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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.05.2004
Aktenzeichen: VII B 265/02
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hat den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wegen rückständiger Umsatzsteuer und Nebenleistungen des X e.V. i.L. als Gesamtrechtsnachfolger der X GmbH i.G. (GmbH i.G.) in Haftung genommen.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) als unbegründet abgewiesen, weil der Kläger als dritter Vorsitzender des Vereins, der das einzige Gründungsmitglied der GmbH i.G. gewesen ist, deren Eintragung in das Handelsregister nicht betrieben worden sei, die ihm als Mitglied des Vereinsvorstandes obliegenden Pflichten zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen für September bis November 1994 und zur vollständigen Entrichtung der Umsatzsteuerbeträge grob fahrlässig verletzt habe. Der Kläger sei nach außen für den Verein aufgetreten und habe Verfügungsmacht über das Bankkonto des Vereins gehabt. Da dem Verein während des Haftungszeitraums nicht unerhebliche Gelder zugeflossen und die Spielergehälter ausgezahlt worden seien, sei die Schätzung der Haftungsquote mit 80 v.H. durch das FA, mangels anderer Unterlagen und Erkenntnisse für das Gericht, nicht zu beanstanden gewesen.

Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des FG stützt der Kläger auf die Verfahrensmängel unzureichender Sachaufklärung (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), weil das Gericht Beweise nicht erhoben, entscheidungserhebliche Tatsachen nicht aufgeklärt und Urkunden nicht beigezogen habe. Ferner habe das Gericht den Anspruch des Klägers auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 des Grundgesetzes --GG--), weil es den Kläger nicht zu seiner Absicht gehört habe, von der im Beschluss über die Aussetzung der Vollziehung vertretenen Rechtsauffassung abzuweichen.

II. Die gegen das Urteil des FG erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil ihre Begründung den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht entspricht. Sie war daher durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).

1. Sowohl die Rüge, das FG habe angebotene Beweise nicht erhoben und Zeugen nicht vernommen, als auch die Rüge, das FG hätte von sich aus den Sachverhalt weiter aufklären müssen, verlangt gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO u.a. substantiierte Ausführungen darüber, was voraussichtlich Ergebnis der unterlassenen Aufklärungsmaßnahme gewesen wäre und dass dieses Ergebnis geeignet gewesen wäre, angesichts des materiell-rechtlichen Standpunktes des Gerichts zu einer anderen Entscheidung zu führen (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Juni 1994 III B 95/93, BFH/NV 1994, 890, m.w.N.). Da es sich bei den geltend gemachten Verfahrensmängeln unterlassener Sachaufklärung und Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör um Mängel handelt, auf deren Geltendmachung der Kläger verzichten konnte (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung --ZPO--; s. auch BFH-Urteil vom 20. April 1989 IV R 299/83, BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727) ist weiterhin der Vortrag erforderlich, dass der fachkundig vertretene Kläger die Unterlassungen des Gerichts spätestens in der mündlichen Verhandlung gerügt hat oder weshalb ihm diese Rüge nicht möglich gewesen ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 3. Juni 1992 II B 192/91, BFH/NV 1993, 34, sowie vom 8. Oktober 2003 VII B 51/03, BFH/NV 2004, 217, m.w.N.). Daran fehlt es im Streitfall.

2. a) Der Kläger macht geltend, das Gericht habe es versäumt die Stellung des Klägers im Verein weiter aufzuklären und zu würdigen, dass er nach dem Vorstandsbeschluss des Vereins lediglich im Falle der Verhinderung des ersten Vorsitzenden zusammen mit dem zweiten Vorsitzenden die Vertretung des Vereins zu übernehmen hatte. Da der erste Vorsitzende zurückgetreten sei, habe nicht nur eine (vorübergehende) Verhinderung im Sinne des Vorstandsbeschlusses des Vereins vorgelegen, so dass der Kläger Vertretungsberechtigung überhaupt nicht erlangt habe. Das FG habe deshalb zu Unrecht die Verpflichtung des Klägers zur Abgabe der Steuererklärungen und Entrichtung der Steuern angenommen.

