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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 04.11.2008
Aktenzeichen: VII B 201/07
Rechtsgebiete: FGO
Vorschriften:
FGO § 115 Abs. 2 | |
FGO § 116 Abs. 3 S. 3 |
Gründe:
I.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin einer GmbH. Die für den Monat November 1999 angemeldete und festgesetzte Umsatzsteuer sowie fällige Zinsen zur Investitionszulage wurden nicht entrichtet. Mit Schreiben vom 11. Februar 2000 beantragte die Klägerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen drohender Zahlungsunfähigkeit der GmbH. Das Insolvenzverfahren wurde im März 2000 eröffnet. Aufgrund der rückständigen Umsatzsteuer für November 1999 und der rückständigen Zinsen zur Investitionszulage nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Klägerin als Haftungsschuldnerin in Anspruch. Hinsichtlich der Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer wurde der Haftungsbescheid später zurückgenommen. Der Einspruch führte zu einer erheblichen Herabsetzung der Haftungssumme.
Die daraufhin erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Das FG führte aus, dass die Klägerin zu Recht gemäß § 69 der Abgabenordnung als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen worden sei. Ihre Pflichtverletzung liege darin, dass sie die noch vorhandenen Mittel vorrangig zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs verwendet habe, so dass unmittelbar vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sämtliche Bankverbindlichkeiten ausgeglichen gewesen seien. Zu einer etwa anteiligen Befriedigung sämtlicher Gläubiger habe sie die Mittel demnach nicht verwendet. Den Nachweis, dass sie --wie behauptet-- nachhaltige Lohnsteuerzahlungen an das FA geleistet habe, habe die Klägerin nicht erbringen können. Allein der Umstand, dass sich der Gesamtbetrag der Verbindlichkeiten der GmbH im Haftungszeitraum erhöht habe, gebe keinen Aufschluss darüber, in welchem Umfang Forderungen noch getilgt worden seien. Die vom FA im Wege der Schätzung angenommene Tilgungsquote von 70 v.H. begegne keinen rechtlichen Bedenken. Der Insolvenzverwalter habe auf mehrfache Anfragen des FA mitgeteilt, keine Angaben machen zu können. Die von der Klägerin angesprochenen Unterlagen, wie Kontoauszüge und Kassenbücher, hätten dem Insolvenzverwalter nicht vorgelegen. Somit könne der Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt werden. Es könne auf sich beruhen, ob die Klägerin bei dieser Sachlage ihre Mitwirkungspflicht verletzt habe.
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Verfahrensfehlerhaft habe das FG darauf verzichtet, den Insolvenzverwalter als Zeugen zu vernehmen. Schriftsätzlich habe sie, die Klägerin, vorgetragen, dass dem Insolvenzverwalter Unterlagen, wie Forderungsanmeldungen, Buchungsbelege und Kontoauszüge, vorlägen. Aus den Angaben des Insolvenzverwalters habe das FG keinesfalls den Schluss ziehen können, dass dieser über entsprechende Unterlagen nicht verfüge bzw. dass solche nicht mehr vorhanden seien. Zudem habe das FA keine konkreten Unterlagen angefordert, sondern lediglich versucht, die Ermittlungspflicht dem Insolvenzverwalter aufzubürden. Entgegen seiner Pflicht aus § 76 FGO habe das FG den Sachverhalt nicht vollständig ermittelt.
Zudem sei die vom FG getroffene Feststellung, dass die GmbH Zahlungen an die Hausbank vorgenommen habe, falsch. Da das FG die vermeintlichen Zahlungen erstmals im Urteil erwähnt habe, liege eine Verletzung des Gehörsanspruchs vor. Schließlich setze sich das FG in Widerspruch zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Oktober 1998 VII B 102/98 (BFH/NV 1999, 447).
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten. Es ist der Ansicht, dass das Vorbringen der Klägerin nicht den Darlegungserfordernissen genüge.
II.
Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat keinen der angeführten Zulassungsgründe in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise bezeichnet.
1.
