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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 19.03.2001
Aktenzeichen: VII B 243/00
Rechtsgebiete: BranntwMonG, FGO


Vorschriften:

BranntwMonG § 143 Abs. 1 Satz 1
BranntwMonG § 144 Abs. 2 Satz 2
BranntwMonG § 145 Abs. 2 Nr. 4
BranntwMonG § 145
BranntwMonG § 144
BranntwMonG § 144 Abs. 2
FGO § 118 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Finanzgericht (FG) die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Branntweinsteuerbescheid des Beklagten und Beschwerdegegners (Hauptzollamt --HZA--) vom 29. Juli 1997 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 1997 (noch streitige Restforderung: ... DM) abgewiesen.

Als Steuerentstehungstatbestand --so führte das FG aus-- scheide § 143 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das Branntweinmonopol (BranntwMonG) aus, weil die aus den Niederlanden am 11. April und am 3. Mai 1994 gelieferten Spirituosen (5 004 Flaschen Korn, 35 Vol %, und 2 544 Flaschen Weinbrand, 32 Vol %) aus dem Steuerlager des Versenders (V) nur in einem vorgetäuschten Steueraussetzungsverfahren --in den beiden von V ausgestellten begleitenden Verwaltungsdokumenten habe dieser wissentlich eine nicht existierende Scheinfirma in Belgien als Empfänger benannt-- befördert worden seien. Damit sei kein wirksames Steueraussetzungsverfahren eröffnet worden mit der Folge, dass die Spirituosen nicht, wie in § 143 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG gefordert, während der Beförderung dem Steueraussetzungsverfahren entzogen worden sein könnten.

Als Steuerentstehungstatbestand in der Person des Klägers komme aber § 144 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 BranntwMonG zum Zuge. Für die sich mit dem Entfernen aus dem Steuerlager ohne Eröffnung eines wirksamen Steueraussetzungsverfahrens im freien Verkehr der Niederlande befindlichen Spirituosen sei nach dem Verbringen derselben in das Steuergebiet dadurch die Branntweinsteuer entstanden, dass der Kläger diese Spirituosen erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten bzw. verwendet habe, indem er sie nach seiner eigenen Einlassung in seinem Gewerbebetrieb zwischenlagerte. Für die Annahme eines gewerblichen und nicht lediglich privaten Bezugs spreche unter Anwendung des Kriterienkatalogs in § 145 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 BranntwMonG, dass der Kläger Inhaber eines Gewerbebetriebs sei, in dem u.a. auch Spirituosen verkauft würden, ein Entgelt (300 Flaschen Goldbrand) für die Lagerung auf dem Betriebsgelände geleistet worden sei, in den Frachtbriefen und Tourenplänen der Gewerbebetrieb des Klägers als Empfänger der Spirituosen ausgewiesen gewesen sei und schließlich auch die Menge der gelagerten Spirituosen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme folgte das FG dem Vortrag des Klägers nicht, wonach die Waren auf dem Betriebsgelände des Klägers lediglich transportbedingt und damit möglicherweise steuerunschädlich zwischengelagert worden seien. Überdies sei der weitere Verbleib der Spirituosen nach dem Verlassen des Betriebsgeländes des Klägers ungeklärt und dessen Sachvortrag hierzu selbst widersprüchlich bzw. unschlüssig.

Hiergegen richtet sich die auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, wie der Begriff der "gewerblichen Zwecke" nach Art. 7 und 9 der Richtlinie 92/12/EWG (RL 92/12) des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 76/1) i.V.m. § 144 Abs. 1 und 2, § 145 BranntwMonG auszulegen sei. Insbesondere komme es darauf an, ob die transportbedingte Inbesitznahme und Verwahrung bereits in einem anderen Mitgliedstaat versteuerter Waren unter den Begriff der "gewerblichen Zwecke" zu fassen seien. § 144 BranntwMonG regele als nationale Konkretisierung der RL 92/12 einen Fall der Doppelbesteuerung, welche "eigentlich" im System der harmonisierten Verbrauchsteuern ein Fremdkörper und mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei. Hieraus ergäben sich zwei weitere Auslegungsfragen zu § 144 BranntwMonG, nämlich: 1. Greift diese Vorschrift auch dann ein, wenn die Waren lediglich als versteuert gelten, weil sie dem Steueraussetzungsverfahren entzogen worden sind, oder ist nicht vielmehr der Nachweis erforderlich, dass die Steuern in dem anderen Mitgliedstaat bereits bezahlt worden sind?; und 2. Ist dem Schuldner der Steuer nach § 144 BranntwMonG ein Rückvergütungsanspruch zuzuerkennen, wenn er die doppelte Steuer nicht z.B. auf den Steuerschuldner in dem anderen Mitgliedstaat abwälzen kann, der nach dem System der harmonisierten Verbrauchsteuer der Rückerstattungsberechtigte ist?

Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg, weil die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen in einem künftigen Revisionsverfahren allesamt nicht klärungsfähig wären.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn diese nicht nur klärungsbedürftig --wozu der Kläger in der Beschwerdeschrift eingehende Ausführungen gemacht hat--, sondern daneben auch klärungsfähig, d.h. für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, ist, denn es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, Rechtsfragen abstrakt zu klären, die sich im konkreten Streitfall gar nicht stellen (vgl. etwa die BFH-Beschlüsse vom 28. April 1972 III B 40/71, BFHE 105, 335, BStBl II 1972, 575, und vom 1. Februar 1994 VII B 127/93, BFH/NV 1994, 873). Fehlt es an der Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage, kommt es auf ihre möglicherweise oder auch mit Sicherheit bestehende Klärungsbedürftigkeit nicht mehr an. So verhält es sich im Streitfall.

a) Die Rechtsfrage, auf deren Klärung es dem Kläger bei verständiger Würdigung der Beschwerde in erster Linie ankommt, ob nämlich die transportbedingte Inbesitznahme und Verwahrung bereits in einem anderen Mitgliedstaat versteuerter Waren unter den Begriff der "gewerblichen Zwecke" in § 144 Abs. 2 BranntwMonG zu fassen seien, ist schon deshalb nicht klärungsfähig, weil das FG aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme gerade nicht zu der Überzeugung gekommen ist, dass die Zwischenlagerung der Spirituosen auf dem Betriebsgelände des Klägers lediglich transportbedingt und damit möglicherweise steuerunschädlich war. Transportlogistische Gesichtspunkte für die Unterbrechung des Transports hatte der Kläger nicht vorgetragen und konnte das FG auch nicht feststellen. Die Gesamtumstände sprächen, so das FG, eher dafür, dass der Kläger Endempfänger und nicht nur Zwischenlagerer der betreffenden Spirituosen gewesen sei. An diese Feststellungen und tatsächlichen Würdigungen des FG wäre der Senat in einem möglichen Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden, da der Kläger nicht behauptet hat, dem FG seien insoweit Verfahrensfehler unterlaufen. Folglich kann die aufgeworfene Rechtsfrage schon deshalb nicht entscheidungserheblich sein.

b) Auch die beiden anderen von der Beschwerde zu § 144 BranntwMonG formulierten Rechtsfragen, die an das Verbot der Doppelbesteuerung im Binnenmarkt anknüpfen, sind nicht entscheidungserheblich. Im Streitfall steht nämlich nicht fest --weder hat es der Kläger vorgetragen noch hat das FG hierzu Feststellungen oder Aussagen getroffen--, dass die streitgegenständliche Steuererhebung im Steuergebiet überhaupt zu einer Doppelerhebung der Verbrauchsteuer geführt hat, denn ob Alkoholsteuer in den Niederlanden festgesetzt oder erhoben worden ist, steht nicht fest und lag folglich auch außerhalb des Entscheidungsprogramms des FG. Ob und ggf. unter welchen Umständen der Steuerschuldner nach § 144 BranntwMonG einen Rückvergütungsanspruch hat, wenn er die (doppelt) gezahlte Steuer nicht auf den Steuerschuldner in dem anderen Mitgliedstaat abwälzen kann, berührt die Entscheidung des Streitfalls durch das FG nicht.

Die Klärungsfähigkeit der weiteren Frage, ob § 144 BranntwMonG auch dann eingreift, wenn die Waren lediglich als versteuert gelten, weil sie dem Steueraussetzungsverfahren (wohl in den Niederlanden) entzogen worden sind, liegt nicht auf der Hand, so dass der Kläger hierzu klarstellende Ausführungen hätte machen müssen. Abgesehen davon hält der Senat diese Frage auch nicht für klärungsbedürftig, denn nach dem insoweit klaren Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 zweiter Unterabsatz der RL 92/12 stehen die dort aufgeführten Gilt-Tatbestände, also auch die unrechtmäßige Entnahme der Ware aus dem Verfahren der Steueraussetzung (Buchst. a), einer Überführung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr absolut gleich. Dies gilt nicht nur hinsichtlich des Eintritts der Rechtsfolge, dass die Verbrauchsteuer entsteht (Art. 6 Abs. 1 RL 92/12), sondern auch dann, wenn eine (andere) Rechtsvorschrift an das Tatbestandsmerkmal der Überführung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in den freien Verkehr anknüpft. So spielt es für die Anwendung des Art. 7 Abs. 1 RL 92/12 und entsprechend auch für die Anwendung der nationalen Umsetzungsvorschrift des § 144 BranntwMonG keine Rolle, ob die Waren in dem anderen Mitgliedstaat ordnungsgemäß in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind oder ob sie bei dortiger unrechtmäßiger Entnahme aus dem Steueraussetzungsverfahren nur als übergeführt gelten.

c) Die Zweifel, die der Kläger hinsichtlich der Auslegung des Begriffs der "gewerblichen Zwecke" als solche vorbringt, ohne hierzu konkrete Rechtsfragen zu formulieren, können die grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht begründen.

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