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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 10.03.2005
Aktenzeichen: VII B 214/04
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 130 Abs. 2 Nr. 4
AO 1977 § 270
AO 1977 § 118 Satz 1
AO 1977 § 130
AO 1977 § 268 ff.
AO 1977 § 279 Abs. 1 Satz 1
AO 1977 § 218 Abs. 2
AO 1977 § 37 Abs. 2
AO 1977 § 130 Abs. 2 Nr. 4
FGO § 60 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wendet sich in diesem Verfahren dagegen, dass sie den wesentlichen Teil des ihr aufgrund der Einkommensteuerveranlagung 1982 bis 1989 erstatteten Betrages an den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) zurückzahlen soll. Dem Streit liegt im Einzelnen Folgendes zugrunde:

Die Klägerin war mit dem Beigeladenen in den Streitjahren verheiratet. Nachdem sie 1996 bemerkt hatte, dass aufgrund geänderter Einkommensteuerbescheide für diese Jahre vom 4. Mai 1993 den Eheleuten ein Einkommensteuer-Erstattungsguthaben von insgesamt rd. 19 000 DM zustand, wandte sie sich mit Schreiben vom 21. Oktober 1996 an das FA und bat um die Auszahlung der Hälfte dieses Erstattungsbetrages. Das FA beantwortete dieses Schreiben durch an die anwaltlichen Vertreter der Klägerin gerichtetes Schreiben vom 26. Februar 1997, mit dem es eine Übersicht der Erstattungsbeträge übersandte, die angeblich auf die Klägerin entfielen (Einkommen- und Kirchensteuer 1982 bis 1989), und aufgrund dessen es kurz darauf an die Klägerin den angeblich auf sie entfallenden Erstattungsbetrag von insgesamt 58 605 DM auszahlte.

Erst mit Schreiben vom 13. November 2000 teilte das FA diese Berechnungen auch dem Beigeladenen mit und forderte ihn dabei auf, die nach deren Maßgabe zu seinen Lasten rückständigen Steuern zu entrichten. Dagegen erhob der Beigeladene Einspruch. Am 13. November 2001 erließ das FA einen Bescheid über die Aufteilung des Erstattungsbetrages; es ging dabei davon aus, dass dieser Bescheid den Bescheid vom 26. Februar 1997 gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 4 der Abgabenordnung (AO 1977) ändere, und wies in ihm zu Gunsten der Klägerin einen Erstattungsbetrag (Einkommen- und Kirchensteuer sowie Zinsen) von nur noch 6 097,31 DM aus, den das FA nach dem Verhältnis der zu Lasten der beiden Eheleute einbehaltenen Lohnsteuern errechnet hatte. Der Bescheid wurde sowohl der Klägerin als auch dem Beigeladenen bekannt gegeben. Mit Bescheid vom folgenden Tage forderte das FA von der Klägerin die Differenz zu dem ihr bereits ausgezahlten, vermeintlichen Erstattungsbetrag, mithin 52 508,42 DM als ohne rechtlichen Grund geleistet zurück. Die Beteiligten legten gegen den Aufteilungsbescheid vom 13. November 2001 beide Einspruch ein, welchen der Beigeladene jedoch später zurücknahm. Der Einspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen, wogegen diese Klage erhob. Während des Klageverfahrens ergingen erneut geänderte Einkommensteuerbescheide, nachdem für 1984 bis 1989 eine getrennte Veranlagung der Eheleute durchgeführt worden war und sich der Erstattungsbetrag dadurch auf rd. 7 000 DM vermindert hatte. Das FA trug dem dadurch Rechnung, dass es auch seinen Aufteilungsbescheid änderte, nämlich durch den Bescheid vom 17. Dezember 2002, gegen den sich die in diesem Verfahren anhängige Klage richtet.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 13 veröffentlichte Urteil abgewiesen. Es urteilte, das FA habe seinen Bescheid vom 26. Februar 1997, in dem es "unter Heranziehung der Grundsätze des § 270 AO 1977" einen Erstattungsanspruch zu Gunsten der Klägerin und eine Steuernachzahlung zu Lasten des Beigeladenen errechnet habe, beiden Beteiligten bekannt geben müssen. Da es dies nicht getan habe, sei der Bescheid dem Kläger gegenüber (gemeint: dem Beigeladenen gegenüber) zunächst nicht wirksam geworden. Erst durch die Übermittlung des Bescheides am 13. November 2000 sei dieser gegenüber dem Beigeladenen wirksam geworden. Infolge des von dem Beigeladenen eingelegten Einspruches sei er aber nicht bestandskräftig geworden. Das FA habe vielmehr im Einspruchsverfahren einheitlich gegenüber beiden Beteiligten eine wirksame Entscheidung dadurch bewirkt, dass es ihnen einen geänderten Aufteilungsbescheid vom 13. November 2001 bekannt gegeben habe. Dieser Bescheid teile --in der Fassung vom 17. Dezember 2002-- den Erstattungsbetrag zutreffend auf, so dass er rechtmäßig sei.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

II. Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil das FG im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen hat und daher eine Revision gegen sein Urteil nicht zum Erfolg führen könnte (§ 126 Abs. 4 FGO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist folglich die Revision nicht zuzulassen (vgl. u.a. BFH-Beschlüsse vom 26. Februar 1997 IV B 105/96, BFH/NV 1997, 679, und vom 8. Januar 1998 VII B 102/97, BFH/NV 1998, 729).

Das FG ist in seinem Urteil davon ausgegangen, dass das Schreiben des FA vom 26. Februar 1997 eine bestandskraftfähige Entscheidung über die Aufteilung des den zusammen veranlagten Beteiligten zustehenden Erstattungsbetrages enthalte, also einen Verwaltungsakt i.S. des § 118 Satz 1 AO 1977 darstelle, und dass diese Entscheidung den vorgenannten Beteiligten gegenüber nur einheitlich ergehen konnte, so dass sie allein durch Bekanntgabe gegenüber der Klägerin und Ablauf der dadurch ausgelösten Rechtsbehelfsfrist zwar wirksam, aber nicht bestandskräftig werden konnte. Dabei war --ebenso wie offenbar den Beteiligten-- dem FG die Verwaltungsakt-Qualität vorgenannten Schreibens so selbstverständlich, dass es sich dazu jeglicher Begründung meinte enthalten zu können, obwohl allerdings zumindest die äußere Gestalt des Schreibens des FA wenig dafür hergibt, dass das FA mit ihm eine "Entscheidung" treffen, den der Klägerin zustehenden Erstattungsanspruch (feststellend) "regeln" und dieser Regelung unmittelbare Rechtswirkung gegenüber der Klägerin beimessen wollte (zu diesen Anforderungen an einen Verwaltungsakt vgl. § 118 Satz 1 AO 1977).

Ob das Schreiben des FA gleichwohl einen Verwaltungsakt darstellt und folglich nur unter den Voraussetzungen des § 130 AO 1977 geändert werden konnte, mag jedoch auf sich beruhen. Denn unzutreffend ist jedenfalls die weitere Annahme des FG, dieser angebliche Verwaltungsakt enthalte eine Entscheidung, die der Klägerin und dem Beigeladenen gegenüber nur einheitlich habe getroffen werden können. Das FG hat sich dafür auf die Rechtsprechung des BFH berufen, die bei einem Aufteilungsbescheid nach §§ 268 ff. AO 1977 die Notwendigkeit einer solchen einheitlichen Entscheidung annehme; diese Grundsätze seien hier entsprechend anzuwenden. Dem kann indes nicht gefolgt werden.

