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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 08.02.2000
Aktenzeichen: VII B 245/99
Rechtsgebiete: StBerG, FGO, ZPO


Vorschriften:

StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 5
StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 5 a.F.
StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4
FGO § 142
ZPO § 114
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist Steuerberater. Er ist, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, in Vermögensverfall geraten und hat am 11. März 1997 die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Er ist Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH, die am 4. August 1997 als Steuerberatungsgesellschaft anerkannt worden ist.

Der Beklagte (die Oberfinanzdirektion --OFD--) widerrief mit Bescheid vom 17. Juli 1998 die Bestellung des Klägers als Steuerberater. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.

In seiner Klage, mit der er die Aufhebung des Widerrufsbescheids anstrebt, räumt der Antragsteller seinen Vermögensverfall ein. Als Ursache dafür führt er an, dass seine geschiedene Ehefrau etwa 40 % seiner Mandanten an einen steuerberatenden Kollegen vermittelt habe, was zu erheblichen Liquiditätsproblemen geführt habe. Im Hinblick auf die gut laufende Steuerkanzlei habe er sich auch "in Immobilien engagiert", die zu einem großen Teil fremdfinanziert worden seien. Um die Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden, habe er Immobilien unter ihrem Gestehungswert verkaufen müssen, was zu Verbindlichkeiten geführt habe, denen kein Aktivwert gegenüber gestanden habe. Um seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu verbessern, habe er sich als Treuhänder, Garant und Bürge im Zusammenhang mit Bauherrenmodellen engagiert. Hierbei habe er das Pech gehabt, dass mehrere Bauherrenmodelle nicht in Übereinstimmung mit den Prospektangaben fertiggestellt worden seien, so dass er aus Garantien und Bürgschaften in Anspruch genommen worden sei. Die Verbindlichkeiten hätten ihre Ursachen nicht in der steuerberatenden Tätigkeit des Klägers gehabt.

Weiter macht er geltend, die von ihm am 3. Dezember 1996 gegründete GmbH arbeite ohne jeden Bankkredit, ebenso wenig mit dem sog. Lastschriftverfahren in Zusammenhang mit Honorarforderungen. Angefallene Honorare würden einzeln berechnet und von den Mandanten persönlich erfüllt. Ebenso wenig arbeite die GmbH mit Honorarvorschüssen. Sie habe eine Berufshaftpflichtversicherung mit einer Versicherungssumme von 2 Mio. DM für den Einzelfall abgeschlossen. Nachdem er seine selbständige Tätigkeit eingestellt habe, komme eine Gefährdung von Mandanteninteressen nicht mehr in Betracht. Augenblicklich werde er von seinen Gläubigern nicht mehr bedrängt, zumal der Hinweis auf das Vermögensverzeichnis jeden Gläubiger davon überzeuge, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sinnlos seien. Die gleiche Wirkung trete auch mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein. Unabhängig davon wirke sich ein Druck von Gläubigern nicht auf seine geschäftsführende Tätigkeit in der GmbH aus. Insbesondere seien hiervon Mandanten der GmbH nicht betroffen.

Zur Durchführung der Klage hat der Antragsteller die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragt.

