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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 06.04.1999
Aktenzeichen: VII B 207/98
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 96 Abs. 1 Satz 1
AO 1977 § 122 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß des Finanzgerichts (FG) Köln vom März 1997 gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von ... DM. Im April 1997 hat das FA gegenüber dem Kläger die Aufrechnung dieses Anspruchs mit rückständigen Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 1973 gemäß Zinsbescheid vom 14. Januar 1992 erklärt. Der Kläger widersprach der Aufrechnungserklärung mit dem Vortrag, er könne sich an eine Zinsfestsetzung nicht erinnern und auch seinem Bevollmächtigten sei eine solche nicht bekannt, jedenfalls hätte dieser dagegen mit Sicherheit einen Rechtsbehelf eingelegt.

Auf entsprechenden Antrag erteilte das FA dem Kläger den mit Einspruch und Klage erfolglos angefochtenen Abrechnungsbescheid. Das FG urteilte, es sei --obwohl der Kläger den Zugang der Zinsfestsetzung vom 14. Januar 1992 nunmehr bestreite-- aufgrund unstreitiger Indizien nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu der Überzeugung gelangt, daß der Kläger den Bescheid erhalten habe.

Die gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des FG gerichtete Beschwerde stützt der Kläger auf Divergenz und grundsätzliche Bedeutung.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der Senat läßt offen, ob mit der Darlegung der Zulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Beschwerdeschrift den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO hinreichend Genüge getan ist, denn die Beschwerde hat aus anderen Gründen keinen Erfolg.

1. Das Urteil des FG weicht --entgegen der Ansicht des Klägers-- nicht von dem im Urteil des Senats vom 14. März 1989 VII R 75/85 (BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534) aufgestellten Rechtssatz ab, daß "der Nachweis des Zugangs eines schriftlichen Verwaltungsakts nach § 122 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) von der Finanzbehörde nicht nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises geführt werden kann, sondern vielmehr die allgemeinen Beweisregeln, insbesondere die des Indizienbeweises gelten".

Vielmehr hat das FG in Übereinstimmung mit dem angeblichen Divergenzurteil (s. BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534, 536, unter II. 3. der Gründe) ausgeführt, der Senat sei gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu der Überzeugung gelangt, daß der Kläger den Bescheid erhalten habe. Zu dieser Feststellung gelange das Gericht aufgrund der unstreitigen Indizien, die in ihrer Gesamtheit den Schluß zuließen, daß der Bescheid tatsächlich dem Kläger zugegangen sei.

Mit dem vom Bundesfinanzhof (BFH) seit der Entscheidung in BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534 in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Erfordernis der Überprüfung und Würdigung der Umstände und bestimmter Verhaltensweisen des Steuerpflichtigen innerhalb eines längeren Zeitraums nach Absendung des Schriftstückes (vgl. dazu BFH-Entscheidungen vom 3. März 1993 II R 11/90, BFH/NV 1994, 141; vom 15. September 1994 XI R 31/94, BFHE 175, 327, BStBl II 1995, 41; vom 8. August 1995 VII B 61/95, BFH/NV 1996, 105, und vom 31. März 1998 I S 8/97, BFH/NV 1998, 1318) stehen die von dem Kläger zur Begründung der Abweichung hervorgehobenen Ausführungen des FG nicht im Widerspruch.

So konnte das FG im Wege der freien Beweiswürdigung das Verhalten des Klägers bei der Anmahnung nur dieser Zinsforderung durch das FA mit Vollstreckungsandrohung vom 9. März 1992 in der Weise beurteilen, daß ein "Steuerpflichtiger in dieser Situation --wenn er einen Bescheid tatsächlich nicht erhalten hätte-- die unterbliebene Bekanntgabe gerügt hätte, auch wenn er im Augenblick nicht über vollstreckbares Vermögen verfügt". Gleiches gilt für die Würdigung des vom Bevollmächtigten des Klägers gestellten Antrages auf Aufteilung der "festgesetzten Aussetzungszinsen" vom 2. April 1992 und des daraufhin ergangenen Aufteilungsbescheides, in dem die Zinsfestsetzung unter Angabe des Bescheiddatums benannt wurde, ohne daß dies beanstandet worden sei.