Um einen Aufteilungsbescheid im vorgenannten Sinne handelte es sich --was das FG allerdings auch nicht übersehen hat-- im Streitfall offenkundig nicht. Denn es geht nicht um die Beschränkung der Vollstreckung gegen Personen, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sind und deshalb für die festgesetzte Steuer gesamtschuldnerisch einzustehen haben (vgl. §§ 268, 279 Abs. 1 AO 1977), sondern gleichsam umgekehrt darum, dass gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagte Personen von dem FA eine Erstattung von ihnen erbrachter steuerlicher Leistungen zu beanspruchen haben und der aufgrund der gemeinsamen Veranlagung notwendigerweise einheitlich ausgewiesene Erstattungsbetrag dem einen oder anderen oder beiden in einem bestimmten Verhältnis gutgeschrieben werden muss. Diese wesentliche Verschiedenartigkeit der im Streitfall vom FA (angeblich) getroffenen Regelung schließt es von vornherein aus, § 279 Abs. 1 Satz 1 AO 1977, in dem die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung über die Aufteilung von Gesamtschuldnern geschuldeter Einkommen- (oder Vermögen-)Steuer ausdrücklich vorgeschrieben ist, "entsprechend" im Streitfall anzuwenden.

Die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung über den einerseits der Klägerin, andererseits dem Beigeladenen zustehenden Erstattungsanspruch ergibt sich auch nicht anderweit. Es gibt keine ausdrückliche steuergesetzliche Regelung, dass in einem Fall wie dem vorliegenden über die Erstattung gegenüber den zusammen veranlagten Eheleuten einheitlich zu entscheiden sei. Die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung könnte sich mithin nur daraus ergeben, dass ein Bescheid, der der Klägerin einen bestimmten Teil des Erstattungsanspruches zuweist, notwendigerweise mit unmittelbarer rechtlicher Wirkung gegenüber dem Beigeladenen im entsprechenden Umfang dessen Erstattungsanspruch negiert (vgl. dazu Rechtsprechung und Schrifttum zu dem Begriff der Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung in § 60 Abs. 3 FGO, z.B. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 60 Rdnr. 23). Eine solche unmittelbare rechtliche Wirkung auf die Rechtsposition des Beigeladenen hat jedoch eine Entscheidung, die der Klägerin einen bestimmten Erstattungsanspruch zuspricht, nicht.

Zwischen dem der Klägerin und dem Beigeladenen zustehenden Erstattungsanspruch besteht freilich ein sachlogischer und rechnerischer Zusammenhang, weil sich begreift, dass bei richtiger Handhabung beiden zusammen nicht mehr als 100 % der in den Zusammenveranlagungsbescheiden durch Anrechnung der von den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einbehaltenen Lohnsteuer festgestellten Erstattungsbeträge erstattet werden dürfen. Das reicht jedoch, wie der beschließende Senat bereits in seinem Beschluss vom 11. Januar 1994 VII B 100/93 (BFHE 173, 207, BStBl II 1994, 405) im Hinblick auf geleistete Vorauszahlungen für die Anwendung des § 60 Abs. 3 FGO entschieden hat, nicht aus, um die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung gegenüber den Ehegatten zu begründen. Über Steuerschulden und Guthaben von Steuerpflichtigen wird vielmehr im Steuererhebungsverfahren, in dem sich der diesem Verfahren zugrunde liegende Streit entwickelt hat, grundsätzlich gegenüber jedem Steuerpflichtigen gesondert und einzeln entschieden, auch wenn mehrere Steuerpflichtige im Steuerfestsetzungsverfahren bei Zusammenveranlagung von Eheleuten als Einheit behandelt worden sind und daher die festgesetzte Steuer als Gesamtschuldner schuldeten.