Das Finanzgericht (FG) hat die PKH nicht gewährt, weil die Rechtsverfolgung bei summarischer Betrachtung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe; nach seiner Auffassung ist es weit überwiegend wahrscheinlich, dass die Widerrufsverfügung zu Recht ergangen ist. Bei dem bestehenden Vermögensverfall des Antragstellers sei nicht auszuschließen, dass die Mandanteninteressen dadurch gefährdet würden, dass der Antragsteller unter dem Druck seiner schlechten Vermögensverhältnisse bestrebt sei, auf anderem Wege als durch vollen Einsatz für die GmbH steuerberaterisch tätig zu werden, statt den wirtschaftlichen Erfolg der GmbH zu vergrößern. Daher bestehe die Gefahr, dass die Mandanten der GmbH mangelhaft beraten und damit ihre Interessen gefährdet würden. Gefahren dieser Art seien erst dann zu verneinen, wenn der Kläger seinen Vermögensverfall "im Griff" habe. Davon sei aber im Streitfall nicht auszugehen, auch wenn der Antragsteller das Insolvenzverfahren betreibe. Nach dem Schuldenbereinigungsplan bleibe dem Antragsteller auf lange Sicht nur der Pfändungsfreibetrag seines Minimalgehalts. Unter diesen Umständen könne man nicht von einer Konsolidierung der Vermögensverhältnisse in dem Sinne ausgehen, dass der Antragsteller seine Vermögensverhältnisse beherrsche; der Antragsteller werde vielmehr von seiner Vermögenslage beherrscht.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sei Begehren weiter. Er meint, § 46 Abs. 2 Nr. 5 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) gelte nicht für solche Steuerberater, die keine eigenen Auftraggeber hätten, weil sie --wie der Antragsteller-- als Angestellte tätig seien. Im Einzelnen führt er weiter aus, das FG habe die Anforderungen an die Darlegung, dass Mandanteninteressen nicht gefährdet seien, überzogen. Im Augenblick arbeite der Antragsteller ausschließlich für die Steuerberatungsgesellschaft, anderen Tätigkeiten gehe er nicht nach. Dass er nicht voll ausgelastet sei, liege nur daran, dass die Mandanten der GmbH nicht so zahlreich seien, wie es wünschenswert wäre; deshalb könne er auch kein höheres Gehalt beanspruchen. Im Übrigen könnten außerhalb des steuerberatenden Berufs liegende Tätigkeiten des Antragstellers, selbst wenn sie vorlägen, nicht als Grund dafür herangezogen werden, dass die Interessen der Mandanten der Steuerberatungsgesellschaft gefährdet würden. Es sei eine Unterstellung, wenn das FG davon ausgehe, dass der Antragsteller die Mandanten der Steuerberatungsgesellschaft mangelhaft beraten würde, weil er anderen Verdienstmöglichkeiten nachjage. Trotz der Überschuldung des Antragstellers seit 1984/1985 seien Mandanteninteressen nicht gefährdet worden. Zu den Gläubigern des Antragstellers gehörten keine Mandanten. Allein die Tatsache, dass der Antragsteller trotz seiner seit 1985 bestehenden Überschuldung beanstandungsfrei als Steuerberater tätig sei, sei ein Beweis dafür, dass der Vermögensverfall des Antragstellers Interessen von Mandanten nicht gefährde. Es sei nicht nachvollziehbar, dass eine --im Streitfall nicht gegebene-- Gefährdung von Mandanteninteressen erst ausgeschlossen sein solle, wenn der Antragsteller seinen Vermögensverfall "im Griff" habe. Was das FG darunter verstehe, wisse er nicht. Der Antragsteller betreibe die Schuldenbereinigung nach dem Insolvenzgesetz. Während der Dauer des Verfahrens seien Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ausgeschlossen. Daher könne man davon sprechen, dass der Antragsteller seinen Vermögensverfall "im Griff" habe.

Die OFD tritt dem Vorbringen des Antragstellers entgegen und teilt die Auffassung des FG.

II. Die Beschwerde ist unbegründet, weil die Rechtsverfolgung des Antragstellers bei summarischer Prüfung nicht die nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht hat. Soweit aus der bisherigen Aktenlage ersichtlich, ist der Widerrufsbescheid der OFD zu Recht ergangen, weil der Antragsteller in Vermögensverfall geraten ist und nicht hinreichend dargelegt ist, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind (§ 46 Abs. 2 Nr. 5 StBerG a.F., jetzt § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG i.d.F. des Art. 1 Nr. 14 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung und anderer Gesetze --EGInsOÄndG-- vom 19. Dezember 1998, BGBl I 3836).

1. Hier kann dahingestellt bleiben, ob der Streitfall nach dem bei Erlass der Einspruchsentscheidung noch geltenden § 46 Abs. 2 Nr. 5 StBerG a.F. oder auf Grund des ab 1. Januar 1999 geltenden (Art. 12 EGInsOÄndG), neugefassten § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG zu beurteilen ist (zur Problematik vgl. Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 100 Rdnr. 10 ff.), weil beide Vorschriften, soweit entscheidungserheblich, inhaltlich übereinstimmen. Im Folgenden wird nur die neuere Vorschrift zitiert.

2. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG nicht nur auf selbständige Steuerberater, sondern auch auf angestellte Steuerberater anzuwenden (vgl. Stöcker, Deutsche Steuer-Zeitung, 1994, 234, 236). Dem Wortlaut des Gesetzes ist nichts zu entnehmen, was die gegenteilige Auffassung des Antragstellers stützen könnte.

3. Abgesehen davon, dass der Vermögensverfall gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG zu vermuten ist, weil der Antragsteller in das vom Vollstreckungsgericht nach § 915 ZPO zu führende Verzeichnis eingetragen ist, wird der nach Aktenlage bestehende Vermögensverfall vom Antragsteller selbst eingeräumt.

4. Bei der im PKH-Verfahren gebotenen und nur erforderlichen summarischen Prüfung teilt der Senat im Ergebnis die Auffassung des FG, wonach der Antragsteller nicht dargelegt habe, dass Interessen seiner Auftraggeber durch den Vermögensverfall nicht gefährdet seien.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats geht § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG davon aus, dass die Interessen der Auftraggeber eines Steuerberaters durch dessen Vermögensverfall potentiell gefährdet sind. Die Regelung lässt aber den Nachweis zu, dass trotz des Vermögensverfalls eine konkrete Gefährdung der Interessen der Auftraggeber nicht vorliegt. Hierfür obliegt demjenigen, der sich gegen den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater wendet, die Darlegungs- und Feststellungslast (vgl. Bundesfinanzhof --BFH--, Urteile vom 22. September 1992 VII R 43/92, BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203, und vom 3. November 1992 VII R 95/91, BFH/NV 1993, 624). Aus dem bisherigen Vortrag des Antragstellers ist nicht zu entnehmen, dass ihm dieser Nachweis im Klageverfahren, für dessen Durchführung er die Bewilligung der PKH beantragt hat, gelingen wird.

