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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.04.2004
Aktenzeichen: VII B 265/03
Rechtsgebiete: InsO, FGO


Vorschriften:

InsO § 21 Abs. 1
InsO § 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 76 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurde als Geschäftsführer der persönlich haftenden GmbH einer GmbH & Co. KG, über deren Vermögen er am ... April 2000 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hatte, wegen rückständiger Lohnsteuer, Kirchenlohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Säumniszuschlägen hierzu für März 2000 in Haftung genommen, weil er es versäumt habe, die Löhne gekürzt auszuzahlen und aus den verbleibenden Mitteln die entsprechende Lohnsteuer und übrigen Abgaben abzuführen. Die schuldhafte Pflichtverletzung werde weder durch ein nach Aussage des Vertreters der kreditgewährenden Bank nicht gerechtfertigtes Vertrauen auf eine Verlängerung des der KG bislang eingeräumten Überziehungskredites, noch dadurch, dass zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerabzugsbeträge ein vorläufiger Insolvenzverwalter gemäß § 21 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Insolvenzordnung (InsO) bestellt war, ausgeschlossen. Die Auskunft des Insolvenzverwalters, dass die Insolvenzquote voraussichtlich 57 v.H. betragen werde, führe, solange eine entsprechende Zahlung nicht erfolgt sei, nicht zur Minderung der Haftungssumme.

Die gegen dieses Urteil erhobene Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision stützt der Kläger auf den Verfahrensmangel unzureichender Sachaufklärung, insbesondere bei der Zeugeneinvernahme (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil der in der Beschwerdebegründung allein geltend gemachte Verfahrensfehler der unzureichenden Sachaufklärung nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt worden ist.

1. Soweit der Kläger die Rüge mangelnder Sachaufklärung darauf stützt, dass das Gericht den Zeugen zu dem streitigen Sachverhalt einer Verlängerung des Überziehungskredites für die KG nicht eingehend genug befragt und ihm sowohl in der Aussage selbst als auch zum Akteninhalt bzw. zum Sachvortrag des Klägers aufgetretene Widersprüche nicht vorgehalten hat, ist der Verfahrensmangel nicht i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO schlüssig dargelegt.

Wird geltend gemacht, das Finanzgericht (FG) hätte den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Antrag des im Termin zur mündlichen Verhandlung anwesenden Prozessvertreters des Klägers von Amts wegen umfassender aufklären müssen, ist u.a. darzulegen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei der weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern bei der Beweiserhebung durch Zeugeneinvernahme eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes durch eine eingehendere Zeugenbefragung und Vorhalte an diesen auf der Grundlage des materiellen Rechtsstandpunktes des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--, vgl. Senatsbeschluss vom 28. August 2003 VII B 71/03, BFH/NV 2004, 493, 494, m.w.N.). Schließlich gehört zur ordnungsgemäßen Darlegung des Verfahrensfehlers mangelhafter Sachaufklärung nach ständiger Rechtsprechung auch der Vortrag, dass die nicht zureichende Aufklärung des Sachverhaltes während der Zeugeneinvernahme und die Nichterhebung weiterer (angebotener) Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20. April 1989 IV R 299/83, BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, und Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2003 VII B 10/03, BFH/NV 2004, 529). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung --ZPO--) hat die Unterlassung der rechtzeitigen Rüge den endgültigen Rügeverlust --z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde-- zur Folge. Das Übergehen eines Beweisantrages oder eine unvollständige Zeugeneinvernahme kann deshalb im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der maßgeblichen mündlichen Verhandlung selbst anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte, dem die Nichtbefolgung eines Beweisantrages oder die mangelhafte Sachaufklärung während der Zeugenbefragung erkennbar war, den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597).

Der Kläger hat weder substantiiert dargelegt, noch ist es aus dem Sitzungsprotokoll des FG ersichtlich, dass er, obwohl er durch seinen Prozessbevollmächtigten fachkundig vertreten war, in der mündlichen Verhandlung vor dem FG das Übergehen von Beweisanträgen oder die mangelhafte Aufklärung von Widersprüchen in der Zeugenaussage des Herrn E gerügt hat oder weshalb ihm eine solche Rüge nicht möglich war. Aus der vorliegenden Sitzungsniederschrift ist auch nicht ersichtlich, dass der anwesende Klägervertreter, der nunmehr behauptet, der Zeuge habe im Widerspruch zur Aktenlage verneint, dass der Kläger mit Schreiben vom 14. März 2000, mit dem er um Verlängerung des Überziehungskredites für die KG nachgesucht habe, auch einen Liquiditätsstatus der KG vorgelegt hat, an den Zeugen selbst Fragen zu diesem Sachverhalt gestellt, geschweige denn auf aufklärungsbedürftige Widersprüche in der Aussage des Zeugen E hingewiesen, oder den Antrag auf Vernehmung "weiterer während der Verhandlung anwesender Herren" gestellt hat. Vielmehr hat er nach der Einvernahme des unbeeidigt gebliebenen Zeugen E weiter zur Sache verhandelt und den Antrag aus der Klageschrift gestellt, ohne auf einer weiteren Sachaufklärung zu bestehen. Damit ist auf die Rüge unzureichender Sachaufklärung wirksam verzichtet worden, so dass die Beschwerde schon aus diesem Grunde keinen Erfolg haben kann.

2. Die Beschwerde sieht einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht auch darin, dass das Gericht nicht von Amts wegen weitere bei dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28. März 2000 anwesende Herren als Zeugen vernommen hat, um die Richtigkeit der Zeugenaussage des Herrn E zu überprüfen. Auch diese Rüge ist nicht schlüssig dargetan.

Die Verpflichtung des FG zur Erforschung des Sachverhaltes beinhaltet zwar, dass das FG auch ohne entsprechenden Hinweis der Beteiligten die sich im Einzelfall aufdrängenden Überlegungen anstellen und die hierfür notwendigen Ermittlungen durchführen muss, nicht aber, dass es jeder fernliegenden Erwägung nachzugehen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 10. September 2003 X B 132/02, BFH/NV 2004, 495). Auch insoweit gilt, dass die Sachaufklärungspflicht des FG nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht losgelöst von den Mitwirkungspflichten der Beteiligten gesehen werden kann (BFH-Beschluss vom 9. Dezember 1998 IV B 98/97, BFH/NV 1999, 800). Die im Termin zur mündlichen Verhandlung von dem fachkundig vertretenen Kläger nicht beantragte Vernehmung weiterer Zeugen zur Aufklärung angeblicher Widersprüche in der Zeugenaussage des E, musste sich dem Gericht nämlich schon deshalb nicht aufdrängen, weil es die Aussage des Zeugen E, wie es in der Beweiswürdigung ausdrücklich hervorgehoben hat, für klar und widerspruchsfrei hielt.

3. Mit der dem Beschwerdevorbringen ferner zu entnehmenden Rüge unrichtiger Würdigung der Aussage und der Glaubwürdigkeit des Zeugen E und einer darauf beruhenden fehlerhaften Würdigung der Umstände, die zur Versagung der Verlängerung des der KG eingeräumten Überziehungskredites geführt haben, wendet sich der Kläger gegen die Beweiswürdigung und macht damit lediglich Fehler bei der Anwendung des materiellen Rechts geltend, die einen Verfahrensmangel nicht begründen und die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen können (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 14. November 2003 VIII B 70/02, BFH/NV 2004, 513).



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