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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 15.03.2001
Aktenzeichen: VII B 256/00
Rechtsgebiete: VwVfG, FGO, BGB, 2.FGOÄndG, Verordnung EWG
Vorschriften:
VwVfG § 48 Abs. 4 | |
VwVfG § 48 Abs. 2 | |
VwVfG § 48 Abs. 3 | |
VwVfG § 48 | |
VwVfG § 49a | |
FGO § 115 Abs. 2 und 3 | |
BGB § 818 Abs. 3 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 a.F. | |
2.FGOÄndG Art. 4 | |
Verordnung EWG Art. 6 der Nr. 565/80 | |
Verordnung EWG Art. 33 Abs. 1 Unterabs. 2 der Nr. 3665/87 | |
Verordnung EWG Art. 29 der Nr. 2220/85 |
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ließ in den Jahren 1990 und 1991 mehrere Partien Rindfleisch, Hinterviertel, der Marktordnungs-Warenlistennummer 0201 2059 1100 zur Erstattungslagerung mit dem Ziel der Ausfuhr nach Tunesien abfertigen und beantragte hierfür beim Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--) jeweils die Vorfinanzierung in der Erstattungs-Lagerung eines der Ausfuhrerstattung entsprechenden Betrags in Höhe von insgesamt ... DM. Das HZA gewährte diesen Betrag mit insgesamt 22 Erstattungsbescheiden. In der Zeit vom 13. Juni bis 7. November 1991 ließ die Klägerin insgesamt 1 932 Hinterviertel mit sieben Kontrollexemplaren T5 (KE) zur Ausfuhr nach Tunesien abfertigen und verbrachte sie zunächst zur Zwischenlagerung in ein Kühlhaus nach Wien.
Mit Schreiben vom 3. April und 4. Juni 1992 beantragte die Klägerin eine Fristverlängerung für die Beschaffung und Vorlage der Verzollungsbescheinigungen, die das HZA bis zum 5. Dezember 1992 gewährte. Unter dem 1. Dezember 1992 beantragte die Klägerin erneut eine Fristverlängerung, weil sie noch nicht im Besitz sämtlicher Verzollungsbescheinigungen sei und legte für einen Teil der Ware tunesische Verzollungsbescheinigungen vor, die das HZA aber nicht anerkannte. Mit Schreiben vom 8. Januar 1993 übersandte die Klägerin drei Primärnachweise, welche die Einfuhr von insgesamt 949 Hintervierteln nach Tunesien am 10. August bzw. 7. September 1992 bescheinigten. Mit weiterem Schreiben vom 14. Januar 1993 beantragte die Klägerin nochmals für einen Restbestand von 856 Hintervierteln die Fristverlängerung mit der Begründung, dass man sich bisher vergeblich bemüht habe, die Verzollungsbescheinigungen dafür zu bekommen. Das HZA gewährte die Fristverlängerung für die Vorlage von Verzollungsnachweisen bis zum 30. September 1993. Innerhalb dieser Frist legte die Klägerin zwei Primärnachweise vor, welche die Einfuhr von insgesamt 843 Hintervierteln in die Vereinigten Emirate am 6. Juni 1993 bzw. in den Libanon am 3. September 1993 bescheinigten. Für die Verladung der restlichen 13 Hinterviertel sei, wie die Klägerin vortrug, kein Platz mehr gewesen, so dass sie hätten zurückbleiben müssen.
Das HZA forderte mit Erstattungsbescheid vom 26. Oktober 1993 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. August 1997 die gesamte im Wege der Vorfinanzierung gewährte Erstattung zuzüglich eines Zuschlags von 20 %, insgesamt ... DM mit der Begründung zurück, dass die Waren nicht innerhalb von zwölf Monaten nach Annahme der Ausfuhranmeldung zum freien Verkehr im Bestimmungsland abgefertigt worden seien.
