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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 20.09.2002
Aktenzeichen: VII B 224/02
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) führte Elektro-Laufbänder ein und ließ diese beim Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--) in den zollrechtlich freien Verkehr überführen. Die mit einem Elektromotor angetriebenen Laufbänder mit Transportrollen verfügen über Geräte, die Geschwindigkeit, Trainingszeit und Strecke anzeigen. Ferner lassen sich mit einer Steuerung unterschiedliche Programme aufrufen. Derartige Laufbänder werden in Wohnungen, Praxen, Hotels und Fitness-Clubs verwendet.

Das HZA reihte die Laufbänder als Geräte für die allgemeine körperliche Ertüchtigung in die Unterpos. 9506 91 00 der Kombinierten Nomenklatur (KN) ein und setzte auf dieser Grundlage die Einfuhrabgaben mit elf Bescheiden gegen die Klägerin fest.

Nach erfolglosen Einsprüchen erhob die Klägerin Klage vor dem Finanzgericht (FG), mit der sie begehrte, die Einfuhrabgaben auf der Grundlage einer Einreihung der Laufbänder in die Unterpos. 9019 10 90 KN als Geräte für Mechanotherapie festzusetzen.

Das FG wies die Klage ab und bestätigte die Einreihung durch das HZA. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, die streitgegenständlichen Waren seien als Geräte für die allgemeine körperliche Ertüchtigung in die Pos. 9506 KN einzureihen. Eine Einreihung in die Pos. 9019 KN komme nicht in Betracht. Geräte für die Mechanotherapie seien nach Anm. 1 Buchst. k zu Kap. 90 KN dann nicht der Pos. 9019 KN zuzuordnen, wenn es sich auch um solche zur allgemeinen körperlichen Ertüchtigung handele. Dies werde durch die Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) zu Pos. 9019 Rz. 02.0 bestätigt, wonach Apparate und Geräte der Mechanotherapie hauptsächlich zum Behandeln von Erkrankungen der Gelenke und Muskeln verwendet würden. Wenn auch Laufbänder in der beispielhaften Aufzählung der ErlHS zu Pos. 9506 Rz. 03.0 noch nicht ausdrücklich aufgeführt seien, so seien sie gleichwohl dem Bereich der "Ruder-, Radfahrer- und andere Übungsgeräte" zuzuordnen. Mittlerweile seien "Laufbänder" dort genannt. In die Pos. 9019 KN könnten demnach nur solche Geräte eingereiht werden, die zielgerichtet der Behandlung von Erkrankungen an Gelenken und Muskeln dienen würden. Geräte der medizinischen Gymnastik, die allgemein zur Vorbeugung gegen Erkrankungen geeignet seien, seien nicht der Pos. 9019 KN zuzuordnen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Sie trägt vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil das FG das maßgebliche Recht fehlerhaft angewendet habe. Dabei komme der Frage grundsätzliche Bedeutung zu, ob ein Gerät, das prinzipiell als Ware der Pos. 9019 KN anzusehen sei, deshalb nicht in diese Position einzureihen sei, weil es gleichzeitig der Pos. 9506 KN zuzuordnen sei. Das FG habe im Widerspruch zu den ErlHS angenommen, dass die Laufbänder in die Pos. 9506 KN einzureihen seien, weil sie zumindest auch für die körperliche Ertüchtigung geeignet seien. Dies führe jedoch dazu, dass die Pos. 9019 KN niemals in Betracht komme. Denn jedes Gerät für die Mechanotherapie könne gleichzeitig der allgemeinen körperlichen Ertüchtigung dienen. Die von ihr eingeführten Laufbänder seien gerade für die Mechanotherapie konzipiert. Apparate und Geräte, die ausschließlich der Mechanotherapie dienen würden, gebe es nicht. Rechtsfehlerhaft sei zudem, dass das FG nicht festgestellt habe, seit wann Laufbänder in den ErlHS als Waren der Pos. 9506 KN aufgeführt seien.

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) nicht in einer den Anforderungen entsprechenden Weise dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Geht es in einer Zolltarifsache allein darum, ob die Zollverwaltung eine Ware zutreffend in den Zolltarif (Harmonisiertes System --HS-- oder KN) eingereiht hat oder ob die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers die richtige ist, beschränkt sich also die Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zukommen soll, auf die Frage der zutreffenden Tarifierung, so kommt, wie der Senat in seinem die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) betreffenden Beschluss vom 11. Februar 2002 VII B 136/01 (BFH/NV 2002, 867, 868) eingehend ausgeführt hat, der Klärungsbedürftigkeit der Tarifierungsfrage und ihrer ausreichenden Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) entscheidende Bedeutung zu (vgl. auch die gleichfalls jeweils eine vZTA betreffenden Senatsbeschlüsse vom 11. April 2002 VII B 134/01, BFH/NV 2002, 1062, und vom 22. April 2002 VII B 142/01, BFH/NV 2002, 1183, 1184). Hat das FG die Tarifauffassung der Zollverwaltung bestätigt, muss der Beschwerdeführer unter Heranziehung der zu dieser Frage ggf. vorhandenen Literatur und Rechtsprechung der europäischen und der nationalen Gerichte sowie der einschlägigen Zolltarifmaterialien (Avise, Erläuterungen u.a.), ggf. auch unter Vorlage abweichender vZTA aus anderen Mitgliedstaaten, Zweifel an dieser Einreihung der Ware erwecken und aufzeigen, aus welchen Gründen seiner abweichenden Tarifauffassung möglicherweise der Vorzug vor der in der vZTA zu Grunde gelegten Tarifauffassung gegeben werden könnte. Gewisse Mindestdarlegungen in dieser Richtung sind auch deswegen unabdingbar, um dem Bundesfinanzhof (BFH) als Beschwerdegericht die Prüfung der Frage zu ermöglichen, ob sich ggf. Auslegungszweifel oder Gültigkeitsbedenken in Bezug auf das anzuwendende gemeinschaftliche Zolltarifrecht ergeben könnten, die zur Zulassung der Revision schon deshalb zwängen, weil im Revisionsverfahren voraussichtlich eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) nach Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft einzuholen wäre.