b) Der Umstand, dass der Antragsteller nunmehr nur noch als angestellter Steuerberater tätig wird, reicht für den Nachweis nicht aus. Denn der Antragsteller ist Angestellter einer Steuerberatungsgesellschaft, die von ihm gegründet wurde und deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er ist. Damit wird die Arbeitsweise der Gesellschaft und damit auch seine eigene allein vom Antragsteller bestimmt. Auf die formale Rechtslage, nach der es sich beim Antragsteller und der Steuerberatungsgesellschaft um unterschiedliche Rechtssubjekte handelt, kommt es hinsichtlich der Frage der Gefährdung von Mandanteninteressen nicht an; entscheidend ist die tatsächliche Lage, die von dem alleinigen Zugriffs- und Gestaltungsrecht des Antragstellers auf die Gesellschaft bestimmt wird, für die er als Angestellter tätig wird.

c) In seinem Urteil in BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203 hat es der Senat für möglich gehalten, das Vorbringen des damals betroffenen Steuerberaters dahin zu würdigen, dass auf Grund der Art und des Umfangs der Beratungstätigkeit und der Rechtsbeziehungen zu den Mandanten eine konkrete Gefährdung der Interessen der Auftraggeber nicht vorliege.

Auch im Streitfall macht der Antragsteller unter Beweisangebot durch eine namentlich benannte Angestellte geltend, es werde nicht mit Honorarvorschüssen und Einzugsermächtigungen gearbeitet. Außerdem bestehe eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung für die Steuerberatungsgesellschaft. Dies besagt aber nichts über die Art der Tätigkeit der Gesellschaft und eine sich daraus im Zusammenhang mit dem Vermögensverfall des Antragstellers ergebende Gefährdung von Auftraggeberinteressen, weil er möglicherweise Zugriff auf Mandantengelder hat. Hierzu hat der Antragsteller im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens behauptet, dass sich die Steuerberatungsgesellschaft nur mit der Finanzbuchhaltung, der Gehaltsbuchhaltung, der Erstellung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen, der Erstellung von Jahresabschlüssen und Einnahmeüberschussrechnungen sowie der Erstellung von Steuererklärungen für die Mandanten befasse, er also keinen Einfluss auf Mandantengelder habe und es bisher keine Beanstandungen seiner Mandanten gegeben habe. Für diese Behauptungen hat der Antragsteller indes bisher weder Beweis angetreten noch sie in irgendeiner Weise glaubhaft gemacht (vgl. dazu BFH, Urteil vom 4. April 1995 VII R 74/94, BFH/NV 1995, 1019). Nur wenn das der Fall wäre, ließe sich unter Berufung auf die Ausführungen des erkennenden Senats in seinem Urteil in BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203 im Streitfall daran denken, dass dem Antragsteller im Klageverfahren der Nachweis gelingen könnte, dass Auftraggeberinteressen durch den Vermögensverfall nicht gefährdet werden.

d) Im Übrigen ist im Streitfall jedoch außerdem zu berücksichtigen, dass der eingetretene Vermögensverfall Auswirkungen auf die Unabhängigkeit des Antragstellers bei Ausübung seines Berufs haben kann, zu der er nach § 57 Abs. 1 StBerG auch im Interesse seiner Mandanten verpflichtet ist. Eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit kommt im Streitfall nicht nur potentiell in Betracht, sondern sie besteht konkret im Hinblick auf die erheblichen eigenen Steuerschulden des Antragstellers von über 70 000 DM, die er in der Klagebegründung einräumt. Dadurch wird der Handlungsrahmen, den der Antragsteller als Steuerberater und Bevollmächtigter seiner Mandanten gegenüber der Finanzverwaltung braucht, entscheidend eingeschränkt. Es ist nicht auszuschließen, dass er im eigenen Interesse gegenüber der Finanzverwaltung zurückhaltender auftritt und nicht alle Möglichkeiten wahrnimmt, die sonst im Interesse seiner Mandanten geboten wären. Schon deshalb bedeutet der Vermögensverfall des Antragstellers eine konkrete Gefahr für die Interessen der Auftraggeber, deren Bestehen er bisher nicht widerlegt hat.

e) Der Umstand, dass der Antragsteller die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hat, vermag die Gefährdung von Auftraggeberinteressen entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht auszuschließen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet vielmehr nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ebenfalls die Vermutung des Vermögensverfalls.

f) In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen, die es für sich bereits als unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Antragsteller im Klageverfahren nachweisen kann, dass Mandanteninteressen durch seinen Vermögensverfall nicht gefährdet werden, lässt es der Senat dahinstehen, ob die Überlegungen des Gerichts gerechtfertigt sind, wonach es die konkrete Gefahr sieht, dass Mandanten der Steuerberatungsgesellschaft vom Antragsteller mangelhaft beraten werden.

Ende der Entscheidung

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