Die Klage, mit der die Klägerin --zusammengefasst-- geltend machte, dass das HZA ihren Fristverlängerungsanträgen hätte entnehmen müssen, dass es ihr auch um eine Verlängerung der Frist für die Einfuhr der Waren im Bestimmungsland gegangen sei, dass das HZA ihre Anträge auch so verstanden habe, dass im Übrigen die Einfuhr der Ware mit der Vorlage der Verzollungspapiere gleichzusetzen sei und dass ihr hilfsweise Vertrauensschutz zu gewähren sei, hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte im Einzelnen aus: Für 421 Hinterviertel stehe der Klägerin ein Anspruch auf Ausfuhrerstattung schon deshalb nicht zu, weil dafür die Einfuhr in die Bestimmungsländer nicht bzw. nicht rechtzeitig durch Vorlage der Primärnachweise nachgewiesen worden sei. Hinsichtlich der verbleibenden 1 511 Hinterviertel stehe der Klägerin ein Anspruch auf Ausfuhrerstattung nicht zu, weil die Klägerin insoweit die Einfuhrfrist versäumt habe. Aus den insoweit vorgelegten Primärnachweisen ergebe sich, dass ein Teil der Waren erst im Juni bzw. September 1993 in Drittländer eingeführt worden sei. Soweit sich aus den übrigen Primärnachweisen ergebe, dass die Waren bereits am 10. August bzw. 7. September 1992 nach Tunesien eingeführt worden seien, ließen sich die Primärnachweise nicht bestimmten KE zuordnen. Dies gehe zu Lasten der Klägerin, weil sie nachzuweisen habe, dass die eingeführten Waren die nämlichen wie diejenigen seien, für die die KE ausgestellt worden seien.
Eine Verlängerung der Einfuhrfrist sei zwar unter bestimmten Voraussetzungen möglich, im Streitfall aber nicht beantragt und auch nicht gewährt worden. Auf Vertrauensschutz, den Wegfall der Bereicherung oder auf die Versäumung der Frist des § 48 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen.
II. Die Beschwerde, mit der sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision wendet, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung habe und Verfahrensmängel vorlägen, ist unbegründet.
1. Gemäß Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) ist die Zulässigkeit und damit auch die Begründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde noch nach § 115 Abs. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der vor In-Kraft-Treten des 2.FGOÄndG geltenden Fassung (FGO a.F.) zu beurteilen, weil das angefochtene Urteil vor dem 1. Januar 2001 verkündet worden ist.
2. Für von grundsätzlicher Bedeutung hält die Klägerin folgende Fragen:
* Erfolgt die Rückforderung vorfinanzierter Ausfuhrerstattung nach den Vorschriften des § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG? Sind insbesondere die Vorschriften des § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG anwendbar?
* Kann sich der Empfänger einer vorfinanzierten Ausfuhrerstattung im Falle einer Rückforderung auf Vertrauensschutz bzw. die Rechtsgrundsätze der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) berufen, selbst wenn die Vorschrift des § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG nicht anwendbar sein sollte?
Diese Fragen haben jedoch, anders als die Klägerin meint, keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie nicht in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig sind; sie können offensichtlich nur so entschieden werden, wie das FG es in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats getan hat (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Juli 1994 VII B 102/94, BFH/NV 1995, 229). Danach sind auf die Rückforderung vorfinanzierter Ausfuhrerstattung weder die Vorschriften des § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG noch die Vorschriften über den Wegfall der Bereicherung anwendbar. Rechtsgrundlage für die Rückforderung einer gewährten Vorfinanzierung der Ausfuhrerstattung ist nämlich nicht § 10 des Gesetzes über die Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen, der § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG für anwendbar erklärt, sondern unmittelbar Art. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 565/80 des Rates vom 4. März 1980 über die Vorauszahlung von Ausfuhrerstattungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 62/5) i.V.m. Art. 33 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr. 1615/90 der Kommission vom 15. Juni 1990 (ABlEG Nr. L 152/33) i.V.m. Art. 29 der Verordnung (EWG) Nr. 2220/85 der Kommission vom 22. Juli 1985 --ABlEG Nr. L 205/5-- (vgl. Senats-Urteil vom 18. Mai 1993 VII R 70/92, BFH/NV 1994, 208). Damit ist auch die Frage, ob bei der Rückforderung der Vorfinanzierung von Ausfuhrerstattung die §§ 48 und 49a VwVfG zu berücksichtigen sind, eindeutig zu verneinen. Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes oder des Wegfalls der Bereicherung können in Bezug auf die Ausfuhrerstattung schon deswegen nicht eingreifen, weil durch die Gewährung der Vorfinanzierung kein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist, sondern im Gegenteil die Freigabe der im Zusammenhang damit geleisteten Sicherheit ausdrücklich davon abhängt, dass der Anspruch auf die festgesetzte Ausfuhrerstattung tatsächlich entsteht und vom Ausführer form- und fristgerecht nachgewiesen wird. Aus den von der Klägerin angeführten Urteilen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 12. Mai 1998 Rs. C-366/95 (EuGHE 1998, I-2661) und vom 16. Juli 1998 Rs. C-298/96 (EuGHE 1998, I-4767) ergibt sich nichts anderes, weil diese die Berücksichtigung nationaler Regelungen über den Vertrauensschutz bzw. den Wegfall der Bereicherung (vgl. EuGHE 1998, I-2661) unter bestimmten Voraussetzungen nur zulassen, falls solche bestehen, nicht aber verlangen, dass solche vorhanden sind. Außerdem ging es in ihnen nicht um den Verfall einer für eine vorfinanzierte Ausfuhrerstattung geleisteten Sicherheit, sondern um die Rückforderung einer (vorbehaltlos) gewährten Beihilfe bzw. Ausfuhrerstattung, so dass sich auch aus diesem Grunde die Überlegungen beider Urteile nicht ohne weiteres auf den Streitfall übertragen ließen.
3. Die von der Klägerin geltend gemachte Abweichung der Vorentscheidung von dem Senatsurteil vom 13. Oktober 1994 VII R 21/94 (BFHE 176, 160) ist nicht ausreichend bezeichnet (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.), weil die Klägerin keine Rechtssätze aus beiden Entscheidungen so gegenübergestellt hat, dass ihre Abweichung voneinander deutlich wird. Der Vorwurf, dass das FG sich auf dieses Urteil bezogen habe, obwohl es nicht einschlägig sei, erfüllt die Voraussetzungen einer Divergenzrüge i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F. nicht.
4. Die von der Klägerin behaupteten Verfahrensmängel, nämlich die Verletzung ihres Rechts auf Gehör (Art. 103 des Grundgesetzes und § 96 Abs. 2 FGO), die Nichtberücksichtigung von Sachvortrag (§ 96 Abs. 1 FGO) und das Übergehen des Beweisantritts der Klägerin (§ 76 Abs. 1 FGO), liegen nicht vor.
a) Soweit die Klägerin rügt, das FG habe seine Entscheidung, ohne dass sich die Klägerin dazu habe äußern können, auch damit begründet, dass sich die einzelnen Waren den betreffenden Primärnachweisen nicht zuordnen ließen, liegt eine Verletzung ihres Rechts auf Gehör nicht vor. Tatsächlich ist diese Begründung nämlich schon in der Einspruchsentscheidung enthalten und die Klägerin hat sich dazu, wie das HZA zutreffend ausgeführt hat, ausführlich geäußert.
b) Soweit die Klägerin das Übergehen von Sachvortrag und Beweisantritt hinsichtlich der Frage, ob sie Vermögensdispositionen getroffen habe, rügt, liegt ein Verfahrensfehler ebenfalls nicht vor. Denn nach Auffassung des FG kam es hierauf nicht an, weil die vorfinanzierte Ausfuhrerstattung unabhängig von solchen etwaigen Vermögensdispositionen zurückgefordert werden musste.
c) Im Zusammenhang mit der Frage des Vertrauensschutzes liegen die gerügten Verfahrensfehler (Übergehen von Sachvortrag nebst Beweisantritt) ebenfalls nicht vor, weil es für die Entscheidung hierauf nicht ankam, diese also nicht darauf beruht. Denn nach der insoweit maßgebenden Rechtsauffassung des FG kann der Ausführer so lange nicht darauf vertrauen, dass ihm die vorfinanzierte Ausfuhrerstattung belassen wird, wie die Sicherheit nicht freigegeben ist.
Ende der Entscheidung
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