Dieser Vortrag begründet jedoch nicht die Rüge mangelhafter Sachaufklärung, sondern lediglich die Rüge materiell-rechtlich unzutreffender Würdigung des Vorstandsbeschlusses des Vereins durch das FG. Es handelt sich damit um eine materiell-rechtliche Rüge, mit der die Zulassung der Revision nicht erreicht werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. Oktober 2000 III B 16/00, BFH/NV 2001, 202, und vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.).

b) Soweit der Kläger das Übergehen eines Beweisangebotes rügt, weil das Gericht den Inhalt der Absprache zwischen den beiden anderen Vorsitzenden des Vereins und der Oberfinanzdirektion (OFD) vom 11. November 1994, nämlich dass die OFD die Auszahlung der Spielergehälter in Kenntnis des finanziell schlechten Zustandes des Vereins ausdrücklich gebilligt habe, nicht aufgeklärt und weder einen leitenden Regierungsdirektor der OFD, noch den Steuerberater zum vorbezeichneten Inhalt der mit der OFD getroffenen Absprache als Zeugen einvernommen habe, fehlt es nicht nur an der Angabe, dass der fachkundig vertretene Kläger die Nichterhebung der angebotenen Beweise vor dem FG in der mündlichen Verhandlung gerügt hat, oder aus welchen Gründen ihm diese Rüge nicht möglich gewesen sei, sondern auch an der Darlegung, inwiefern die Aussage der Zeugen zu einer anderen Entscheidung des Gerichts hätte führen können. Denn das FG hat diesen von dem Kläger in der Beschwerde hervorgehobenen Sachverhalt in seiner Entscheidung (Seite 10) als zutreffend unterstellt, in seiner rechtlichen Beurteilung jedoch ausgeführt, die Regelung über die Zahlung der Spielergehälter habe weder die steuerlichen Pflichten des Klägers noch die der Haftung zugrunde liegenden Umsätze berührt.

Die nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist vorgetragenen, und daher nicht mehr zu berücksichtigenden Einwendungen des Klägers gegen das Erfordernis rechtzeitiger Rüge und der Hinweis auf die Rechtslage im Zivilprozess und das zivilprozessuale Schrifttum stehen im Übrigen in Widerspruch zu der unter II. 1. bezeichneten Rechtsprechung des BFH zum Rügeverzicht im finanzgerichtlichen Verfahren.

c) Hinsichtlich der Aufklärungsrüge betreffend die Ermittlung der Haftungsquote, die der Kläger mit 80 v.H. für zu hoch hält, ist ihm darüber hinaus entgegenzuhalten, dass er auch in der Beschwerdebegründung noch keine Tatsachen und Belege beigebracht hat, aus denen sich eine niedrigere Haftungsquote ergeben könnte. Der Kläger übersieht, dass der BFH in ständiger Rechtsprechung das Haftungsrisiko für die Annahme einer, zu einer niedrigeren Haftungssumme führenden, anteiligen Haftung bzgl. der Höhe der anteiligen Gläubigerbefriedigung dem Haftungsschuldner überbürdet hat, wenn diesem der Nachweis einer gegenüber der Schätzung des FA niedrigeren Haftungsquote nicht gelingt und er insoweit seiner Verpflichtung zur Mitwirkung nicht nachgekommen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 31. März 2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322, 1324, m.w.N.).

3. Schließlich ist dem FG eine Verletzung des klägerischen Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs nicht deshalb vorzuwerfen, weil es beabsichtigte, in seinem Urteil von der im Aussetzungsverfahren vertretenen Auffassung abzurücken, dass dem Kläger grobe Fahrlässigkeit im Hinblick auf die Nichtabgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen und der Nichtbegleichung der Steuerschulden nicht vorgeworfen werden könne. Denn die Frage, ob und welche steuerlichen Pflichten der Kläger zu erfüllen hatte und ob er diese schuldhaft verletzt hat, war unabhängig von der möglicherweise mangelhaften Begründung des Haftungsbescheides durch das FA, von dem Gericht eigenständig zu prüfen und zu würdigen. Sie war zudem Gegenstand der zwischen den Beteiligten vor dem FG gewechselten Schriftsätze und des Vorverfahrens, so dass eine Überraschungsentscheidung schon deshalb ausscheidet, weil dem Kläger die Umstände und das Für und Wider der Bejahung grob fahrlässigen Verhaltens vor der Urteilsfindung hinreichend bekannt waren. Damit, dass das FG die tatsächlichen Umstände, die zur Haftungsinanspruchnahme geführt haben, im Hauptsacheverfahren möglicherweise anders beurteilt als in dem summarischen Verfahren über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, in dem bereits ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes für eine Aussetzung der Vollziehung genügen, ist in jedem Hauptsacheverfahren zu rechnen. Dies allein ist nicht geeignet, den Vorwurf einer Überraschungsentscheidung schlüssig darzulegen. Im Übrigen ergibt sich aus der Sitzungsniederschrift zur mündlichen Verhandlung des FG, dass der Kläger die Gelegenheit zu einem ausführlichen Rechtsgespräch über die Frage grob fahrlässiger Pflichtverletzung erhalten und ausgiebig genutzt hat.

Nach alldem war die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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