a) Diese Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache gelten entsprechend, wenn maßgeblicher Streitpunkt des Verfahrens die Einreihung einer Ware in die KN ist. Zwar fehlt es in einem solchen Fall an einer über den nationalen Bereich hinausreichenden Rechtswirkung einer vZTA gemäß Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (ZK) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 302/1). Gleichwohl kann einer eine bestimmte Tarifauffassung bestätigenden oder korrigierenden finanzgerichtlichen Entscheidung rein faktisch bereits deshalb eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommen, weil sie regelmäßig von der Zollverwaltung zumindest im nationalen Bereich bei Einfuhren entsprechender Waren berücksichtigt wird. Daher hält es der Senat für gerechtfertigt, in einem solchen Fall keine strengeren Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung zu stellen als in dem Fall der Anfechtung einer vZTA.

b) Im Streitfall hat die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung im Wesentlichen vorgebracht, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage liege darin, ob ein Gerät, das prinzipiell als Ware der Pos. 9019 KN anzusehen sei, deshalb nicht in diese Position einzureihen sei, weil es gleichzeitig der Pos. 9506 KN zuzuordnen sei. Mit diesem Vorbringen kann die Klägerin indessen keine Zweifel an der Einreihung der von ihr eingeführten Laufbänder durch das FG erwecken. Die Klägerin setzt sich in ihrer Beschwerdebegründung nicht mit der Ausweisungsvorschrift der Anm. 1 Buchst. k zu Kap. 90 KN auseinander, auf die das FG seine Entscheidung maßgeblich gestützt hat. Die Klägerin macht lediglich geltend, das FG habe das maßgebliche Recht fehlerhaft angewendet. Sie hat jedoch nicht nachvollziehbar aufgezeigt, warum der von ihr vertretenen Tarifauffassung der Vorzug vor derjenigen des FG gegeben werden könnte. Insbesondere hat sie nicht unter Heranziehung der einschlägigen Zolltarifmaterialien (Avise, Erläuterungen u.a.) dargelegt, warum eine nach der Anm. 1 Buchst. k zu Kap. 90 KN vorrangige Einreihung der Laufbänder in die Pos. 9506 KN ausscheiden soll. Darüber hinaus hat die Klägerin den von ihr behaupteten Widerspruch der vom FG vertretenen Tarifauffassung zu den ErlHS nicht nachvollziehbar dargelegt. Sie hat nicht aufgezeigt, dass die ErlHS Bestimmungen enthalten, die den Anwendungsbereich der Ausweisungsvorschrift der Anm. 1 Buchst. k zu Kap. 90 KN entgegen der vom FG vertretenen Auffassung einschränken. Allein der Hinweis darauf, dass das FG nicht festgestellt habe, seit wann Laufbänder in den ErlHS als Waren der Pos. 9506 KN aufgeführt seien, vermag den behaupteten Widerspruch nicht zu begründen.

2. Unbeschadet dessen teilt der Senat die vom FG vertretene Tarifierungsauffassung. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass Anm. 1 Buchst. k zu Kap. 90 KN einer Einreihung der von der Klägerin eingeführten Laufbänder in die Pos. 9019 KN entgegensteht. Hiernach gehören zu Kap. 90 KN nicht Waren des Kap. 95 KN. Die in Rede stehenden Laufbänder stellen sich jedoch klar als Geräte für die allgemeine körperliche Ertüchtigung dar, die von der Unterpos. 9506 91 00 KN erfasst werden. Bestätigt wird die vom FG vertretene Tarifierungsauffassung zudem durch die ErlHS zu Pos. 9019 Rz. 02.0 (vgl. zur Heranziehbarkeit der ErlHS und ErlKN bei der Auslegung der KN etwa: EuGH, Urteil vom 10. Mai 2001 Rs. C-288/99, EuGHE 2001, I-3683, 3725). Hiernach dürfen die Apparate und Geräte für Mechanotherapie nicht mit den üblichen Geräten der Gymnastik oder medizinischen Gymnastik verwechselt werden, die man zu Hause oder in Spezialinstituten benutzt.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass derartige Waren als Übungsgeräte mit Systemen zum Einstellen unterschiedlicher Belastungen nunmehr ausdrücklich in der Unterpos. 9506 91 10 KN in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2263/2000 der Kommission vom 13. Oktober 2000 (ABlEG Nr. L 264/1) --KN 2001-- genannt sind. Diese Änderung der KN ist lediglich klarstellender Natur; eine Rechtsänderung ist damit nicht verbunden. Entsprechend ordnen die ErlKN zu Pos. 9506 Rz. 26.2 (Stand: 31. März 2001; vgl. hierzu die Bekanntmachung der Kommission 2001/C 102/06 vom 31. März 2001, ABlEG Nr. C 102/9) Laufbänder, bei denen der Benutzer mit Hilfe eines Mechanismus die gewünschte Belastung einstellen kann, der Unterpos. 9506 91 10 KN zu. Gerade diese Eigenschaften weisen die von der Klägerin eingeführten Laufbänder nach den Feststellungen des FG auf.

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