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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 21.12.2000
Aktenzeichen: VII B 258/00
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 122 Abs. 2 Nr. 1
AO 1977 § 122 Abs. 1 Satz 3
AO 1977 § 110 Abs. 1 Satz 1
AO 1977 § 110
FGO § 113 Abs. 2 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Mit Steueränderungsbescheid vom 7. September 1999 forderte der Beklagte (das Hauptzollamt --HZA--) von der Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) für die am 14. Oktober 1996 angemeldeten und vom HZA zunächst zollfrei belassenen Decoder aus der Türkei Zoll in Höhe von ... DM nach. Gegen den am 7. September 1999 zur Post gegebenen Bescheid legte die Klägerin mit Telefax vom 12. Oktober 1999 Einspruch ein, den das HZA mit der Einspruchsentscheidung vom 22. Oktober 1999 als unzulässig verwarf. Die Frist für die Einlegung des Einspruchs sei bereits am 11. Oktober 1999 abgelaufen gewesen. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien weder ersichtlich noch von der Klägerin vorgebracht worden.

Mit ihrer sodann erhobenen Klage begehrt die Klägerin neben der Aufhebung des Steueränderungsbescheids vom 7. September 1999 und der Einspruchsentscheidung außerdem die Erstattung von Zoll in Höhe von ... DM, den das HZA wegen der Einfuhr gleicher Decoder aus der Türkei mit Bescheiden vom 28. Oktober und 19. November 1996 festgesetzt hatte. Da sie für ihr entsprechendes Erstattungsbegehren bereits eine Klage vor dem Finanzgericht (FG) anhängig gemacht habe, werde aus Gründen der Prozessökonomie eine Verbindung der beiden Verfahren beantragt. Die Klage und den Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) begründete die Klägerin damit, ihr Geschäftsführer sei davon ausgegangen, dass die Frist zur Einlegung des Einspruchs zum Zeitpunkt des Auffindens des Steueränderungsbescheids am 8. Oktober 1999 bereits abgelaufen gewesen sei. Diese Umstände seien bereits am 12. Oktober 1999 der zuständigen Sachbearbeiterin geschildert worden, die daraufhin telefonisch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt habe. Aus diesen Gründen habe es die Klägerin nicht für notwendig erachtet, die Wiedereinsetzungsgründe in ihrem Einspruchsschreiben zu wiederholen. Die Erstattung von weiteren ... DM sei gerechtfertigt, weil die früher eingeführten Decoder ebenfalls aus Frankreich stammten und lediglich über die Türkei eingeführt worden seien.

Das FG lehnte den Antrag auf Gewährung von PKH u.a. mit der Begründung ab, die Klage biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der am 7. September 1999 gefertigte Steueränderungsbescheid sei noch am selben Tage zur Post gegeben worden, er gelte daher gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) als am 10. September 1999 bekannt gegeben. Die Bekanntgabe des Steueränderungsbescheids unmittelbar an die Klägerin sei nicht deshalb unwirksam, weil sich mit Schreiben vom 19. Juli 1999 eine Rechtsanwältin an das HZA gewandt und um Fristverlängerung für die Vorlage bestimmter Nachweise gebeten habe. Da die Rechtsanwältin keine Empfangsvollmacht zur Entgegennahme von Steuerbescheiden vorgelegt habe, sei es nicht ermessensfehlerhaft gewesen, dass das HZA den Steueränderungsbescheid vom 7. September 1999 der Klägerin selbst bekannt gegeben habe. Da es sich bei dem 10. Oktober 1999 um einen Sonntag gehandelt habe, sei die Frist zur Einlegung des Einspruchs am 11. Oktober 1999 abgelaufen; der Einspruch vom 12. Oktober 1999 mithin verspätet eingelegt worden. Da Wiedereinsetzungsgründe nicht vorlägen, habe das HZA den Einspruch zu Recht als unzulässig verworfen.

