (weiteren) Gewährung der Einsicht in die Ermittlungsakte anzuhalten, zu verhängen, weil es der Auffassung war, dass das FA die ihm auferlegte Verpflichtung bereits vollständig erfüllt hatte und damit dem sich aus dem Urteil ergebenden Anspruch der Antragsteller auf Gewährung von Akteneinsicht Genüge getan war. Der Senat schließt sich dieser Auffassung im Ergebnis an.

a) Ist eine Finanzbehörde dazu verurteilt, einer Person Einblick in eine bestimmte Akte zu gewähren, so hat die Finanzbehörde dieser Person grundsätzlich die vollständige Akte mit allen Nebenakten, auch mit Beweismittelakten und allen etwaigen internen Unterlagen (z.B. Entwürfe, Gutachten, Handakten der Prüfer oder der Fahnder), vorzulegen. Insoweit kann nichts anderes gelten als in dem Fall, dass eine Behörde einer anderen Behörde im Wege der Amtshilfe Akten vorzulegen hat (§ 86 FGO). Diese Vorschrift bestimmt auch die Grenzen der Vorlagepflicht bzw. der Einsichtgewährung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juli 1994 X B 333/93, BFHE 174, 491, BStBl II 1994, 802, m.w.N.).

Allerdings kann sich die Vorlageverpflichtung wie auch die Pflicht zur Einsichtgewährung vernünftigerweise nur auf die vorhandenen und noch existenten Akten oder Aktenteile beziehen. Die Vorlageverpflichtung im Wege der Amtshilfe nach § 86 Abs. 1 FGO und die gegenüber dem Bürger bestehende bzw. von diesem im Wege der Klage erstrittene Verpflichtung der Behörde zur Gewährung von Akteneinsicht beschränken sich daher auf die Akten, die sich in der Verfügungsgewalt der Behörde befinden, auf die sie also ohne weiteres Zugriff hat. Eine Pflicht zur Beschaffung von Akten, die sich nicht in der Verfügungsgewalt der Behörde befinden, oder auch eine Pflicht zur Wiederbeschaffung von Akten, die sich aus irgend welchen Gründen (z.B. Aussonderung, Rückgabe von Beweismittelunterlagen an den Berechtigten, Diebstahl usw.) nicht mehr im Verfügungsbereich der Behörde befinden, ist damit nicht verbunden. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn die Behörde in Kenntnis einer beantragten Akteneinsicht die Akte oder Teile der Akte aus der Hand gibt und dementsprechend weiß, wo und in wessen Verfügungsgewalt sich die Akte nunmehr befindet. In einem solchen Fall ließe sich erwägen, ob die Behörde aufgrund ihres eigenen Verhaltens nicht eine gesteigerte (verschärfte) Pflicht zur Einsichtgewährung trifft und daher die aus der Hand gegebenen Akten wiederbeschaffen muss. Wenn das FG dabei als maßgeblichen Zeitpunkt auf den Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung auf Einsichtnahme in die Akten abstellt, so erscheint dem Senat diese Rückbeziehung schon deshalb sachgerecht, weil dadurch der Gefahr von Manipulationen im Behördenbereich weitgehend vorgebeugt werden kann. Im Übrigen entspricht es durchaus allgemeinen Rechtsgrundsätzen, eine verschärfte Haftung vom Zeitpunkt der Erlangung der Kenntnis einer bestimmten Sache eingreifen zu lassen und nicht erst bei deren Rechtshängigkeit (vgl. etwa § 819 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--).

