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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 11.07.2000
Aktenzeichen: VII B 23/00
Rechtsgebiete: VwVfG, FGO, HGB, VO Nr. 3665/87, BFHEntlG


Vorschriften:

VwVfG § 48 Abs. 2 Satz 2
VwVfG § 48 Abs. 4
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 115 Abs. 3 Satz 1
HGB § 408
VO Nr. 3665/87 Art. 18 Abs. 3
VO Nr. 3665/87 Art. 16 Abs. 1
VO Nr. 3665/87 Art. 7
VO Nr. 3665/87 Art. 18 Abs. 4
VO Nr. 3665/87 Art. 17
VO Nr. 3665/87 Art. 47 Abs. 4
BFHEntlG Art. 1 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ließ sich in der Zeit vom 21. bis 26. März 1991 13 Kontrollexemplare T5 für insgesamt 484 lebende Rinder, andere als reinrassige Zuchttiere, der Marktordnungs-Warenlistennummern 0102 9035 9000 und 0102 9037 9000 zum Zweck der Ausfuhr nach Jordanien erteilen. Außerdem führte die Klägerin in diesem Zeitraum 70 Zuchtrinder nach Jordanien aus. Zu ihren insoweit beim Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--) gestellten Erstattungsanträgen legte die Klägerin Beförderungspapiere für Teilstrecken vor. Nachdem die Klägerin auch jordanische Zollbescheinigungen vorgelegt hatte, gewährte das HZA mit 13 Bescheiden vom 24. April 1992 für die Ausfuhrsendungen mit anderen als reinrassigen Zuchttieren Ausfuhrerstattungen nach dem für Jordanien geltenden Erstattungssatz sowie mit zwei Bescheiden vom 23. Juli 1991 Ausfuhrerstattungen für die Ausfuhrsendungen mit Zuchtrindern. Später verlangte das HZA mit Schreiben vom 21. April 1993 die Vorlage der noch für eine Teilstrecke (von T nach A) fehlenden Beförderungspapiere; eine von der Fa. G übersandte nicht datierte Aufstellung einer syrischen Fa. I über einen Transport von 607 Rindern mit 16 mit Nummern und Fahrern bezeichneten LKW nach Jordanien erkannte das HZA nicht an. Mit Rückforderungs- und Zinsbescheid vom 4. Januar 1994 forderte das HZA unter Rücknahme der in einer Anlage einzeln aufgeführten 15 Bescheide die gewährte Ausfuhrerstattung zurück. Auf den Einspruch der Klägerin hin nahm das HZA den Rückforderungsbescheid hinsichtlich der für die Zuchtrinder gewährten Ausfuhrerstattungen zurück, so dass sich der Rückforderungsbetrag auf noch ... DM belief. Im Übrigen wies das HZA den Einspruch zurück (Einspruchsentscheidung vom 5. März 1998). Die gegen den Rückforderungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte im Einzelnen aus, dass die Voraussetzungen für die Rückforderung der Ausfuhrerstattung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) gegeben seien. Die Klägerin habe innerhalb der dafür vorgesehenen Frist die Beförderungspapiere für den zurückgelegten Transportweg nicht --wie in Art. 18 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (VO Nr. 3665/87) der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 351/1) vorgeschrieben-- vollständig vorgelegt. Es fehlten die Beförderungspapiere für den Transportweg von T nach A. Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 verlange die Vorlage der Beförderungspapiere neben dem Nachweis der Erfüllung der Zollförmlichkeiten gemäß Art. 18 Abs. 1 und 2 VO Nr. 3665/87. Da die Wahrung der Identität der im Bestimmungsland angekommenen Waren mit den ausgeführten und im Kontrollexemplar erfassten Waren gemäß Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 nur durch das Beförderungspapier nachgewiesen werden könne, sei die Ersetzung dieses Papiers durch die vorgelegte Aufstellung der syrischen Fa. I nicht möglich. Gegenüber der Rückforderung könne sich die Klägerin nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil sie die Rechtswidrigkeit der Erstattungsbescheide habe kennen müssen (§ 10 Abs. 1 MOG i.V.m. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes --VwVfG--). Der Klägerin sei auch die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung nach § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG verwehrt. Das HZA habe schließlich die Frist gemäß § 48 Abs. 4 VwVfG nicht versäumt.

II. Die Beschwerde, mit der die Klägerin die Zulassung der Revision gegen das Urteil des FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) begehrt, hat keinen Erfolg, weil die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Klägerin im Übrigen keine weitere Rechtsfrage formuliert hat, der sie grundsätzliche Bedeutung beimisst.