Das Schreiben des FA von 1997 betraf mithin rechtlich allein die Klägerin. Dass es ihr einen Erstattungsanspruch zusprach, der in dieser Höhe nicht bestand, ist nach dem vom FG festgestellten Inhalt der damals vorliegenden Steuerbescheide offenkundig und zwischen den Beteiligten auch nicht strittig. Die an die Klägerin nach Maßgabe der damals vom FA angestellten Berechnungen geleisteten Zahlungen sind also ohne materiell-rechtlichen Grund erfolgt; der der Klägerin tatsächlich zustehende Erstattungsanspruch ist erst in dem sog. Aufteilungsbescheid vom 13. November 2001, der in Wahrheit ein Abrechnungsbescheid i.S. des § 218 Abs. 2 AO 1977 ist, richtig ausgewiesen. Der darüber hinaus vom FA an die Klägerin ausgekehrte Betrag kann folglich nach § 37 Abs. 2 AO 1977 zurückgefordert werden --wie es in dem Bescheid, der Gegenstand des vor dem beschließenden Senat anhängigen Verfahrens VII B 215/04 ist, auch tatsächlich geschehen ist--, sofern man nicht --wie die Beschwerde meint-- in dem Schreiben vom 26. Februar 1997 hierfür ein (verfahrens-)rechtliches Hindernis sehen muss. Ein solches Hindernis stellte dieses Schreiben von 1997 indes sogar dann nicht dar, wenn es einen Verwaltungsakt darstellen sollte.

Denn dieser Verwaltungsakt, den offenbar auch das FA in seinem Schreiben meint sehen zu müssen, könnte vom FA nach § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO 1977 zurückgenommen werden und ist von ihm auch zurückgenommen worden. Nach dieser Vorschrift kann nämlich ein begünstigender Verwaltungsakt zurückgenommen werden, wenn seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war. Die Kenntnis und die Erkenntnismöglichkeiten eines Vertreters sind dem Begünstigten dabei zuzurechnen (vgl. Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 130 Rdnr. 47). Es mag dahinstehen, ob die Klägerin oder zumindest ihr anwaltlicher Vertreter 1997 erkannt haben, dass das FA der Klägerin ein Vielfaches dessen erstattet hat, was ihr nach dem Inhalt der für die betroffenen Streitjahre ergangenen Steuerbescheide an Steuererstattung tatsächlich zustehen konnte. Denn jedenfalls hätten die Klägerin und allemal ihr fachkundiger Vertreter dies erkennen müssen.

Die Bescheide wiesen nämlich zu Gunsten der Eheleute einen Erstattungsbetrag von insgesamt rd. 20 000 DM aus. Das hatten die Klägerin und ihr anwaltlicher Vertreter auch erkannt, denn sie selbst hatten in dem an das FA gerichteten Schreiben vom 21. Oktober 1996, auf das sich das FA in seinem Schreiben vom 26. Februar 1997 bezogen hat, nur die Auskehrung der Hälfte des vorgenannten Betrages begehrt. Wenn die Klägerin dann gleichwohl, und zwar kurz darauf, einen etwa sechsmal größeren Betrag vom FA erhielt, konnte sie nicht ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen, hiermit habe es seine Richtigkeit. Dass daher nicht ernstlich die Frage gestellt werden kann, ob die Klägerin sich gegenüber der vom FA später vorgenommenen zutreffenden Abrechnung des Erstattungsbetrages und gegenüber der Rückforderung der zuviel gezahlten Beträge möglicherweise auf Vertrauensschutz berufen kann, bedarf ungeachtet dessen, ob dafür neben § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO 1977 Raum wäre, keiner weiteren Ausführung.

Es kann nach alledem dahinstehen, ob sich die in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Rechtsfragen stellen würden, wenn dem FG im rechtlichen Ausgangspunkt gefolgt werden könnte, dass das Schreiben des FA vom 26. Februar 1997 eine bestandskraftfähige Entscheidung enthält, die den Beteiligten gegenüber nur einheitlich ergehen konnte, und ob jene Rechtsfragen der Klärung in einem Revisionsverfahren bedürften.



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