Dem Antrag der Klägerin, ihr weitere ... DM Zoll für vorangegangene Einfuhren von Decodern zu erstatten, fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Sollte der bereits erhobenen Verpflichtungsklage stattgegeben werden, sei davon auszugehen, dass das HZA dem Leistungsbegehren der Klägerin entsprechen und den ihr ggf. zu erstattenden Zollbetrag auszahlen werde.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Klägerin kann, wie von der Vorinstanz zutreffend entschieden, PKH schon deshalb nicht gewährt werden, weil es bei der im PKH-Bewilligungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung an dem Bewilligungserfordernis der hinreichenden Erfolgsaussicht für das Klageverfahren fehlt (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung).

Die mit der Beschwerde geltend gemachten Einwände hat bereits das FG in seinem Beschluss ausführlich berücksichtigt und nicht für durchgreifend erachtet. Es hat zutreffend ausgeführt, dass der Steueränderungsbescheid der Klägerin vorschriftsmäßig bekannt gegeben worden ist. Das HZA war nicht verpflichtet, den Steueränderungsbescheid vom 7. September 1999 statt gegenüber der Klägerin der Rechtsanwältin gegenüber bekannt zu geben, die vorher beim HZA für die Klägerin einen Fristverlängerungsantrag zur Vorlage weiterer Unterlagen gestellt hatte. Eine Verpflichtung zur Bekanntgabe eines Steuerbescheids an den Bevollmächtigten nach § 122 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 besteht allenfalls in solchen Fällen, in denen eine eindeutige und ausdrückliche Bekanntgabevollmacht vorliegt (vgl. Senatsurteil vom 23. November 1999 VII R 38/99, BFH/NV 2000, 549) und nicht bereits dann, wenn lediglich eine Fristverlängerung für die Vorlage bestimmter Nachweise beantragt wird.

Richtig ist auch, dass der Klägerin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der --unstreitigen-- Versäumung der Einspruchsfrist gegen den Steueränderungsbescheid vom 7. September 1999 gewährt werden kann. Die Klägerin war nämlich nicht ohne Verschulden i.S. von § 110 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 verhindert, die Frist für die Einlegung des Einspruchs gegen den fraglichen Steueränderungsbescheid einzuhalten.

Nach § 110 AO 1977 ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, d.h. wenn er die für einen gewissenhaft und sachgemäß handelnden Verfahrensbeteiligten gebotene und ihm nach den Umständen zumutbare Sorgfalt beachtet hat (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. August 1993 II R 6/91, BFH/NV 1994, 440). Den Einlassungen der Klägerin ist nicht zu entnehmen, weshalb sie nicht innerhalb der Einspruchsfrist gegen den ihr bekannt gegebenen Steueränderungsbescheid Einspruch eingelegt hat. Bei Beachtung der zumutbaren Sorgfalt hätte sie nicht erst bis zum 12. Oktober 1999 warten dürfen, sondern sogleich nach dem Auffinden des Steueränderungsbescheids tätig werden und Einspruch einlegen müssen. Das FG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dem Geschäftsführer der Klägerin vom Entdecken des fraglichen Steueränderungsbescheids in einem Umzugskarton am 8. Oktober 1999 bis zum Ablauf der Einspruchsfrist am 11. Oktober 1999 noch genügend Zeit geblieben ist, um fristwahrend Einspruch einzulegen. Dass er diese Zeit ungenutzt verstreichen ließ und erst am 12. Oktober 1999 telefonisch Kontakt mit dem HZA aufgenommen hat, begründet den der Klägerin vom HZA gemachten Verschuldensvorwurf.

Schließlich kommt es nicht darauf an, ob dem Geschäftsführer der Klägerin tatsächlich telefonisch am 12. Oktober 1999 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden ist, wofür nach Aktenlage allerdings nichts spricht, denn die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch die Finanzbehörde wäre --anders als die Klägerin meint-- für das FG nicht bindend gewesen, da die Entscheidung der Behörde vom FG uneingeschränkt überprüfbar ist (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteil vom 2. Oktober 1986 IV R 39/83, BStBl II 1987, 7).

Im Übrigen hält der Senat die Ausführungen des FG für überzeugend und sieht daher gemäß § 113 Abs. 2 Satz 3 FGO von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung ab.



Ende der Entscheidung

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