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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 18.12.2003
Aktenzeichen: VII B 210/03
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 155
ZPO § 295 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde ein Zolllager des Typs D bewilligt. In dem Zeitraum von Oktober 1997 bis November 1998 meldete die Klägerin Magermilchpulver unter Inanspruchnahme ermäßigter Zollsätze zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an, obwohl die Einfuhrlizenzen teilweise nicht auf sie, sondern auf die X-KG sowie auf die Y-GmbH ausgestellt worden waren. In den von der Klägerin monatlich abgegebenen zusammenfassenden Anmeldungen vermerkte sie in diesen Fällen in dem für die Eintragung des Lagerhalters vorgesehenen Feld neben ihrem Namen und ihrer Anschrift "Weiterverkauf an Firma ...". Ferner vermerkte sie in den von ihr erstellten Abgabenberechnungen "Zollbeteiligter ist ..." sowie "Abgabenbelastung an Firma ...".

Im Anschluss an eine Außenprüfung kam der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) zu dem Ergebnis, dass die Klägerin die ermäßigten Zollsätze nicht habe in Anspruch nehmen dürfen und forderte deshalb von ihr ... DM Zoll nach. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage vor dem Finanzgericht (FG). Während des Klageverfahrens erstattete das HZA der Klägerin einen Teilbetrag des Zolls.

Das FG wies die Klage ab und führte zur Begründung aus, die Zollschuld sei durch die Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr entstanden. Die Klägerin sei Zollschuldnerin geworden, weil sie die Zollanmeldungen in eigenem Namen ohne Zusatz eines Vertretungsverhältnisses abgegeben habe. Daher habe die Abgabenvergünstigung nicht ihr, sondern den Inhabern der Einfuhrlizenzen zugestanden. Die Rechte und Pflichten aus dem Zolllagerverfahren seien nicht auf die Inhaber der Einfuhrlizenzen übertragen worden. Die Klägerin habe eine derartige Übertragung weder beantragt noch sei ihr diese bewilligt worden. Ein hierauf gerichteter Antrag könne auch nicht in den Vermerken der Klägerin in ihren zusammenfassenden Anmeldungen gesehen werden. Diese Vermerke habe die Klägerin vorgenommen, ohne zuvor mit der Zollstelle Kontakt aufgenommen und sie von Änderungen der Rechtsverhältnisse im Zolllager in Kenntnis gesetzt zu haben. Der Zeuge R, zuständiger Abteilungsleiter für die Ausfuhr bei der Klägerin, habe dem Zeugen S, der beim HZA für die Überprüfung der Abrechnungen zuständig gewesen sei, auf Nachfrage unzutreffenderweise mitgeteilt, die Rechte und Pflichten aus dem Zolllagerverfahren seien auf die Inhaber der Einfuhrlizenzen übertragen worden. Dies schließe es aus, dass die Vermerke der Klägerin als Antrag auf Bewilligung der Übertragung der Rechte und Pflichten aus dem Zolllagerverfahren hätten verstanden werden können. In Ermangelung eines derartigen Antrags habe das HZA eine solche Bewilligung auch nicht stillschweigend erteilen können.

