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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 07.07.2009
Aktenzeichen: VII B 248/08
Rechtsgebiete: FGO
Vorschriften:
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 |
Gründe:
I.
Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) war einer von drei vertretungsberechtigten Geschäftsführern einer GmbH, die Geschäftsführerin einer GmbH & Co. KG war. Nach der internen Aufgabenverteilung war für den Bereich Steuern einer der beiden anderen Geschäftsführer zuständig.
Für den Einzug der angemeldeten Lohnsteuern war dem Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt --FA--) Einzugsermächtigung erteilt. Der Einzug der für den Monat Mai 2001 am 18. Juni 2001 beim FA angemeldeten Lohnsteuern scheiterte, da die Bank den Auftrag mangels vorhandener Deckung des Kontos zurückgab. Daraufhin nahm das FA den Kläger neben den beiden anderen Geschäftsführern als Haftungsschuldner für rückständige Lohnsteuer für die Monate Mai und Juni 2001 in Anspruch, da die Lohnsteuern wegen der verspäteten Anmeldungen nicht mehr rechtzeitig hätten festgesetzt und eingezogen werden können.
Der Einspruch hatte nur teilweise Erfolg. Der daraufhin erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Zwar habe der Kläger als Mitgeschäftsführer der geschäftsführenden Verwaltungs-GmbH in Person die Geschäftsführung wahrzunehmen gehabt und die steuerlichen Pflichten dieser GmbH seien auch nicht vorschriftsmäßig wahrgenommen worden, da die Lohnsteuern für den Monat Mai zwar innerhalb der Schonfrist des § 240 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO), aber nicht wie erforderlich am 10. Tag nach Ende dieses Monats angemeldet und abgeführt worden seien. Ob diese Pflichtwidrigkeit kausal für den vom FA geltend gemachten Schaden sei, könne dahinstehen. Denn es fehle an einem Verschulden i.S. des § 69 AO, ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten sei in der Person des Klägers nicht feststellbar. Aufgrund der eindeutigen Verteilung der Aufgaben innerhalb der Geschäftsführung habe die Abgabe der Lohnsteueranmeldung nicht zum Pflichtenkreis des Klägers gehört.
Auch wenn man wegen einer andauernden Krisensituation der GmbH von einer uneingeschränkten Verantwortlichkeit des Klägers ausgehe, bedinge diese gesteigerte Pflicht aber nicht, dass er höchstpersönlich die Steuererklärungen abzuschicken und die Beträge zur Zahlung anzuweisen gehabt habe, vielmehr dürfe er auch in der Krise andere Personen mit der Erledigung steuerlicher Pflichten betrauen. Allerdings sei er verpflichtet, diese Personen sorgfältig zu überwachen. Welche Maßnahmen im Einzelnen zu treffen seien, richte sich nach den Umständen des Einzelfalles. Der Kläger habe Anfang Juni 2001 noch keinen Anlass gehabt, an der Erfüllung der steuerlichen Pflichten durch den Mitgeschäftsführer oder den Prokuristen zu zweifeln und seine Kontrollmaßnahmen zu verdichten, um so das Ausnutzen der Schonfrist als eine --sein Eingreifen erforderlich machende-- Pflichtverletzung seines Mitgeschäftsführers aufzuspüren. Auch habe er keinen Anhaltspunkt dafür gehabt, dass der Mitgeschäftsführer zu Pflichtverletzungen des Prokuristen Veranlassung gegeben oder diesem gegenüber seine Aufsichtspflicht vernachlässigt habe, vielmehr habe der Mitgeschäftsführer anlässlich des Liquiditätsengpasses die Überwachung durch tägliche Berichtspflichten des Prokuristen und Einschaltung externer Experten für das Cashmanagement einschließlich der Lohnsteuern verstärkt. Angesichts der Gesamtumstände bleibe allenfalls der Vorwurf, dass der Kläger sich nicht höchstpersönlich Gewissheit über die rechtzeitige Absendung der Lohnsteueranmeldungen und der Zahlungsanweisung verschafft habe. Ein solcher Pflichtverstoß sei allenfalls fahrlässig, zumal der Kläger in die krisenbedingte Erweiterung seiner Überwachungsfunktionen erst hineingewachsen sei.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht das FA die Abweichung der vom FG der Entscheidung zu Grunde gelegten Rechtsgrundsätze von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und einen Verstoß des FG gegen die Sachaufklärungspflicht geltend.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1.