Wenn das FG zu dem Schluß gelangt, unter Berücksichtigung dieses Gesamtverhaltens des Klägers bzw. seines Bevollmächtigten bestehe --auch unter Würdigung des Klägervorbringens-- nach Auffassung des Gerichts ein ausreichender Grad an Gewißheit, daß der Bescheid tatsächlich dem Kläger zugegangen ist, so lassen sich daraus keine tragenden Rechtssätze ableiten, die mit der von der Beschwerde benannten Entscheidung in BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534 (und der sich daran anschließenden ständigen Rechtsprechung des BFH) nicht im Einklang stünden. Vielmehr geht das FG erkennbar davon aus, daß es sich nicht --wie der Kläger behauptet-- des unzulässigen Anscheinsbeweises bedienen darf, sondern anhand der einzelnen Umstände eine Beweiswürdigung vorzunehmen hat.

Offensichtlich legt die Beschwerde auch den Satz in der angeführten Entscheidung des BFH in BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534, 537, "das FG hätte die festgestellten Verhaltensweisen des Klägers gegen die wider die Glaubwürdigkeit der Behauptung über den Nichtzugang des Zinsbescheides sprechenden Umstände abwägen müssen" unrichtig aus, wenn sie meint, daran fehle es. Das Gericht hat gerade die wider die Glaubwürdigkeit der Behauptung des Nichtzuganges sprechenden Umstände --nämlich, daß der Kläger die Aufteilung der festgesetzten Aussetzungszinsen beantragt und sowohl den Vollstreckungsversuch, als auch den unter Angabe des Datums des Zinsbescheides ergangen Aufteilungsbescheid unbeanstandet gelassen hat-- als Indizen gewertet, die die Glaubwürdigkeit des behaupteten Nichtzugangs erschüttern, und durch diese Umstände das Gegenteil mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als erwiesen angesehen. Im Kern wendet sich das Beschwerdevorbringen damit gegen das Ergebnis der Beweiswürdigung durch das FG. Damit ist eine Divergenz zu der Entscheidung des BFH in BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534 jedoch nicht begründet.

2. Die von der Beschwerde gestellten Fragen, "nach welchen konkreten Kriterien speziell im Steuerfestsetzungs- und Steuererhebungsverfahren Anscheins- und Indizienbeweis voneinander abzugrenzen sind" und "welche konkreten Verhaltensweisen des Steuerpflichtigen es bei freier Beweiswürdigung rechtfertigen würden, den Zugang des Verwaltungsaktes anzunehmen, auch wenn der Steuerpflichtige den Zugang bestreitet (z.B. Frage nach dem Verbleib eines nichterhaltenen Bescheides auch dann, wenn Vollstreckungsmaßnahmen nicht drohen oder anderweitig abwendbar sind, oder stets ohne schuldhaftes Zögern bei erster Kenntnis einer vorhandenen Steuerfestsetzung)", wären in dem vom Kläger angestrebten Revisionsverfahren nicht nur wegen der viel zu allgemeinen Fragestellung, sondern insbesondere deshalb nicht klärungsfähig, weil die Entscheidung des Rechtsstreits nicht von ihrer Beantwortung abhängt. Das FG hat aufgrund tatrichterlicher Würdigung zwei konkrete Verhaltensweisen des Klägers als Indiz dafür angesehen, daß der Zugang des Bescheides als erwiesen gelten könne. Darauf, welche anderen konkreten Verhaltensweisen des Steuerpflichtigen ein gleiches Ergebnis rechtfertigen würden, kommt es nicht an.

Die von der Beschwerde angesprochene Frage nach der Abgrenzung des Anscheins- vom Indizienbeweis ist für den Zugang eines Verwaltungsaktes durch die BFH-Entscheidung in BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534, 536 f. ausführlich behandelt worden. Die Beschwerde läßt nicht erkennen, aus welchen Gründen die dort aufgezeigten Abgrenzungsmerkmale in Literatur und Rechtsprechung umstritten sind und weshalb in einem Revisionsverfahren im Interesse der Allgemeinheit eine weitere Klärung notwendig und zu erwarten sei (zu den Anforderungen an die Darlegung grundsätzlicher Bedeutung s. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 61; Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rdnr. 148 ff.).

Ende der Entscheidung

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