Der Nacherhebung des Zolls stehe Art. 220 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 302/1) nicht entgegen, weil sich die Zollstelle weder bei der Entgegennahme noch bei der Bearbeitung der Anmeldungen der Klägerin geirrt habe. Das HZA habe erst durch die Außenprüfung davon erfahren, dass die Einfuhrlizenzen nicht auf die Klägerin als Anmelderin ausgestellt gewesen seien und dass die Rechte und Pflichten aus dem Zolllagerverfahren nicht auf die Inhaber der Einfuhrlizenzen übertragen worden seien. Jedenfalls habe die Klägerin einen etwaigen Irrtum der Zollstelle erkannt, weil der für sie handelnde Zeuge R einen solchen Irrtum erzeugt oder verstärkt habe. Auf dessen unzutreffende Mitteilung hin seien die Anmeldungen der Klägerin entgegengenommen und ihre Abgabenberechnungen gebilligt worden. Aus diesen Gründen sei die Klägerin weder gutgläubig gewesen noch habe sie alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Sie trägt vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil die Grenzen des Vertrauensschutzes im Interesse einer einheitlichen Anwendung des Rechts weiter geklärt und konkretisiert würden. Es gehe insbesondere darum, ob sich das HZA auf die formale Bedingung der Bewilligung des Zolllagers berufen könne, wonach Änderungen der Rechtsverhältnisse anzuzeigen gewesen seien. Das Urteil des FG beruhe überdies auf Verfahrensmängeln. Das FG habe nicht ihrem Antrag entsprochen, die Zeugin F zu vernehmen. Die Zeugin F habe bestätigen können, dass die Y-GmbH die Einfuhrabgaben selbst bezahlt habe und deshalb beim HZA keine Zweifel an deren Abgabenschuldnerschaft hätten bestehen können. Hätte das FG die Zeugin F vernommen, hätte es zu dem Ergebnis kommen können, dass sie im Namen der Inhaber der Einfuhrlizenzen gehandelt habe und dem HZA dies bekannt gewesen sei. Das FG habe seiner Entscheidung zudem nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt. Der Zeuge S habe nur bestätigt, er sei davon ausgegangen, dass die Rechte und Pflichten aus dem Zolllagerverfahren auf die Käufer übertragen worden seien. Hätte das FG die Aussage des Zeugen S richtig interpretiert und die Aussage des Zeugen R berücksichtigt, hätte es die Klage nicht abweisen dürfen. Die von ihr vorgetragene stillschweigende Übertragung der Rechte aus dem Zolllagerverfahren hätte als erwiesen angesehen werden müssen.

Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil in der Beschwerdeschrift ein Grund, der zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) führen könnte, nicht schlüssig dargelegt ist, wie dies § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert.

1. Für die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) muss der Beschwerdeführer eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen; erforderlich ist ferner ein substantiierter Vortrag, warum im Einzelnen die Klärung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Fortentwicklung des Rechts im allgemeinen Interesse liegt, also ein Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2002 VII B 66/01, BFH/NV 2002, 1308; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Mai 2002 VIII B 150/01, BFH/NV 2002, 1463).

Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht. Die Klägerin formuliert in ihrer Beschwerdebegründung keine abstrakte Rechtsfrage. Soweit sie geltend macht, es gehe insbesondere darum, ob sich das HZA auf die formale Bedingung der Bewilligung des Zolllagers berufen könne, handelt es sich nicht um eine abstrakte Rechtsfrage, sondern um eine lediglich für die Entscheidung des konkreten Streitfalls vermeintlich erhebliche Frage. Der Sache nach wendet sich die Klägerin damit gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung. Dies kann indessen nicht zur Zulassung der Revision führen, weil hiermit kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. Oktober 2000 III B 16/00, BFH/NV 2001, 202; vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476).

Die von der Klägerin in ihrem erst nach Ablauf der Frist für die Begründung der Beschwerde eingegangenen Schriftsatz vom 15. September 2003 sinngemäß aufgeworfene Frage, unter welchen Voraussetzungen die Rechte und Pflichten aus einem Zolllagerverfahren durch konkludentes Verhalten abgetreten werden könnten, kann nicht mehr berücksichtigt werden. Denn eine bis zum Ablauf der Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde fehlende Darlegung kann nicht mit der Wirkung nachgeholt werden, dass die Unzulässigkeit der Beschwerde nachträglich entfällt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. März 1988 V B 45/86, BFH/NV 1988, 511, 512; vom 29. Januar 1999 V B 130/98, BFH/NV 1999, 993).

In Ermangelung einer von der Klägerin innerhalb der Beschwerdefrist aufgeworfenen abstrakten Rechtsfrage kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache offenkundig ist.