b) Erstreckt sich mithin die Pflicht zur Gewährung von Einsicht in eine bestimmte Akte auf die sich im Machtbereich der Behörde befindlichen Aktenteile sowie auf die Aktenteile, die die Behörde nach Antragstellung aus der Hand gegeben hat, die aber noch beschaffbar oder ggf. auch rekonstituierbar sind, so umreißt dies zugleich den Anwendungsbereich der Zwangsvollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO, wenn die Behörde nicht in diesem Rahmen ihrer Verpflichtung nachkommt. Dabei gilt freilich die Einschränkung, dass die aufgezeigte Wiederbeschaffungspflicht dann nicht nach § 888 ZPO vollstreckt werden kann, wenn die Behörde Aktenteile an Dritte weggegeben hat, die deren Herausgabe bzw. Rückgabe verweigern. Ist nämlich die vom Schuldner zu veranlassende Mitwirkung eines Dritten nicht zu erlangen, fehlt es an dem Tatbestandsmerkmal, dass die geschuldete Handlung ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt. In einem solchen Fall ist die Handlung überhaupt nicht unmittelbar erzwingbar; es kann dann lediglich der Anspruch auf Leistung des Interesses (§ 893 ZPO) verfolgt werden (vgl. Zöller/Stöber, Zivilprozeßordnung, 21. Aufl. 1999, § 888 Rz. 2, m.w.N.).

c) Nach diesen Grundsätzen erscheint dem Senat unter den Umständen des Streitfalls eine Vollstreckung nach § 888 ZPO ausgeschlossen.

aa) Zunächst können die Antragsteller sich nicht mit Erfolg auf das Bestehen einer gesteigerten Verpflichtung des FA zur Wiederbeschaffung aus der Hand gegebener Aktenteile berufen, denn es steht nicht fest und wird von den Antragstellern auch nicht substantiiert vorgetragen, dass das FA nach dem Zeitpunkt des von ihnen gestellten Antrags auf Gewährung von Einsicht in die Ermittlungsakte (3. Januar 1995) Teile dieser Akte aus der Hand gegeben und dadurch das Einsichtsrecht der Antragsteller vereitelt hat. Dies hat auch das FG so gesehen. Die Beschwerde hat keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass es anders gewesen sein könnte. Was vor diesem Zeitpunkt mit der Ermittlungsakte geschehen ist, ist jedenfalls im Bereich der Vollstreckung nach § 888 ZPO unbeachtlich. Im Übrigen erscheint insoweit der Vortrag des FA glaubhaft, dass nach Abschluss der steuerstrafrechtlichen Ermittlungen gegen den Vater der Antragsteller (Einstellung des Verfahrens nach dessen Tod am 30. Dezember 1991) und dessen Ehefrau (Einstellung des Verfahrens im Mai 1992 nach § 153a der Strafprozeßordnung --StPO-- gegen Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von ... DM) Beweismittel, an deren Rückgabe in Papierform die beiden Geldinstitute kein Interesse haben konnten, im Bereich des FA der Vernichtung zugeführt worden sein könnten. Weder die Rückgabe von Beweismitteln an den Berechtigten noch die Vernichtung derselben bis zu dem genannten maßgebenden Zeitpunkt sind im Rahmen des § 888 ZPO von Bedeutung.

bb) Hinsichtlich der sich (noch) im Machtbereich des FA befindlichen Aktenteile wird von den Beteiligten Gegensätzliches vorgetragen. Das FA macht geltend, weitere zu der Ermittlungsakte S gehörende Bestandteile seien in seinem Machtbereich nicht (mehr) vorhanden; insbesondere bestreitet es die Existenz von drei angeblich zu der Ermittlungsakte gehörenden Leitz-Ordnern mit Beweisergebnissen. Die Antragsteller hingegen sind der Auffassung oder äußern zumindest den Verdacht, dass das FA die Akte "gefilzt", also ihm missliebige Teile daraus entfernt und beiseite gelegt hat, ehe es dem Prozessbevollmächtigten der Kläger Einsicht in die "Restakte" gewährt hat. Eine solche Situation, in der sich die Behörde auf das Nichtvorhandensein weiterer Aktenteile beruft und der Bürger sicher sein will, dass die vorgelegte oder vorzulegende Akte vollständig ist, führt nicht etwa zu einer Beweiserhebung durch das Prozessgericht nach § 888 ZPO, welche, wie die Antragsteller meinen, vom FG pflichtwidrig unterlassen worden sei, sondern fällt nach überwiegender Ansicht der Zivilrechtsprechung und des zivilprozessualen Schrifttums völlig aus dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift heraus. In einem solchen Fall sei die Verpflichtung der öffentlichen Hand zur Einsichtgewährung in bestimmte Unterlagen in entsprechender Anwendung des § 883 Abs. 2 und 3 ZPO wie ein Herausgabeanspruch zu vollstrecken, wenn sie nicht Nebenpflicht einer umfassenden Auskunftsverpflichtung sei (Zöller/Stöber, a.a.O., § 883 Rz. 2, m.w.N. aus der Zivilrechtsprechung). Diese Auffassung wird auch für das verwaltungsgerichtliche Vollstreckungsverfahren vertreten (vgl. Beschluss des Oberverwaltungsgerichts --OVG-- Koblenz vom 7. Juli 1986 1 E 11/86, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1987, 1220, m.w.N. und mit ausführlicher Begründung).