1. a) Soweit die Klägerin überhaupt eine Rechtsfrage, nämlich die Frage, was als Beförderungspapier i.S. von Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 anzusehen sei, insbesondere ob ein Papier, welches die Bestätigung des Transportes unter Angabe aller wesentlichen für einen Transport maßgebenden Elemente beinhaltet, ein solches Dokument darstelle, formuliert hat, ist zwar schon zweifelhaft, ob sie deren grundsätzliche Bedeutung hinreichend dargelegt hat (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Denn dazu gehört, dass die Klägerin innerhalb der Beschwerdefrist (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) ausführt, weshalb die Rechtsfrage über den Einzelfall hinaus aus rechtssystematischen Gründen bedeutsam und für die einheitliche Rechtsanwendung im Interesse der Allgemeinheit Bedeutung hat. Diesen Anforderungen werden Ausführungen nicht gerecht, die sich nur mit der angeblichen Unrechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheides befassen und im Übrigen lediglich die Behauptung aufstellen, die Frage sei von grundsätzlicher Bedeutung für das gesamte Erstattungsrecht und werde im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) im Sinne der Klägerin entschieden.

b) Abgesehen von diesen Bedenken hat die Rechtsfrage aber deswegen keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie offensichtlich nur so entschieden werden kann, wie das FG es getan hat (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 9, m.w.N.).

aa) Bei dem in Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 verwendeten Begriff "Beförderungspapier", dessen Vorlage in Kopie oder Fotokopie als Voraussetzung für die Zahlung der differenzierten Erstattung verlangt wird (Art. 16 Abs. 1 VO Nr. 3665/87), kann es sich, anders als die Klägerin meint, nur um die Urkunde handeln, die über den den Transport betreffenden Frachtvertrag ausgestellt worden ist. Damit ist nur ein Frachtpapier gemeint, das z.B. in Deutschland als Frachtbrief i.S. von § 408 des Handelsgesetzbuchs (HGB) geregelt ist.

Nicht darunter ist ein Sekundärpapier zu verstehen, das von einem nicht an dem Frachtvertrag beteiligten Dritten ausgestellt ist und die Durchführung eines bestimmten Transports nur bezeugt. Das ergibt sich eindeutig aus der Verwendung des Begriffs "Beförderungspapier" in Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87, der allgemein nur in dem bezeichneten Sinne verstanden wird und keiner über diese Bedeutung hinausgehenden Auslegung zugänglich ist.

Im gleichen eindeutigen Sinne wird der Begriff auch in anderen Vorschriften der VO Nr. 3665/87 verwendet (Art. 7 Abs. 4, Art. 19 Abs. 1, Art. 42 Abs. 3, Art. 43 Abs. 4, Art. 47 Abs. 3 VO Nr. 3665/87). So handelt es sich z.B. bei dem in Art. 7 VO Nr. 3665/87 genannten Beförderungspapier um den Frachtbrief CIM im Eisenbahnverkehr (vgl. Art. 414 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften --ZKDVO--, ABlEG Nr. L 253/1) bzw. den Übergabeschein TR im Verkehr mit Großbehältern (vgl. Art. 428 ZKDVO). Daraus wird ebenfalls deutlich, dass mit dem Beförderungspapier allgemein nur die über den Frachtvertrag ausgestellte Urkunde gemeint sein kann. In zahlreichen anderen Gemeinschaftsverordnungen wird dieser Begriff in gleicher Bedeutung verwendet (vgl. z.B. nur Art. 312, Art. 314 Abs. 1, Art. 317 Abs. 2 ZKDVO), ohne dass irgendwelche Zweifel daran bestünden, wie er zu verstehen ist. Deshalb wurde es in den entsprechenden Verordnungen auch für überflüssig gehalten, diesen Begriff zu definieren.

bb) Nach der insoweit ebenfalls eindeutigen Bestimmung des Art. 18 Abs. 4 VO Nr. 3665/87 ist es nicht möglich, das Beförderungspapier durch ein anderes Dokument, wie z.B. die Bestätigung eines Dritten, über die durchgeführte Beförderung zu ersetzen. Die Möglichkeit, einen Nachweis in anderer Weise zu führen als im Regelfall vorgesehen, lässt Art. 18 Abs. 4 VO Nr. 3665/87 ausdrücklich nur für die nach Art. 18 Abs. 1 und 2 VO Nr. 3665/87 geforderten Nachweise über die Einfuhr der Ware im Bestimmungsland zu.

