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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 19.02.2004
Aktenzeichen: VII B 260/03
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 71 Abs. 2
FGO § 96 Abs. 1 Satz 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Das Amtsgericht (AG) verurteilte die Zeugin H mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom ... August 1997 wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Steuerhehlerei. Dabei ging das AG auf der Grundlage des von der Zeugin H abgelegten Geständnisses u.a. davon aus, dass diese im November 1995 bei der Auslieferung von 120 Stangen unverzollter und unversteuerter Zigaretten an die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) durch den anderweitig verfolgten F behilflich gewesen sei.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) setzte daraufhin gegen die Klägerin mit Bescheid vom ... August 1998 Zoll, Tabaksteuer und Einfuhrumsatzsteuer fest, weil sie von der Zeugin H im November 1995 24 000 Stück unverzollter und unversteuerter Zigaretten übernommen habe.

Mit Bescheid vom 17. November 1998 änderte das HZA die Festsetzung der Einfuhrabgaben auf Grund der im Rahmen einer Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnisse, indem es von einer Menge von insgesamt 48 400 Stück Zigaretten ausging. Auf den Einspruch der Klägerin erließ das HZA mit Bescheid vom ... Juli 1999 die mit dem Bescheid vom 17. November 1998 zusätzlich festgesetzten Einfuhrabgaben, weil die Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung nicht verwertet werden dürften. Den Einspruch wies das HZA sodann zurück.

Das Finanzgericht (FG) wies die von der Klägerin erhobene Klage ab. Zur Begründung führte es aus, nach den vom HZA getroffenen Feststellungen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Klägerin 24 000 Stück unverzollter und unversteuerter Zigaretten von der Zeugin H übernommen habe. Die Klägerin habe die Feststellungen des AG, welche dieses in seinem gegenüber der Zeugin H ergangenen Strafurteil getroffen habe, nicht substantiiert bestritten. Die Zeugin H habe überdies in ihrer Vernehmung nicht ausgesagt, dass ihr Geständnis vor dem Strafgericht unzutreffend gewesen sei. Sie habe vielmehr angegeben, dass es schon seine Richtigkeit gehabt haben werde, sie sich nur nicht mehr daran erinnern könne. Da die von der Klägerin übernommenen Zigaretten keine Steuerzeichen gehabt hätten, habe sie zumindest wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig eingeführt worden seien. Es bestehe keine Veranlassung, das von der Zeugin H gegenüber dem Strafgericht abgelegte Geständnis nicht zu verwerten. Im Übrigen belegten die Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung, in deren Rahmen auch Gespräche der Klägerin abgehört worden seien, dass die Zeugin H an einem groß angelegten Zigarettenschmuggel beteiligt gewesen sei. Dem Strafurteil des AG lasse sich entnehmen, dass sich diese Zeugin in eine kriminelle Organisation habe einbinden lassen. Aus dem Zusammenhang mit den Abhörprotokollen ergebe sich deshalb, dass auch die Klägerin Mitglied einer kriminellen Vereinigung gewesen sei, so dass die aus der Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnisse verwertet werden dürften.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, mit der sie Verfahrensmängel geltend macht. Das FG habe zu Unrecht die Erkenntnisse aus der im Strafverfahren durchgeführten Telefonüberwachung verwertet. Die Vorentscheidung beruhe auf diesem Verfahrensmangel, weil das FG ohne die aus der Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnisse möglicherweise nicht zu der Überzeugung gelangt wäre, dass sie die Einfuhrabgaben schulde. Das FG habe überdies die Aussage der Zeugin H unzutreffend gewürdigt. Die Zeugin H habe sich ihre Aussage vor dem Strafgericht nicht zu Eigen gemacht. Es bestehe auch der Verdacht, dass diese Zeugin nur deshalb im Strafverfahren ein Geständnis abgelegt habe, weil es sich um einen "Deal" gehandelt habe. Im Übrigen sei durch kein in das Verfahren vor dem FG eingebrachtes Beweismittel bewiesen, dass die angeblich von ihr übernommenen Zigaretten keine Steuerzeichen gehabt hätten. Schließlich sei das von der Zeugin H im Strafverfahren abgelegte Geständnis, auf welches das FG sein Urteil gestützt habe, nicht als Urkundenbeweis in das Verfahren eingeführt worden.

Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Es kann dahinstehen, ob die Klägerin die von ihr geltend gemachten Verfahrensmängel in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechenden Weise dargelegt hat. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegen jedenfalls nicht vor.

a) Soweit die Klägerin rügt, das FG habe zu Unrecht die Erkenntnisse aus der im Strafverfahren durchgeführten Telefonüberwachung verwertet, liegt zwar ein Verfahrensmangel vor. Denn der Senat hat entschieden, dass Erkenntnisse, die unmittelbar aus einer Telefonüberwachung in einem Strafverfahren resultieren, im Besteuerungsverfahren nicht verwertet werden dürfen (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2001 VII B 265/00, BFHE 194, 40, 47, BStBl II 2001, 464, 467). Demgemäß dürfen derartige Erkenntnisse auch nicht in einem finanzgerichtlichen Verfahren verwertet werden. Das FG hat jedoch die Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung im Strafverfahren in seinem Urteil verwertet.