Die vom FA erhobenen Divergenzrügen, die vom Zulassungsgrund der Sicherung der Rechtsprechungseinheit i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) umfasst werden (BFH-Beschluss vom 5. September 2001 VIII B 18/01, BFH/NV 2002, 205), greifen nicht durch, so dass offenbleiben kann, ob sie überhaupt ordnungsgemäß erhoben worden sind.
a)
Das FA meint, das Urteil des FG beruhe auf dem Rechtssatz: "Die regelmäßige Ausnutzung der Schonfrist stellt keine steuerliche Unregelmäßigkeit dar, sondern ist noch als exakte Erfüllung steuerlicher Pflichten anzusehen; eine steuerliche Unregelmäßigkeit liegt erst bei einem Verstoß in der Schwere vor, wie sie etwa die Nichtabgabe der Lohnsteueranmeldungen über mehrere Monate darstellt, so dass die Begrenzung der Überwachungspflicht durch die vereinbarte Aufgabenverteilung nicht aufgehoben wird." Das trifft aber so nicht zu. Das FG hat vielmehr die Zahlung der Lohnsteuern erst innerhalb der Schonfrist unter Bezugnahme auf die Senatsrechtsprechung (Urteil vom 11. Dezember 1990 VII R 85/88, BFHE 163, 119, BStBl II 1991, 282) ausdrücklich als Pflichtwidrigkeit eingestuft. Allerdings hat es diese Pflichtverletzung im Streitfall nicht dem Kläger angelastet, weil dieser im Haftungszeitraum keinen Anlass gehabt habe, an der Erfüllung der steuerlichen Pflichten durch den dafür zuständigen Mitgeschäftsführer zu zweifeln. Insbesondere hat es --anders als die Beschwerdebegründung Glauben machen will-- nicht festgestellt, dass dem Kläger die regelmäßige Ausnutzung der Schonfrist als Pflichtwidrigkeit seines Mitgeschäftsführers bekannt war. Es stellt vielmehr fest, dass der für den Bereich Steuern zunächst nicht zuständige Kläger keinen Grund gehabt habe, das Ausnutzen der Schonfrist "aufzuspüren".
b)
Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann der Senat auch nicht erkennen, dass das FG geringere Anforderungen an die Überwachung der steuerlichen Pflichterfüllung im Falle der Aufgabenverteilung stellt als die höchstrichterliche Rechtsprechung, indem es "von einer lediglich gesteigerten, nicht aber einer vollständigen oder sogar einer besonderen (BFH-Beschluss vom 20. April 2006 VII B 280/05, BFH/NV 2006, 1441) Überwachungspflicht ausgeht".
Allein die Verwendung unterschiedlicher Begriffe bei der Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf den zu entscheidenden Fall begründet keine Divergenz. Der allein entscheidenden Feststellung der Pflichten des Klägers in der konkreten Situation im Haftungszeitraum ist eine Abweichung gegenüber der BFH-Rechtsprechung nicht zu entnehmen. Das FG stellt nicht in Frage, dass "gerade in der finanziellen Krise ... die uneingeschränkte Gesamtverantwortung jedes einzelnen Geschäftsführers wieder auf(lebt)" (Senatsbeschluss in BFH/NV 2006, 1441, m.w.N.). Anders als das FA meint, hat das FG nicht die eigenständige Überwachungspflicht des Klägers in der Krise verneint, sondern diese Überwachungspflicht in der konkreten Situation als nicht verletzt angesehen, weil der Kläger keinen Anlass gehabt habe, an einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung durch den steuerlich zuständigen Geschäftsführer oder den von diesem beauftragten Mitarbeiter zu zweifeln.
