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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 04.08.2004
Aktenzeichen: VII B 240/03
Rechtsgebiete: FGO, ZPO
Vorschriften:
FGO § 100 Abs. 1 Satz 4 | |
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3 | |
FGO § 128 Abs. 2 | |
FGO § 113 Abs. 2 Satz 1 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3 | |
ZPO § 227 Abs. 1 Satz 1 |
VII B 240/03 VII B 241/03
Gründe:
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhob vor dem Finanzgericht (FG) zwei Anfechtungsklagen gegen Verfügungen des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--), mit welchen er zur Vorlage von Bankunterlagen für das Besteuerungsverfahren aufgefordert worden war. Das FA hob jeweils nach Klageerhebung den betreffenden angefochtenen Verwaltungsakt auf und erklärte die Verfahren in der Hauptsache für erledigt. Der Kläger stellte daraufhin in dem Klageverfahren 2 K 5378/00 den Klageantrag auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage um, welche er mit Wiederholungsgefahr sowie der Vorbereitung einer zivilrechtlichen Amtshaftungsklage gegen das FA begründete. In dem Klageverfahren 2 K 1629/01 bezweifelte der Kläger den Eintritt der Erledigung, kündigte jedoch für den Fall der Erledigung die Umstellung des Klageantrags auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage an.
Im Verlauf des finanzgerichtlichen Verfahrens stellte der Kläger, nachdem das FG seinen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung in Form einer Videokonferenz abgelehnt hatte, einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden des FG-Senats, den das FG ablehnte. Auf eine den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17. April 2003 zugestellte Ladung des FG zu einer weiteren mündlichen Verhandlung am 14. Mai 2003 beantragte der sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte des Klägers die Verlegung dieses Termins mit der Begründung, dass er am Tag der anberaumten Sitzung ein ganztägiges EDV-Seminar in Stuttgart gebucht habe, welches nicht kurzfristig umgebucht werden könne. Eine Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung durch einen Vertreter komme nicht in Betracht, weil nur er als Sachbearbeiter die Rechte des Klägers ordnungsgemäß wahrnehmen könne; ein neuer Termin sei mit ihm telefonisch abzustimmen oder für ca. sechs bis sieben Monate im Voraus zu terminieren, da er für Termine binnen Monatsfrist schon stark ausgebucht sei. Nachdem der Vorsitzende des FG-Senats den Terminsänderungsantrag mit der Begründung abgelehnt hatte, dass eine Vertreterlösung innerhalb der Sozietät problemlos möglich sei, richtete der Kläger erneut Befangenheitsgesuche gegen den Senatsvorsitzenden.
Das FG wies die Klagen auf Grund mündlicher Verhandlung vom 14. Mai 2003, zu der für die Beteiligten niemand erschienen war und in der das FG die gegen den Vorsitzenden gerichteten Befangenheitsgesuche jeweils per Beschluss zurückwies, ab. Das FG urteilte in beiden Fällen, dass nach der Aufhebung des jeweils streitgegenständlichen Auskunftsverlangens durch das FA die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Fortsetzungsfeststellungsklage nicht erfüllt seien, da ein berechtigtes Interesse i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf Seiten des Klägers nicht erkennbar sei. Bei den angefochtenen Auskunftsverlangen habe es sich um singuläre Einzelmaßnahmen im Rahmen von Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle gehandelt, so dass eine Wiederholungsgefahr nicht bestehe. Eine etwaige Amtshaftungsklage des Klägers gegen das FA sei offensichtlich aussichtslos; der Kläger habe nicht darlegen können, inwieweit ein wirtschaftlicher Schaden entstanden sei.
Mit seinen Nichtzulassungsbeschwerden, welche er auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) stützt, rügt der Kläger die fehlerhafte Besetzung des Gerichts, da an den Urteilen des FG der von ihm abgelehnte Richter mitgewirkt habe, sowie die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das FG wegen des abgelehnten Terminsänderungsantrags. Außerdem ist der Kläger der Ansicht, dass das FG die Sachurteilsvoraussetzungen einer Fortsetzungsfeststellungsklage zu Unrecht verneint habe.