Auf diesem Verfahrensmangel kann die Vorentscheidung indessen nicht beruhen. Die Voraussetzung des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, dass das angefochtene Urteil auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel zu beruhen vermag, ist erfüllt, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Vorentscheidung bei richtigem Verfahren anders ausgefallen wäre. Dabei kommt es auf den materiell-rechtlichen Standpunkt des FG an (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Februar 1995 V B 62/94, BFH/NV 1995, 861; vom 13. Januar 2003 III B 51/02, BFH/NV 2003, 640, 641).

Das FG hat sein Urteil auf die Feststellungen des AG in dem gegenüber der Zeugin H ergangenen Strafurteil und auf das Ergebnis der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme gestützt. Die Feststellungen aus dem Strafurteil, die auf dem Geständnis der Zeugin H beruhten, durfte das FG seiner Überzeugungsbildung zugrunde legen, weil die Klägerin diese Feststellungen seiner Auffassung nach nicht substantiiert bestritten hatte (vgl. Senatsurteil vom 26. April 1988 VII R 124/85, BFHE 153, 463, 467; Senatsbeschluss vom 11. Januar 1994 VII B 200/93, BFH/NV 1994, 804, 805). Soweit das FG unzulässigerweise die Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung verwertet hat, ist dies lediglich in der Gestalt von seine Entscheidung nicht tragenden Erwägungen geschehen. Denn das FG hat ausgeführt, die durch die Vernehmung der Zeugin H nicht widerlegten Feststellungen in dem Strafurteil des AG vom ... August 1997 würden zur Begründung der Abgabenschuldnerschaft der Klägerin ausreichen. Die alsdann folgenden Ausführungen des FG, die sich auf die Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung stützen, waren auch nach dessen materiell-rechtlicher Auffassung nicht mehr entscheidungserheblich.

b) Mit der Rüge, das FG habe die Aussage der Zeugin H unzutreffend gewürdigt, macht die Klägerin keinen Verfahrensmangel geltend. Vielmehr wendet sie sich insoweit gegen die sachliche Richtigkeit der Vorentscheidung. Dies eröffnet jedoch nicht die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26. Oktober 1998 I B 48/97, BFH/NV 1999, 506, 508; vom 27. April 1999 III B 118/98, BFH/NV 1999, 1478). Der von der Klägerin geäußerte Verdacht, das von der Zeugin H im Strafverfahren abgelegte Geständnis sei auf Grund eines "Deals" zustande gekommen, ist --soweit damit überhaupt ein Verfahrensmangel ordnungsgemäß bezeichnet worden sein sollte-- durch nichts erhärtet worden. Mit ihrem Vorbringen, es sei durch kein in das Verfahren vor dem FG eingebrachtes Beweismittel bewiesen worden, dass die angeblich von ihr übernommenen Zigaretten keine Steuerzeichen gehabt hätten, macht die Klägerin gleichfalls keinen Verfahrensmangel geltend. Sinngemäß rügt sie damit, das FG habe seine dahin gehende Feststellung nicht nachvollziehbar begründet, wie dies § 96 Abs. 1 Satz 3 FGO erfordert. Hierbei kann es sich indessen nicht um einen Verfahrensmangel, sondern allenfalls um einen materiellen Rechtsfehler handeln (vgl. Senatsurteile vom 27. Oktober 1987 VII R 18/83, BFHE 151, 270, 274; vom 23. März 1993 VII R 113/91, BFHE 171, 157, 161 f.).

c) Soweit die Klägerin geltend macht, das von der Zeugin H im Strafverfahren abgelegte Geständnis sei nicht in das Verfahren vor dem FG eingeführt worden, liegt ein Verfahrensmangel nicht vor. Das FG hat sein Urteil zwar auf das Strafurteil des AG gestützt, das auf einem Geständnis der Zeugin H beruhte. Wie die Klägerin selbst vorträgt, lässt sich der Niederschrift über die Hauptverhandlung vor dem AG in der vom FG beigezogenen Strafakte nichts zum Inhalt des von der Zeugin H abgelegten Geständnisses entnehmen. Diese Niederschrift brauchte daher nicht in das Verfahren vor dem FG eingeführt werden. Da sich das Strafurteil selbst in den vom HZA nach § 71 Abs. 2 FGO vorgelegten Akten befand, musste es nicht mehr gesondert zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht oder gar verlesen werden, um ordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt zu werden (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 1987 X R 19/80, BFHE 150, 459, 469, BStBl II 1987, 746, 751; Senatsbeschluss vom 1. Oktober 2002 VII B 91/02, BFH/NV 2003, 192, 194).

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