c)
Daran ändert auch die Bezugnahme des FA auf die Senatsrechtsprechung nichts, wonach an die Überwachungsmaßnahmen eines Geschäftsführers umso größere Anforderungen gestellt werden müssten, je weniger sich dieser ein auf Tatsachen gegründetes Urteil bilden konnte, ob die für die Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten der Gesellschaft hinzugezogenen Personen die notwendige Gewähr der zuverlässigen Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten der Gesellschaft bieten (Beschluss vom 18. August 1999 VII B 106/99, BFH/NV 2000, 541, m.w.N.). Denn das FG hat anhand im Einzelnen aufgeführter Umstände festgestellt, dass der Kläger von der Zuverlässigkeit des Mitgeschäftsführers und des Prokuristen ausgehen durfte. Anhaltspunkte dafür, dass es dabei in rechtlich zu beanstandender Weise zu geringe Anforderungen an die Voraussetzungen für eine angemessene Urteilsbildung des Klägers gestellt hätte, legt die Beschwerde nicht dar. Sie setzt vielmehr ihre eigene --auf der jahrelangen Lohnsteueranmeldung unter Ausnutzung der Schonfrist beruhende-- Bewertung der steuerlichen Unzuverlässigkeit des Mitgeschäftsführers und der externen Unternehmensberatung an die Stelle der Tatsachenwürdigung des FG. Damit kann die Revisionszulassung aber nicht erreicht werden.
2.
Auch die Verfahrensrüge des Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 115 Abs. 2 Nr. 3, § 76 Abs. 1 FGO) rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Das FA rügt, das FG habe hinsichtlich des Beginns der von ihm unterstellten Krise der GmbH & Co. KG keine Feststellung getroffen, obwohl dies geboten gewesen sei, um die Annahme zu rechtfertigen, der Kläger sei im Haftungszeitraum erst in seine Überwachungsfunktionen hineingewachsen. Das FA habe in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag (Beiziehung der Insolvenztabelle zur Feststellung der Höhe und der Fälligkeit der angemeldeten Forderung) gestellt, der nach seinem Inhalt und seinem Kontext unter Berücksichtigung der Rechtsprechung nur darauf abzielen konnte, festzustellen, wann die Zahlungsunfähigkeit und damit die verschärfte Überwachungspflicht des Klägers eingetreten war. Diesen Beweisantrag habe das FG übergangen.
Das FG hatte --aufgrund seiner bei der Prüfung eines Verfahrensfehlers allein maßgeblichen Rechtsauffassung-- keine Veranlassung, dem Beweisantrag nachzukommen (BFH-Beschluss vom 13. August 2008 VIII B 183/07, Zeitschrift für Steuern und Recht 2008, R1140). Dabei mag dahinstehen, ob die mit der Beschwerde formulierte Beweisfrage mit dem protokollierten Beweisthema überhaupt hätte beantwortet werden können. Der genaue Zeitpunkt des Beginns der Krise der GmbH & Co. KG ist jedenfalls für die Entscheidung des FG nicht erheblich. Denn die vom FA in Frage gestellte Aussage, dass der Kläger erst in die krisenbedingte Erweiterung seiner Überwachungsfunktion hineingewachsen sei, stellt im Gesamtzusammenhang der Entscheidung ersichtlich nur ein beiläufiges, ergänzendes Argument für die Beurteilung der Pflichtverletzung des Klägers als "allenfalls fahrlässig" dar. Entscheidend war dagegen für das FG, dass der Vorwurf, der Kläger habe sich nicht höchstpersönlich Gewissheit über die rechtzeitige Absendung der --rechtzeitig erstellten-- Lohnsteueranmeldung und die rechtzeitige Zahlung verschafft, "im Hinblick auf die Gesamtumstände" keine grob fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung ergebe. Mit einer auf ein einzelnes Argument abstellenden Rüge wird die vorgenommene Gesamtwürdigung aber nicht in Frage gestellt (BFH-Beschluss vom 15. April 2008 IX B 154/07, BFH/NV 2008, 1340).
Ende der Entscheidung
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