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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 06.02.2008
Aktenzeichen: VII B 23/07
Rechtsgebiete: AO, FGO


Vorschriften:

AO § 129
AO § 129 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde in den Jahren 1991 und 1992 zur Umsatzsteuer veranlagt. Die Steuerfestsetzungen für diese Jahre ergaben für die Klägerin jeweils ein Umsatzsteuerguthaben zuzüglich Zinsen. Aufgrund einer späteren Außenprüfung bei der Klägerin verständigten sich die Beteiligten auf höhere Umsatzsteuerfestsetzungen für diese Jahre, woraufhin der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) mit Änderungsbescheiden vom 27. Juni 2002 die Umsatzsteuer 1991 mit einem Guthaben von 41 006,12 € und die Umsatzsteuer 1992 mit einem Guthaben von 9 589,28 € zuzüglich Erstattungszinsen festsetzte. Im Rahmen der dazugehörigen Abrechnungen blieben jedoch die bereits erstatteten bzw. verrechneten Beträge der ursprünglichen Umsatzsteuerbescheide für 1991 und 1992 unberücksichtigt, weshalb es anstatt zu Nachzahlungen zu erneuten Erstattungen bzw. Verrechnungen der neuen Guthaben kam. Nachdem das FA den Fehler bemerkt hatte, nahm es mit Abrechnungsbescheiden vom 6. Januar 2005 die Abrechnungsverfügungen vom 27. Juni 2002 zurück und forderte von der Klägerin die überzahlten Beträge.

Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage ab. Das FG urteilte, dass beim Erlass der Abrechnungsverfügungen vom 27. Juni 2002 eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen sei, die nach § 129 der Abgabenordnung (AO) jederzeit berichtigt werden dürfe. Die Unrichtigkeit der Abrechnungsverfügungen sei darauf zurückzuführen, dass der Finanzbeamte, der im Juni 2002 den Prüfungsbericht hinsichtlich der Umsatzsteuer 1991 und 1992 ausgewertet habe, vergessen habe, im Sachbereich 11 die Kennzahl 100 einzugeben, mit welcher dokumentiert werde, dass es sich nicht um eine erstmalige, sondern um eine geänderte Festsetzung handele. Deshalb habe das Computerprogramm bestimmte maschinelle Fehlerhinweise nicht ausgegeben, die auf ein vorhandenes Umsatzsteuer-Soll aufmerksam gemacht hätten. Aufgrund der Aussage des als Zeuge vernommenen Finanzbeamten sei das Gericht überzeugt, dass es sich nur um ein Vergessen der Eingabe der Kennzahl und nicht um einen Rechtsirrtum des Beamten gehandelt habe.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt. Das FG habe bei seiner Entscheidung die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht ausreichend berücksichtigt.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO erfasst die Fälle der sog. Divergenzrevision im Sinne der dazu von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien (Senatsbeschluss vom 14. Februar 2002 VII B 141/01, BFH/NV 2002, 798; BFH-Beschluss vom 5. Juli 2002 XI B 136/01, BFH/NV 2002, 1479, m.w.N.). Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf Divergenz gestützt, erfordert die nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO notwendige Darlegung der Zulassungsvoraussetzungen, dass die Entscheidung des BFH, von der nach der Behauptung des Beschwerdeführers das Urteil des FG abweicht, genau bezeichnet und dass kenntlich gemacht wird, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine Abweichung vorliegen soll. Dem ist nur genügt, wenn abstrakte Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils und abstrakte Rechtssätze der Divergenzentscheidung(en) des BFH so genau bezeichnet und gegenübergestellt werden, dass eine Abweichung erkennbar wird (BFH-Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, 480, m.w.N.; vom 29. Juni 1987 X B 26/87, BFH/NV 1999, 239).

Ob die Beschwerde diesen Voraussetzungen genügt, ist bereits zweifelhaft, kann jedoch offenbleiben, da die behauptete Divergenz jedenfalls nicht vorliegt.

Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. "Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten" im Sinne dieser Vorschrift sind einem Schreib- oder Rechenfehler ähnliche mechanische Versehen. Ist dagegen die mehr als nur theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums gegeben, liegt kein mechanisches Versehen und damit keine offenbare Unrichtigkeit vor (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 24. Juli 1984 VIII R 304/81, BFHE 141, 485, BStBl II 1984, 785; vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293; vom 5. Februar 1998 IV R 17/97, BFHE 185, 345, BStBl II 1998, 535). Dementsprechend können Fehler bei Eintragungen in Eingabewertbögen für die automatische Datenverarbeitung oder Eingaben in Computerprogramme als rein mechanische Versehen offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 Satz 1 AO sein, etwa bei Irrtümern über den Ablauf des maschinellen Verfahrens, Verwendung falscher Schlüsselzahlen oder Übersehen notwendiger Eintragungen. Es ist aber auch denkbar, dass fehlerhafte Eingaben auf einem Rechtsirrtum beruhen, denn durch die Zuordnung von Daten zu bestimmten Kennziffern wird auch der Wille zu einer bestimmten rechtlichen Behandlung dieser Daten durch das festgelegte Datenverarbeitungsprogramm dokumentiert. Ob bei derartigen Eingabefehlern ein bloßes mechanisches Versehen oder aber ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum des Sachbearbeiters vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalles beurteilt werden. Dabei handelt es sich um eine Tatfrage, die der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang unterliegt und nur auf Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze überprüft werden kann (vgl. BFH-Urteil in BFHE 185, 345, BStBl II 1998, 535; Senatsbeschluss vom 10. Mai 2002 VII B 179/01, BFH/NV 2002, 1316).

Im Streitfall ist das FG bei seiner Entscheidung von vorgenannten Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Dass ihm bei seiner Würdigung der aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme festgestellten Tatsachen revisionsrechtlich relevante Fehler unterlaufen sind, legt die Beschwerde nicht dar.

Auch liegt die seitens der Beschwerde behauptete Abweichung von Entscheidungen des BFH nicht vor. Soweit sich die Beschwerde unter Berufung auf die BFH-Urteile vom 24. Mai 1977 IV R 44/74 (BFHE 122, 393, BStBl II 1977, 853) und vom 14. Februar 1995 IX R 101/93 (BFH/NV 1995, 1033) darauf stützt, dass ein Fehler, der auf eine vom FA unterlassene Sachverhaltsaufklärung zurückzuführen ist, nicht als ein mechanisches Versehen angesehen werden kann, legt sie weder schlüssig dar, noch ist es sonst erkennbar, dass das angefochtene FG-Urteil auf einer hiervon abweichenden Rechtsansicht beruht. Vielmehr ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass das FG --anders als die Beschwerde-- das FA weder für verpflichtet gehalten hat, das Steuerkonto der Klägerin wieder aufzubauen, noch für verpflichtet, auf Vorakten zurückzugreifen. Nach den Feststellungen des FG konnte der Finanzbeamte bei der Bearbeitung des Änderungsbescheids mit Hilfe des Computerprogramms nur die geänderten Besteuerungsgrundlagen und die Probeberechnungen, nicht aber die dazugehörigen Abrechnungsverfügungen der Bescheide auf dem Bildschirm sehen, da für die Bearbeitung der Abrechnungsverfügungen nicht er, sondern die Finanzkasse des FA zuständig war. Mangels Zugriffs auf diese Abrechnungsdaten konnte er somit bereits verdichtete Konten nicht wieder aufbauen. Der Beamte hatte insoweit auch kein Problembewusstsein, weil er irrtümlicherweise annahm, die zutreffenden Änderungen nach der Außenprüfung veranlasst zu haben. Wegen der vergessenen Kennziffereingabe konnten auch auf Seiten der Finanzkasse, welche den Kontenaufbau hätte vornehmen können, keine Zweifel begründet werden, denen sie hätte nachgehen müssen.

Nach alledem weicht das angefochtene Urteil von den von der Rechtsprechung des BFH aufgestellten Rechtsgrundsätzen nicht ab. Die Beschwerde wendet sich in Wahrheit lediglich gegen die vom FG vertretene Ansicht, dass das FA seinerzeit keinen Anlass für eine weitere Sachverhaltsaufklärung gehabt habe, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann.

Ende der Entscheidung

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