II. Die Beschwerden haben keinen Erfolg, weil die von den Beschwerden geltend gemachten Verfahrensmängel z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.
1. Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen können nach § 128 Abs. 2 FGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Da dem Endurteil vorangegangene Entscheidungen, die nach der FGO unanfechtbar sind, nicht der Beurteilung der Revision unterliegen (§ 124 Abs. 2 FGO), kann eine Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht auf die Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs gestützt werden. Geltend gemacht werden können nur solche Verfahrensmängel, die als Folge der Ablehnung des Befangenheitsgesuchs dem angefochtenen Urteil anhaften. Ein Zulassungsgrund liegt daher nur vor, wenn die Ablehnung gegen das Willkürverbot verstößt oder ein Verfahrensgrundrecht verletzt wird, wie der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) oder den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen Richter greift jedoch nur bei willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften ein. Deshalb hat eine Besetzungsrüge nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sich dem Beschwerdevorbringen entnehmen lässt, dass der Beschluss über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuches nicht nur fehlerhaft, sondern greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich ist (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. Januar 2003 III B 51/02, BFH/NV 2003, 640; vom 28. Mai 2003 III B 87/02, BFH/NV 2003, 1218; vom 22. Oktober 2003 III B 14/03, BFH/NV 2004, 224; Senatsbeschluss vom 27. Oktober 2003 VII S 20/03 (PKH), BFH/NV 2004, 375).
Diesen Anforderungen werden die Beschwerden nicht gerecht. Die Beschwerden behaupten lediglich, dass die die Ablehnungsgesuche des Klägers zurückweisenden Beschlüsse des FG willkürlich gewesen seien, begründet dies aber lediglich mit der ihrer Ansicht nach seinerzeit rechtlich und tatsächlich gegebenen Möglichkeit, eine mündliche Verhandlung per Videokonferenz durchzuführen, sowie mit dem ihrer Ansicht nach zu Unrecht abgelehnten Terminsänderungsantrag des Klägers. Damit wird nicht schlüssig begründet, dass die Ablehnungen der vom Kläger gestellten Befangenheitsanträge greifbar gesetzwidrig gewesen sind, denn es werden keine zwingenden Gründe dargelegt, welche geeignet waren, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des betreffenden Richters zu rechtfertigen (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozessordnung --ZPO--) und welche die Ablehnung des Richters ohne jeden Zweifel geboten hätten. Die Ansicht der Beschwerden, dass rechtsfehlerhafte prozessleitende Verfügungen eines Richters dessen Befangenheit begründeten und dass ein gleichwohl die Befangenheit dieses Richters verneinender Beschluss des Gerichts willkürlich sei, geht fehl. Die darüber hinaus vertretene Ansicht der Beschwerden bezüglich der vor der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2003 gestellten Ablehnungsgesuche, wonach die Begründung der Ablehnung des Terminsänderungsantrags durch den Senatsvorsitzenden auf einen massiven Streit zwischen diesem Richter und dem sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten hindeute, weshalb das Gericht zwingend veranlasst gewesen wäre, den Ablehnungsgesuchen zu entsprechen, entbehrt jeder objektiven Grundlage.