2. Die Klägerin hat die von ihr gerügten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) gleichfalls nicht schlüssig dargelegt.

a) Zur schlüssigen Darlegung einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG durch das Übergehen eines Beweisantrags (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) gehört insbesondere der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (vgl. BFH-Beschluss vom 17. November 1997 VIII B 16/97, BFH/NV 1998, 608; Senatsbeschluss vom 15. November 2001 VII B 40/01, BFH/NV 2002, 373, 376). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter --ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge-- verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung --ZPO--), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust, so z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, zur Folge. Die nächste mündliche Verhandlung i.S. des § 295 Abs. 1 ZPO kann auch die sich unmittelbar an die Beweisaufnahme bzw. den Verfahrensfehler anschließende Verhandlung sein (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Januar 1989 VII B 162/88, BFHE 155, 498, 500, BStBl II 1989, 372, 373; BFH-Beschluss vom 5. Februar 2002 IX B 175/01, BFH/NV 2002, 793).

Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem FG das Unterlassen der Vernehmung der von ihr schriftsätzlich benannten Zeugin F durch ihren fachkundigen Prozessbevollmächtigten gerügt hat. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung erhielt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nach der Vernehmung der vom FG geladenen Zeugen Gelegenheit, zum Ergebnis der Beweisaufnahme sowie zur Sach- und Rechtslage Stellung zu nehmen. Dabei hat er seinen schriftsätzlich angekündigten Beweisantrag nicht ausdrücklich wiederholt. Der Vorsitzende des Senats des FG hat die mündliche Verhandlung sodann geschlossen. Die Klägerin hat bis zu diesem Zeitpunkt die Aufmerksamkeit des Gerichts nicht auf ihren schriftsätzlich angekündigten Beweisantrag gelenkt oder das Übergehen gerügt.

Es sind keine Gründe dafür erkennbar, dass die rechtzeitige Rüge des behaupteten Verfahrensfehlers auf Grund des Verhaltens des FG nicht möglich gewesen wäre. Dies gilt auch, soweit die Klägerin behauptet, das Urteil des FG sei für sie überraschend gewesen, weil der Vorsitzende des Senats des FG den Vertreter des HZA nach Abschluss der Beweisaufnahme gefragt habe, was er von "so einer Verwaltungspraxis" halte. Sollte dies zutreffen, hätte der Vorsitzende des Senats des FG damit jedenfalls nicht zum Ausdruck gebracht, dass auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme mit einem stattgebenden Urteil zu rechnen sei. Dem Vorbringen der Klägerin lässt sich zudem entnehmen, dass sie nur wegen ihrer Einschätzung des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht auf einer Vernehmung der Zeugin F bestanden hat.

b) Die Klägerin hat einen Verfahrensmangel gleichfalls nicht schlüssig dargelegt, soweit sie geltend macht, das FG habe die Aussage des Zeugen S nicht richtig interpretiert und die Aussage des Zeugen R unberücksichtigt gelassen. Die schlüssige Rüge einer fehlerhaften Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) setzt die Darlegung des Beschwerdeführers voraus, dass die seiner Ansicht nach nicht berücksichtigten Tatsachen oder Beweismittel auch auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG für dessen Entscheidung erheblich waren (vgl. BFH-Beschlüsse vom 12. September 1996 X B 76/96, BFH/NV 1997, 246; vom 28. Mai 1998 III B 5/98, BFH/NV 1998, 1352, 1353; vom 2. Juni 1998 XI B 83/97, BFH/NV 1999, 53, 54).

Das FG hat ausgeführt, das HZA habe in Ermangelung eines dahin gehenden Antrags die Übertragung der Rechte und Pflichten aus dem Zolllagerverfahren auch nicht stillschweigend bewilligen können. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der Aussage des Zeugen R der vom FG vermisste Antrag entnommen werden konnte. Sie trägt im Gegenteil vor, der Zeuge R habe ausgesagt, eine Übertragung der Rechte und Pflichten aus dem Zolllagerverfahren sei in dem Gespräch mit dem Zeugen S weder beantragt noch angesprochen worden. Soweit sich die Klägerin gegen die ihrer Ansicht nach fehlerhafte Würdigung der Aussage des Zeugen S durch das FG wendet, macht sie keinen Verfahrensfehler geltend, weil ein derartiger Angriff revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1997, 246; vom 25. Januar 2000 VI B 384/98, BFH/NV 2000, 868).

Ende der Entscheidung

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