cc) Die Forderung des Gemeinschaftsgesetzgebers, das Beförderungspapier in Kopie oder Fotokopie vorzulegen, ist in Bezug auf den damit verfolgten Zweck auch verhältnismäßig und widerspricht damit nicht primärem Gemeinschaftsrecht. Die Bedeutung des Beförderungspapiers für das Erstattungsverfahren liegt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht in einer Formalisierung und Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens, sondern --wie das FG richtig erkannt hat-- darin, zu gewährleisten, dass die nämliche wie die im Ausfuhrmitgliedstaat abgefertigte Ware im Bestimmungsland ankommt. Dass diese für die Gewährung der differenzierten Erstattung wesentliche Voraussetzung eingehalten worden ist, kann nicht sicher allein durch die in Art. 18 Abs. 1 und 2 VO Nr. 3665/87 vorgeschriebenen Nachweise belegt werden, weil diese nichts darüber aussagen, was mit der Ware zwischen Ausfuhr und Ankunft im Bestimmungsland geschehen ist. So geben sie keine verlässliche Auskunft darüber, ob die Ware z.B. entgegen Art. 17 VO Nr. 3665/87 verändert oder gar gegen eine entsprechende andere Ware ausgetauscht wurde.

Da der Transport der nämlichen Ware vom Ausfuhrmitgliedstaat in das Bestimmungsland in der Regel nicht mit Hilfe eines durchgehenden Zollverfahrens überwacht werden kann, das eine Nämlichkeitssicherung der Ware gewährleistet, bleibt das Beförderungspapier die einzige Möglichkeit, um einigermaßen sicher die Nämlichkeit der Ware nachzuweisen, die eine notwendige Voraussetzung für das Bestehen eines Erstattungsanspruchs ist. Würde man den Nachweis durch eine von Dritten ausgestellte Bestätigung zulassen, die die Durchführung des Transports nur bezeugt, würden zusätzliche Nachweisprobleme geschaffen, die in einem Massenverfahren, wie es das Erstattungsverfahren darstellt, kaum zu bewältigen wären. Die notwendige Eindeutigkeit des Nachweises wäre somit nicht gewährleistet. Das Beförderungspapier hat daher eine ganz entscheidende Bedeutung im Erstattungsverfahren.

Die Vorlage des Beförderungspapiers in Kopie oder Fotokopie ist nach alledem von grundsätzlicher Bedeutung für die ordnungsgemäße Durchführung des Erstattungsverfahrens und damit eine Hauptpflicht des Antragstellers (vgl. EuGH, Urteile vom 29. Januar 1998 Rs. C-161/96, EuGHE 1998, I-281; vom 28. April 1994 Rs. C-433/92 und C-434/92, EuGHE 1994, I-1543; vom 24. September 1985 Rs. 181/84, EuGHE 1985, 2889). Sie ist daher in der von Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 vorgeschriebenen Weise zu erfüllen, ohne dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit davon Ausnahmen verlangen würde.

Im Übrigen besteht auch im Regelfall keine besondere Schwierigkeit für denjenigen, der eine Ausfuhrerstattung beantragt, das Beförderungspapier vorzulegen. Denn, falls der Ausführer die Ware auf cif-Basis verkauft hat, müsste er als Auftraggeber eine Durchschrift des Beförderungspapiers besitzen. Falls er die Ware dagegen auf fob-Basis verkauft hat, müsste er bei den Käufern verhältnismäßig einfach auf Grund vertraglicher Beziehungen eine beglaubigte Kopie des Beförderungspapiers verlangen können. Deshalb hat es der EuGH sogar für mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als vereinbar erachtet, dass der Verordnungsgeber in Art. 47 Abs. 4 VO Nr. 3665/87 anders als für die nach Art. 18 Abs. 1 bzw. Abs. 2 VO Nr. 3665/87 zu erbringenden Nachweise nicht einmal eine Verlängerung der Frist für die Vorlage des Beförderungspapiers zugelassen hat (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Juli 1990 Rs. C-155/89, EuGHE 1990, I-3265, 3308 Tz. 27).

dd) Der Senat hält es auch nicht für erforderlich, zu dieser Frage eine Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 234 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 (ABlEG Nr. C 340/1; 1999 Nr. L 114/56) einzuholen und zu diesem Zweck die Revision zuzulassen, weil sich keine vernünftige Zweifelsfrage hinsichtlich der Auslegung der betreffenden Gemeinschaftsvorschriften in dem Sinne ergibt, dass mehrere Auslegungsmöglichkeiten denkbar wären (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415-3442, und Senatsurteil vom 23. Oktober 1985 VII R 107/81, BFHE 145, 266).

2. Soweit die Klägerin rügt, dass das Recht auf Vertrauensschutz verletzt worden sei, indem das HZA Ausfuhrerstattung gewährte, obwohl für eine Transitstrecke kein Beförderungspapier verlangt und vorgelegt wurde, es aber Jahre später seine Auffassung geändert und auf der Vorlage des Papiers bestanden habe, fehlt es bereits an der Formulierung einer konkreten Rechtsfrage, deren Beantwortung über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung haben soll.

3. Im Übrigen wird von einer weiteren Begründung des Beschlusses nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.



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