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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 01.02.2000
Aktenzeichen: VII B 256/99
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO, BFHEntlG


Vorschriften:

AO 1977 § 69
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
BFHEntlG Art. 1 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war alleiniger Geschäftsführer von vier GmbH, über deren Vermögen im Juni 1995 die Gesamtvollstreckung angeordnet worden ist. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hat den Kläger wegen rückständiger Lohnsteuern einschließlich Säumniszuschlägen sowie Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer, die von den GmbH seit August 1994, September 1994 bzw. Februar 1995 nicht mehr entrichtet worden sind, auf Haftung in Anspruch genommen. Die deswegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) urteilte, eine vorsätzliche oder zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflicht des Klägers als Geschäftsführer der GmbH sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass dieser auf eine Vereinbarung mit der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BVS) über die Auskehrung von 340 000 DM vertraut habe. Das gelte trotz der im Vorfeld geführten konkreten Verhandlungen mit der BVS bzw. der Treuhandanstalt insbesondere für die Steuern, die der Kläger vor Abschluss dieser Vereinbarung anzumelden und abzuführen hatte. Aber auch nach Zustandekommen der Vereinbarung Ende März 1995 habe der Kläger die Löhne nicht trotz mangelnder Zahlungsmittel ungekürzt auszahlen dürfen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der grundsätzliche Bedeutung geltend gemacht wird. Hierzu wird vorgetragen, die zentrale Frage des Rechtsstreits sei, ob der gesetzliche Vertreter eines Steuerpflichtigen auf den Regelungsinhalt und den unverzüglichen Vollzug eines Verwaltungsaktes bzw. einer mit einer Behörde geschlossenen Vereinbarung vertrauen könne oder ob er damit rechnen müsse, dass sich die Behörde abweichend verhalte. Aufgrund monatelanger konkreter Verhandlungen und der "recht bald" erteilten verbindlichen positiven Zusage des vorgenannten Betrages sei der Kläger sicher gewesen, dass ihm dieser Betrag alsbald zufließen werde. Sein Vertrauen sei durch Unterzeichnung der Vereinbarung im März 1995 bestätigt worden. Angesichts dieser Vertrauenshaltung fehle es am subjektiven Tatbestand des § 69 der Abgabenordnung (AO 1977). Das FG habe in unnachvollziehbarer Strenge eine über das Menschenübliche hinausgehende, vorsichtige, ja geradezu gegen die Behörde misstrauische Verhaltensweise verlangt. Soweit die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in der Nichtrealisierung von Krediten oder Außenständen ein vom Geschäftsführer zu tragendes Risiko gesehen habe, könne dies nicht auf den hier gegebenen Fall übertragen werden, dass eine Behörde eine Zahlung zugesagt habe.

Die Beschwerde ist --von Mängeln der nach § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderlichen Darlegungen abgesehen-- unbegründet. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine --in der Beschwerdeschrift genau zu bezeichnende-- Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts höchstrichterlicher Klärung bedarf, weil ihre richtige Beantwortung umstritten oder sonst zweifelhaft ist. Die von der Beschwerde sinngemäß aufgeworfene Frage, ob der Geschäftsführer einer GmbH nach § 69 AO 1977 auch dann für Steuerschulden der von ihm vertretenen Gesellschaft haftet, wenn er diese zwar nicht am Fälligkeitszeitpunkt beglichen hat, jedoch ohne grobe Fahrlässigkeit davon ausgehen durfte, dass er dies aufgrund ihm von einer Behörde zugesagter finanzieller Zuwendungen alsbald werde nachholen können, ist nicht klärungsbedürftig. Denn sie ist in der Rechtsprechung des beschließenden Senats bereits geklärt. Der Senat hat zuletzt in seinem Urteil vom 20. Januar 1998 VII R 80/97 (BFH/NV 1998, 814) im Einzelnen ausgeführt, dass finanzielle Schwierigkeiten einer Gesellschaft den für die Abführung der Lohnsteuer verantwortlichen Geschäftsführer nicht ohne weiteres entlasten. Wenn der Geschäftsführer in einer solchen Situation seiner Verpflichtung nicht nachgekommen sei, die Löhne ggf. nur gekürzt als Vorschuss oder Teilbetrag auszuzahlen und von den übrig bleibenden Mitteln die entsprechende Lohnsteuer an das FA abzuführen, sondern darauf vertraut habe, er werde die Steuerrückstände später ausgleichen können, so sei er damit bewusst das Haftungsrisiko eingegangen. Die Nichtrealisierung seiner Erwartungen liege in seiner Risikosphäre. Wie sich aus der vorgenannten Entscheidung ohne weiteres herleiten lässt, gilt dies nicht nur in dem Fall, dass der Geschäftsführer auf den Zufluss von Mitteln aus dem Kredit eines privaten Kreditgebers oder von Außenständen der Gesellschaft vertraut. Es gilt vielmehr ganz genauso, wenn der Geschäftsführer meint, die Steuerschulden der Gesellschaft später aufgrund der Gesellschaft von einer Behörde gewährter Kredite oder sonstiger Fördermittel ausgleichen zu können. Denn für die vorsätzliche Erfüllung des Haftungstatbestandes nach § 69 AO 1977 reicht die bewusste nicht fristgerechte Abführung der Steuerabzugsbeträge aus; eine spätere Tilgung der dadurch entstandenen Rückstände mittels nachträglich beschaffter Finanzierungsmittel würde nicht diese Erfüllung des gesetzlichen Haftungstatbestandes, auf den sich nach § 69 AO 1977 der Verschuldensvorwurf bezieht, sondern lediglich die Haftungsfolge beseitigen können.

Angesichts dieser eindeutigen Klärung der Rechtslage kann der beschließende Senat von einer näheren Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerde gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs absehen.

Ende der Entscheidung

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