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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 14.08.2008
Aktenzeichen: VII B 205/07
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Im Rahmen der erteilten Bewilligung als zugelassener Versender überführte die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) am 1. Juli 1992 als Hauptverpflichteter eine Warensendung Textilien in das externe gemeinschaftliche Versandverfahren. Das Versandverfahren wurde nicht ordnungsgemäß beendet; die Bestätigung der Bestimmungszollstelle auf dem Rückschein erwies sich als gefälscht. Mit Schreiben des Hauptzollamts X vom 27. Mai 2002 wurde der Klägerin eine Frist von drei Monaten zur Ermittlung des Ortes der Zuwiderhandlung gewährt; mit Steuerbescheid vom 7. Juni 2002 wurden die auf die Warensendung entfallenden Einfuhrabgaben gegen die Klägerin festgesetzt.

Auf die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hob das Finanzgericht (FG) den Steuerbescheid auf. Das FG urteilte, dass die Abgabenschuld zwar entstanden und die Klägerin als Hauptverpflichteter des Versandverfahrens Abgabenschuldner sei, dass aber die Einfuhrabgaben gleichwohl nicht erhoben werden dürften, weil der Klägerin entgegen Art. 11a der Verordnung (EWG) Nr. 1062/87 (VO Nr. 1062/87) der Kommission vom 27. März 1987 zur Durchführung und Vereinfachung des gemeinschaftlichen Versandverfahrens (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 107/1) in der Fassung der (Änderungs-)Verordnung (EWG) Nr. 1429/90 der Kommission vom 29. Mai 1990 (ABlEG Nr. L 137/21) nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten Gelegenheit zum Nachweis der ordnungsgemäßen Durchführung des Versandverfahrens oder des Ortes der Zuwiderhandlung gegeben worden sei. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) sei diese Nachweisfrist zu gewähren, d.h. in voller Länge zur Verfügung zu stellen, bevor der Abgabenbescheid erlassen werde.

Hiergegen richtet sich die auf den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung --FGO--) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten und Beschwerdeführers (Hauptzollamt --HZA--). Das HZA macht geltend, dass das FG-Urteil von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. Dezember 2001 VII R 102/00 (BFH/NV 2002, 687, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2002, 199) abweiche.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg; der geltend gemachte Zulassungsgrund liegt nicht vor.

Zwar ist das Vorbringen der Beschwerde zutreffend, dass das angefochtene FG-Urteil von dem Senatsurteil in BFH/NV 2002, 687, ZfZ 2002, 199 abweicht. Gleichwohl ist eine Revisionsentscheidung des BFH zur Wahrung der Rechtseinheit nicht erforderlich.

1. Die mit dem vorgenannten Senatsurteil vertretene Rechtsauffassung, wonach es als ausreichend anzusehen ist, wenn die dem Hauptverpflichteten einzuräumende dreimonatige Nachweisfrist zwar erst nach dem Erlass des Einfuhrabgabenbescheids, aber noch während des hiergegen gerichteten Einspruchsverfahrens abläuft, lässt sich in Anbetracht der später ergangenen Urteile des EuGH vom 20. Januar 2005 Rs. C-300/03 (EuGHE 2005, I-689, ZfZ 2005, 84), vom 8. März 2007 Rs. C-44/06 (EuGHE 2007, I-2071, ZfZ 2007, 103) und zuletzt vom 13. Dezember 2007 Rs. C-526/06 (ZfZ 2008, 10) nicht aufrechterhalten, was offensichtlich ist und daher keiner Feststellung in einem Revisionsverfahren bedarf.

Der EuGH hat mit den genannten Urteilen Art. 11a Abs. 2 VO Nr. 1062/87 sowie --den späteren, nahezu gleichlautenden-- Art. 379 Abs. 2 der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO) a.F. (Fassung vor dem Inkrafttreten der Änderungsverordnung (EG) Nr. 2787/2000 --VO Nr. 2787/2000-- der Kommission vom 15. Dezember 2000, ABlEG Nr. L 330/1) dahin ausgelegt, dass die Abgangsstelle die Einfuhrabgaben nur erheben darf, wenn sie den Hauptverpflichteten zuvor darauf hingewiesen hat, dass er über eine Frist von drei Monaten verfügt, um die verlangten Nachweise zu erbringen, und wenn diese Nachweise nicht innerhalb dieser Frist erbracht worden sind, und dass diese Frist nicht erst nach Erlass der Entscheidung, die Einfuhrabgaben zu erheben, in einem Verfahren über einen gegen diese Entscheidung eingelegten Einspruch gewährt werden darf. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, kann es keinen Unterschied ausmachen, ob --wie in dem mit EuGH-Urteil in EuGHE 2007, I-2071, ZfZ 2007, 103 entschiedenen Fall-- die gesamte dreimonatige Nachweisfrist in das Einspruchsverfahren fällt, weil der Hinweis auf diese Frist erst nach Erlass des Einfuhrabgabenbescheids gegeben wurde, oder ob sie --wie im Streitfall-- nur zum Teil in das Einspruchsverfahren fällt, weil der Hinweis zwar noch vor, jedoch weniger als drei Monate vor dem Erlass des Einfuhrabgabenbescheids gegeben wurde. Dies folgt zweifelsfrei aus der Erwägung des EuGH, dass es bei der zu gewährenden Nachweisfrist um den Anspruch des Hauptverpflichteten geht, seinen Standpunkt zur Ordnungsgemäßheit des Versandverfahrens "vor Erlass der an ihn gerichteten Entscheidung über die Abgabenerhebung" in zweckdienlicher Weise zu Gehör zu bringen (EuGH-Urteil in EuGHE 2007, I-2071, ZfZ 2007, 103, Rz 37). Die an den Abgabenschuldner gerichtete Entscheidung der zuständigen Behörde über die Abgabenerhebung ist aber --wie sich ebenfalls zweifelsfrei aus dem EuGH-Urteil vom 14. April 2005 Rs. C-104/02 (EuGHE 2005, I-2689, ZfZ 2005, 231) ergibt-- die Mitteilung der buchmäßigen Erfassung gemäß Art. 221 des Zollkodex, nicht aber die Entscheidung über den eingelegten Rechtsbehelf. Etwa entgegenstehendes nationales Verfahrensrecht hat hinter dieser Überlegung des EuGH zurückzustehen.

2. Eine Revisionsentscheidung des BFH ist darüber hinaus nicht erforderlich, weil die zu entscheidende Rechtsfrage ausgelaufenes Recht betrifft (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 65). Die VO Nr. 1062/87 ist außer Kraft; Art. 379 Abs. 2 ZKDVO a.F. ist durch die VO Nr. 2787/2000 mit Wirkung vom 1. Juli 2001 aufgehoben worden und es gibt keine Nachfolgevorschrift in der ZKDVO, die für nicht erledigte gemeinschaftliche Versandverfahren eine dem Hauptverpflichteten zu gewährende dreimonatige Nachweisfrist vorsieht. Dem Beschwerdevorbringen, dass es noch 35 Einspruchsverfahren gebe, "in denen die betreffende Regelung zur Dreimonatsfrist Anwendung findet", lässt sich nicht entnehmen, dass gerade die streitige Rechtsfrage, ob der Lauf der Dreimonatsfrist zum Teil in das Einspruchsverfahren fallen darf, noch für eine Vielzahl anhängiger Fälle von Bedeutung ist.

Ende der Entscheidung

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