Die Verfahrensrüge (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), das FG habe den Beweisantrag auf Vernehmung des Insolvenzverwalters übergangen, ist nicht schlüssig erhoben. Zur Bezeichnung des Verfahrensmangels eines übergangenen Beweisantrags i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört nach ständiger Rechtsprechung der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb die Rüge nicht möglich gewesen sei. Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter --ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge-- verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die unterlassene Rüge den endgültigen Rügeverlust --auch im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision-- zur Folge (Senatsbeschlüsse vom 11. Februar 2004 VII B 224/03, BFH/NV 2004, 1060, und vom 8. Oktober 2003 VII B 51/03, BFH/NV 2004, 217). Die Beschwerde legt nicht dar, dass die Klägerin den schriftsätzlich gestellten Antrag in der mündlichen Verhandlung vor dem FG wiederholt hat. Hierzu hätte indes Anlass bestanden, da aufgrund der Verhandlungsführung des FG erkennbar war, dass eine Vernehmung des Insolvenzverwalters nicht erfolgen würde. Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat die Klägerin den Antrag auch nicht gestellt. Ihr Vorbringen, sie habe nicht mit einem Urteil, sondern mit einem Beweisbeschluss gerechnet, vermag den Rügeverlust nicht ungeschehen zu machen. Dem Sitzungsprotokoll ist nicht zu entnehmen, dass das FG einen solchen Beschluss angekündigt hat, so dass die Klägerin auf eine Befolgung ihres Beweisantrags hätte vertrauen dürfen.
Zudem hat das FG ausführlich begründet, warum es die Vernehmung des Insolvenzverwalters für entbehrlich gehalten hat. Die Klägerin weist selbst darauf hin, dass der Insolvenzverwalter dem FA in einem Schreiben mitgeteilt habe, dass die gewünschten Unterlagen nicht vorlägen. Die Schlussfolgerung des FG, dass aufgrund der Stellungnahme des Insolvenzverwalters davon ausgegangen werden könne, dass die Unterlagen diesem nicht vorgelegen hätten, ist nachvollziehbar und verstößt jedenfalls nicht gegen Erfahrungs- oder Denkgesetze. Warum eine Vernehmung des Insolvenzverwalters zu einem anderen Ergebnis hätte führen können, vermag die Beschwerde nicht schlüssig darzulegen. Aus der Sicht des FG waren alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft.
2.
Die Rüge der Klägerin, das FG habe zu Unrecht eine Zahlung an die Hausbank der GmbH festgestellt, genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung der behaupteten Verletzung des Gehörsanspruchs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes). Eines ausdrücklichen Hinweises des FG auf die Annahme solcher Zahlungen bedurfte es nicht. Das Gericht ist nicht dazu verpflichtet, vor seiner Entscheidungsfindung seine Rechtsansicht mündlich oder schriftlich mitzuteilen bzw. die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte und Rechtsfragen im Voraus anzudeuten oder sogar umfassend zu erörtern (BFH-Entscheidungen vom 5. April 2006 I B 84/05, BFH/NV 2006, 1497, und vom 10. August 2005 VIII B 344/04, BFH/NV 2006, 78, m.w.N., sowie Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juli 1997 1 BvR 1934/93, BVerfGE 96, 189, Neue Juristische Wochenschrift 1997, 2305). Darüber hinaus musste es der Klägerin bewusst gewesen sein, dass das FG im Rahmen der Überprüfung der Haftungsquote Zahlungen an die verschiedenen Gläubiger berücksichtigen würde. Solche Zahlungen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs geleistet zu haben, hat die Klägerin nicht in Abrede gestellt. Insoweit könnte allenfalls ein materiell-rechtlicher Fehler im Rahmen einer unzutreffenden Beweiswürdigung vorliegen der grundsätzlich die Zulassung der Revision nicht rechtfertigt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 81 und 82, m.w.N.).
3.
Schließlich legt die Beschwerde die behauptete Divergenz nicht schlüssig dar. Dem FG-Urteil ist der Rechtssatz, die Übersendung eines Fragebogens durch das FA lasse sämtliche weitere Ermittlungspflichten entfallen und das FA sei nicht verpflichtet, vom Insolvenzverwalter die Herausgabe von Geschäftsunterlagen zu verlangen, nicht zu entnehmen. Vielmehr hat das FG aus der schriftlichen Stellungnahme des Insolvenzverwalters darauf geschlossen, dass die Unterlagen der GmbH nicht mehr vorhanden sind. Darüber hinaus gibt die Beschwerde den Inhalt der in Bezug genommenen Senatsentscheidung unzutreffend wieder. Zwar hat der Senat grundsätzlich auf die Pflicht des FA hingewiesen, eigene Anstrengungen zur Aufklärung des haftungsbegründenden Sachverhalts zu unternehmen, jedoch sind der Entscheidung keine allgemeingültigen Aussagen über den konkreten Umfang der Ermittlungspflicht in Bezug auf evtl. beim Insolvenzverwalter vorhandene Unterlagen zu entnehmen. Somit fehlt es bereits an der Gegenüberstellung von tragenden und abstrakten Rechtssätzen aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits, um eine Abweichung zu verdeutlichen.
Ende der Entscheidung
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