Der Senat schließt sich für das finanzgerichtliche Vollstreckungsverfahren gegen die öffentliche Hand dieser Auffassung an. § 883 Abs. 2 ZPO enthält die Konfliktlösung für den Fall, dass eine von dem Schuldner an den Gläubiger auf Dauer herauszugebende Sache von dem beauftragten Gerichtsvollzieher (§ 883 Abs. 1 ZPO) nicht vorgefunden wird. In diesem Fall ist der Schuldner auf Antrag des Gläubigers verpflichtet, vor Gericht (§ 883 Abs. 4 i.V.m. §§ 478 ff. ZPO) zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, "dass er die Sache nicht besitze, auch nicht wisse, wo die Sache sich befinde". Damit vergleichbar ist die Situation, dass der Schuldner dem Gläubiger eine Akte oder andere Unterlagen ohne Aufgabe des Besitzes vorübergehend zur Einsichtnahme zu überlassen hat, denn ob eine Urkunde dem Gläubiger endgültig zu übergeben oder lediglich vorübergehend zu überlassen ist, begründet keinen wesentlichen Unterschied. In beiden Fällen will der Gläubiger sicher gehen, dass ihm die Urkunde nicht vorenthalten wird. Daher ist es angebracht, beide Fallgestaltungen im Vollstreckungsfall gleich zu behandeln, und zwar nach der vom Gesetz für eine solche Situation speziell vorgesehenen Rechtsfolge in § 883 Abs. 2 ZPO. Diese Rechtsfolge ist in beiden Fällen geeignet, den gestörten Rechtsfrieden wiederherzustellen. Geht man weiter --im Gegensatz zur Auffassung der Antragsteller-- davon aus, dass Voraussetzung für die Verhängung von Zwangsmitteln im Rahmen des § 888 ZPO der vom Gläubiger zu erbringende Beweis ist, dass dem Schuldner die begehrte Handlung überhaupt möglich ist (s. Beschluss des OVG Koblenz in NJW 1987, 1220, 1221), so erweist sich, da dieser Beweis nur schwer erbracht werden kann (was auch der Streitfall zeigt), die sofortige entsprechende Anwendung des § 883 Abs. 2 ZPO auch als die für den Gläubiger prozessökonomischere und Erfolg versprechendere Lösung.

Da die Antragsteller keinen Antrag nach § 883 Abs. 2 ZPO gestellt haben, sondern auf einer Vollstreckung nach § 888 ZPO mit Verhängung von Zwangsmitteln bestehen, ist ihre Beschwerde schon aus diesem Grund als unbegründet zurückzuweisen. Daher kann der Senat offen lassen, ob in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem das mit der Akteneinsicht verfolgte Ziel, nämlich die Regelung ziviler Rechtsverhältnisse innerhalb der Erbengemeinschaft, ersichtlich keinen Zusammenhang mit dem Gegenstand der Akte, dem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Vater der Antragsteller und dessen Ehefrau, aufweist, eine Vollstreckung des erstrittenen Akteneinsichtsanspruchs nicht ohnehin als rechtsmissbräuchlich anzusehen wäre. Denn schließlich hat das FA nicht die Aufgabe eines Nachlassverwalters, der den Erben genaue Rechenschaft über den Bestand des Nachlasses abzulegen hat.



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