Im Übrigen verkennen die Beschwerden, dass der Kläger die Besorgnis der Befangenheit gegen den Vorsitzenden des FG-Senats wegen der versagten Videokonferenz und eine ggf. darauf beruhende fehlerhafte Besetzung des Gerichts schon deshalb nicht mehr geltend machen kann, weil er sich am ... März 2003 in eine mündliche Verhandlung unter Mitwirkung dieses Richters eingelassen hat (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 43 ZPO). Hinsichtlich der auf die abgelehnte Terminsänderung gestützten Ablehnungsgesuche ist entgegen der Beschwerdenansicht auch nicht erkennbar, dass das FG die Ablehnungsgesuche vom ... Mai 2003 nicht beschieden hat. Soweit in den Sitzungsprotokollen von Befangenheitsanträgen vom 14. Mai 2003 die Rede ist, sind damit offenbar die an diesem Tag eingegangenen Schriftsätze des Klägers gemeint, welche sich auf die Ablehnungsgesuche vom ... Mai 2003 beziehen. Schließlich wird die nach Ansicht der Beschwerden greifbare Gesetzwidrigkeit des ablehnenden Beschlusses vom 14. Mai 2003 weder damit schlüssig begründet, dass die dienstliche Äußerung des betreffenden Richters dem Kläger nicht zur Kenntnis gegeben wurde, noch damit, dass der Beschluss nicht schriftlich begründet worden ist. Die dienstliche Äußerung muss nicht bekannt gegeben werden, wenn sich --wie im Streitfall-- die Zurückweisung des Befangenheitsgesuches nicht auf diese Äußerung stützt (BFH-Beschluss vom 25. März 1999 IV B 82/98, BFH/NV 1999, 1466); einer Begründung des ablehnenden Beschlusses bedarf es nach § 113 Abs. 2 Satz 1, § 128 Abs. 2 FGO nicht.
2. Zwar kann die einen Verfahrensmangel darstellende Verletzung des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs auch in einer unzutreffenden Behandlung eines Antrags auf Verlegung des anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung gesehen werden (§ 155 FGO i.V.m. § 227 ZPO; BFH-Beschluss vom 15. Juni 2001 IV B 25/00, BFH/NV 2001, 1579). Im Streitfall hat der Kläger jedoch nicht schlüssig dargelegt, dass die Ablehnung der von ihm beantragten Terminsverlegung ungerechtfertigt gewesen ist.
Ob die geltend gemachte Verhinderung des sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten am 14. Mai 2003 wegen eines EDV-Seminars einen "erheblichen Grund" i.S. des § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO darstellte oder ob dem gerichtlichen Termin der Vorrang gebührt hätte, kann offen bleiben. Die Verhinderung eines Prozessvertreters ist jedenfalls nicht als erheblicher Grund anzusehen, wenn der betreffende Termin durch ein anderes Mitglied der mit der Prozessführung beauftragten Sozietät sachgerecht wahrgenommen werden kann (BFH-Beschluss vom 26. Oktober 1998 I B 3/98, BFH/NV 1999, 626, m.w.N.). Im Streitfall sind nach Aktenlage sämtliche Mitglieder der prozessführenden Anwaltssozietät vor dem FG als Bevollmächtigte aufgetreten. Dass sämtliche Anwälte am 14. Mai 2003 verhindert waren, wurde mit dem Terminsverlegungsantrag nicht behauptet; daher durfte das FG die Terminsverlegung unter Hinweis auf die "Vertreterlösung" ablehnen.
Zwar kann ein Prozessbevollmächtigter --und mit ihm sein Mandant-- nicht auf die Möglichkeit einer anderweitigen Terminsvertretung verwiesen werden, wenn die Wahrnehmung des Termins durch eine andere Person als den eigentlichen Sachbearbeiter nicht zumutbar ist, was der Fall sein kann, wenn der als Vertreter in Betracht kommenden Person keine hinreichende Einarbeitungszeit zur Verfügung steht oder wenn wegen der besonderen Komplexität oder wegen bestimmter Eigentümlichkeiten des Verfahrens anzunehmen ist, dass nur der mit dem Fall vertraute Sachbearbeiter die Belange des Mandanten angemessen vertreten kann (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 626, m.w.N.). Hierzu ist jedoch bis auf die Behauptung, dass nur der Sachbearbeiter die Rechte des Klägers ordnungsgemäß wahrnehmen könne, mit dem Antrag auf Terminsänderung nichts vorgetragen worden, so dass das FG nicht verpflichtet war, diesem Antrag zu entsprechen. Die Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung durch einen Vertreter war insbesondere nahe liegend, weil zu den zu erörternden Fragen der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügungen und des Feststellungsinteresses bereits umfänglich schriftsätzlich vorgetragen war, weil zwischen der Bekanntgabe der Ladung und dem Termin ein ausreichend langer Zeitraum von einem Monat für die Einarbeitung zur Verfügung stand und weil einer der Anwälte der Sozietät in einer früheren mündlichen Verhandlung in der Sache 2 K 5378/00 bereits als Prozessvertreter aufgetreten war. Da der sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte zudem keinen zeitlich in der Nähe liegenden Ausweichtermin angeboten, sondern wegen seiner großen Beanspruchung um eine Terminierung um sechs bis sieben Monate im Voraus gebeten hatte, war es im Interesse der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Geschäftsganges bei Gericht sowohl ihm als auch seinem Mandanten zuzumuten, die Wahrnehmung des Termins einem Vertreter zu übertragen.
3. Ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegt schließlich auch insoweit nicht vor, als das FG --wie die Beschwerden meinen-- das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen einer Fortsetzungsfeststellungsklage zu Unrecht verneint hat. Abgesehen davon, dass der Kläger in dem Verfahren 2 K 1629/01 seinen Klageantrag nicht ausdrücklich auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt hat (vgl. zu diesem Erfordernis: Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 100 Rz. 60), ist jedenfalls ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Feststellung nicht erkennbar.
Eine hinreichend konkrete Gefahr, dass das FA auch in Zukunft Auskunftsverlangen, wie sie im Streitfall angefochten waren, an den Kläger richten könnte, besteht nicht, da die angefochtenen Auskunftsverlangen in einem Ermittlungsverfahren der Steuerfahndungsstelle ergangen waren, welches inzwischen abgeschlossen ist. Mit dem Vorbringen der Beschwerden, dass die Staatsanwaltschaft das FA jederzeit zu Nachermittlungen auffordern könnte, wird --nunmehr mehrere Jahre nach dem Abschluss der Ermittlungen-- lediglich eine theoretische Möglichkeit der Wiederholung von Auskunftsverlangen der streitigen Art aufgezeigt, ohne dass hierfür konkrete Anhaltspunkte dargelegt werden. Das Gleiche gilt, soweit es die Beschwerden für möglich halten, dass das Veranlagungsfinanzamt R ähnliche Auskunftsverlangen an den Kläger richten könnte.
Das FG hat eine von Seiten des Klägers angekündigte (aber offenbar immer noch nicht anhängig gemachte) zivilrechtliche Klage auf Schadensersatz zu Recht als offensichtlich aussichtslos angesehen und deshalb ein hierauf gestütztes Feststellungsinteresse des Klägers verneint (vgl. dazu Gräber/von Groll, a.a.O., § 100 Rz. 61). Da das besondere Interesse an einer Fortsetzungsfeststellungsklage substantiiert darzulegen ist (Gräber/von Groll, a.a.O., § 100 Rz. 60), ist hinsichtlich der Erfolgsaussicht eines angekündigten Schadensersatzprozesses von Seiten des Klägers auch substantiiert darzulegen, welcher Schaden ihm durch das behauptete rechtswidrige Behördenhandeln entstanden ist. An einem solchen schlüssigen Vorbringen fehlt es jedoch im Streitfall. Die Frage, ob der Kläger, der einen für rechtswidrig gehaltenen Verwaltungsakt anficht, im Fall der Erledigung des Rechtsstreits Ersatz seiner durch den Rechtsstreit verursachten Kosten vom Gegner verlangen kann, wird durch die Kostenentscheidung des zuständigen Gerichts entschieden und ist nicht Gegenstand eines anschließenden Schadensersatzprozesses (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. Mai 1966 Ib ZR 73/64, BGHZ 45, 251, 257). Einen durch die angefochtenen Auskunftsverlangen des FA entstandenen Schaden, der über die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen (§ 139 Abs. 1 FGO) hinausgeht, hat der Kläger nicht dargelegt.
Ende der Entscheidung
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