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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 04.09.2008
Aktenzeichen: VII B 239/07
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 35 Abs. 1
InsO § 94
InsO § 95
InsO § 96
InsO § 96 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 201 Abs. 1
InsO § 203 Abs. 1 Nr. 3
InsO § 294 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des ... (Schuldner) und ist mit der im März 2004 vom Insolvenzgericht für den Schuldner angekündigten Restschuldbefreiung zum Treuhänder bestellt worden. Nachdem es dem Kläger nicht gelungen war, Vermögenswerte des Schuldners zu realisieren, hob das Insolvenzgericht im Juli 2004 das Insolvenzverfahren ohne Schlussverteilung auf.

Aus der Einkommensteuerveranlagung 2004 des Schuldners ergab sich eine Steuererstattung, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) im Juli 2006 mit Steuerrückständen des Schuldners verrechnete. Die von Seiten des Klägers beantragte Erstattung des Guthabens, soweit es auf den Zeitraum bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens entfiel, lehnte das FA ab, auch nachdem das Insolvenzgericht auf Antrag des Klägers im Oktober 2006 die Nachtragsverteilung angeordnet hatte, und erteilte einen entsprechenden Abrechnungsbescheid. Den Einspruch des Klägers wies das FA mit der Begründung zurück, dass zur Insolvenzmasse gehörende Forderungen, die nach Abschluss des Insolvenzverfahrens ermittelt würden, erst mit dem Beschluss über die Nachtragsverteilung, dem keine Rückwirkung zukomme, der Insolvenzbeschlagnahme unterlägen. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) unter Bezugnahme auf die Gründe der Einspruchsentscheidung ab.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sich die von der Beschwerde bezeichnete Rechtsfrage, ob eine Aufrechnung des FA wirksam ist, die nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und vor Anordnung einer Nachtragsverteilung erklärt wird, nur so beantworten lässt, wie das FG es getan hat.

Die im Streitfall vom FA erklärte Aufrechnung war nicht gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) unzulässig. Zwar handelte es sich bei dem aus der Einkommensteuerveranlagung 2004 resultierenden Erstattungsanspruch des Schuldners um einen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Anspruch, der nach § 35 Abs. 1 InsO in die Insolvenzmasse fiel, jedoch gelten die besonderen, die Aufrechnung durch Insolvenzgläubiger betreffenden Vorschriften der §§ 94 bis 96 InsO nur während des Insolvenzverfahrens. Nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens hingegen können die Insolvenzgläubiger nach § 201 Abs. 1 InsO ihre Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen. Daher kann ein Insolvenzgläubiger nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Aufrechnung gegen Forderungen des Schuldners erklären, die zwar während des Insolvenzverfahrens begründet, jedoch nicht ermittelt wurden oder aus anderen Gründen nicht in die Schlussverteilung eingegangen sind und über die der Schuldner nunmehr wieder frei verfügen kann, da sie nicht mehr der Insolvenzbeschlagnahme (§ 80 Abs. 1 InsO) unterliegen.

Etwas anderes gilt auch nicht während der sog. Wohlverhaltensphase nach Ankündigung der Restschuldbefreiung. So hat der Senat bereits entschieden, dass das FA nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens während der sog. Wohlverhaltensphase gegen Lohnsteuererstattungsansprüche des Schuldners die Aufrechnung erklären kann, weil der InsO keine die Aufrechnungsbefugnis von Insolvenzgläubigern in der Wohlverhaltensperiode ausschließende Bestimmung zu entnehmen ist und dies insbesondere auch nicht aus dem Zwangsvollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO hergeleitet werden kann (Senatsurteile vom 21. November 2006 VII R 1/06, BFHE 216, 1, BStBl II 2008, 272, und VII R 66/05, BFH/NV 2007, 1066).

Wird eine zur Insolvenzmasse gehörende Forderung des Schuldners --wie im Streitfall-- erst nachträglich ermittelt, kann zwar eine Nachtragsverteilung auch dann angeordnet werden, wenn das Insolvenzverfahren bereits aufgehoben worden ist (§ 203 Abs. 1 Nr. 3 Abs. 2 InsO). In diesem Fall tritt aber eine erneute Insolvenzbeschlagnahme bezüglich dieser Forderung erst mit dem Beschluss über die Anordnung der Nachtragsverteilung ein, dem keine Rückwirkung zukommt (MünchKommInsO/ Hintzen, § 203 Rz 21; Hess, Insolvenzrecht, Großkommentar, § 203 Rz 29; Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 203 Rz 12, jeweils m.w.N.).

2. Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht gegeben, weil das FG-Urteil --anders als die Beschwerde meint-- nicht von dem Senatsbeschluss vom 7. Juni 2006 VII B 329/05 (BFHE 212, 436, BStBl II 2006, 641) abweicht. Der Senat hat in jenem Beschluss ausgeführt, dass eine erst nach dem Schlusstermin ermittelte zur Insolvenzmasse gehörende Forderung des Schuldners nicht aus der Insolvenzbeschlagnahme entlassen, sondern ggf. nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO Gegenstand einer Nachtragsverteilung ist und dass, falls diese Anordnung erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens ergeht, damit eine erneute Insolvenzbeschlagnahme bezüglich dieser Forderung eintritt. Dies bedeutet gerade nicht, dass mit der Anordnung der Nachtragsverteilung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die nachträglich ermittelten Gegenstände der Masse der Insolvenzbeschlagnahme rückwirkend unterfallen.

Ende der Entscheidung

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