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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 26.09.2005
Aktenzeichen: VII B 274/04
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 74
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) führte im Juli 2000 unter Inanspruchnahme von Ausfuhrerstattung Wurst der Marktordnungswarenlistennummer 1601 0091 9000 in die Bundesrepublik Jugoslawien aus. Im Rahmen einer nachträglichen Überprüfung des Erstattungsvorgangs stellte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) fest, dass der erforderliche Einfuhrnachweis nicht innerhalb der insoweit vorgeschriebenen Fristen eingereicht worden war, und forderte mit Berichtigungsbescheid die gewährte Ausfuhrerstattung zurück.

Der hiergegen erhobene Einspruch sowie die Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Ausfuhrerstattung zu Unrecht gewährt und daher zurückzufordern gewesen sei, weil der für die Gewährung differenzierter Erstattung --um die es im Streitfall gehe-- erforderliche Einfuhrnachweis von der Klägerin nicht eingereicht worden sei; die entsprechenden Vorlagefristen seien inzwischen abgelaufen. Die Klägerin könne insoweit nicht mit Erfolg geltend machen, dass sie vor Ablauf der zwölfmonatigen Vorlagefrist nicht vom HZA auf das Fehlen des Einfuhrnachweises hingewiesen worden sei. Eine solche Hinweispflicht des HZA habe nicht bestanden. Im Übrigen habe das HZA einen solchen Hinweis jedenfalls innerhalb der sechsmonatigen Nachfrist gegeben, ohne dass die Klägerin --etwa durch das Stellen eines Fristverlängerungsantrags-- reagiert hätte. Auch auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen, da sie hätte erkennen können, dass die Ausfuhrerstattung infolge eines Fehlers des HZA zu Unrecht gewährt worden war.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt. Sie macht geltend, dass sie mit ihrer Klageschrift hilfsweise die Aufrechnung mit einem gegen das HZA bestehenden Amtshaftungsanspruch wegen des unterlassenen Hinweises auf den fehlenden Einfuhrnachweis erklärt habe. Das FG habe die Aufrechnung jedoch übergangen. Sollte es der Ansicht gewesen sein, über den Amtshaftungsanspruch nicht in eigener Zuständigkeit entscheiden zu können, hätte es das Verfahren aussetzen müssen. Außerdem sei im Streitfall durch den fehlerhaften Erstattungsbescheid ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, der dazu geführt habe, dass die Klägerin es unterlassen habe, die Rechtmäßigkeit des Bescheids noch einmal zu überprüfen, und dass es ihr nicht mehr möglich gewesen sei, den Einfuhrnachweis zu beschaffen. Dies stelle einen Fall höherer Gewalt dar. Diesen Fragen komme grundsätzliche Bedeutung zu.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert, jedenfalls aber nicht vorliegen.

1. Soweit die Beschwerde sinngemäß eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) durch Übergehen der hilfsweise erklärten Aufrechnung in den Urteilsgründen rügt, liegt der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vor. Das FG ist nicht verpflichtet, sich in der Urteilsbegründung mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen hat (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Juni 2001 II B 129/00, BFH/NV 2001, 1292). Daher liegt in derartigen Fällen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, dass das FG Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (BFH-Beschluss vom 19. November 2002 X B 78/01, BFH/NV 2003, 335, m.w.N.). An solchen besonderen Umständen fehlt es im Streitfall. Zum einen hat das FG in der Urteilsbegründung auf seinen Beschluss vom 19. Dezember 2002 IV 386/02 in dem vorangegangenen Verfahren betreffend die Aussetzung der Vollziehung Bezug genommen, in dem es sich mit der Aufrechnung mit dem vermeintlichen Amtshaftungsanspruch auseinander gesetzt hat. Zum anderen hat es ausgeführt, dass dem HZA eine Hinweispflicht, auf deren Verletzung die Klägerin ihren Amtshaftungsanspruch stützt, nicht oblegen habe.

Soweit die Beschwerde die vom FG unterlassene Aussetzung des Verfahrens rügt, ist ein Verfahrensmangel nicht schlüssig dargelegt. Die Verfahrensaussetzung liegt nach § 74 FGO grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Ein die Zulassung der Revision rechtfertigender Verfahrensmangel ist nicht schlüssig geltend gemacht, wenn das FG eine Verfahrensaussetzung unterlassen hat, die beantragt oder angeregt zu haben der Beschwerdeführer --wie im Streitfall-- nicht einmal behauptet (Senatsbeschluss vom 27. April 1995 VII B 17/95, BFH/NV 1995, 915). Die Klägerin hat während der fast zweijährigen Verfahrensdauer beim FG zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht, dass sie ihren vermeintlichen Amtshaftungsanspruch beim zuständigen Zivilgericht anhängig gemacht habe oder dass ihr zu diesem Zweck Gelegenheit durch Aussetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens zu geben sei. Nicht zuletzt in Anbetracht dieses Umstandes hätte die Beschwerde schlüssig vortragen müssen, weshalb das dem FG hinsichtlich der Aussetzung eingeräumte Ermessen im Streitfall auf Null reduziert gewesen sein soll, die Aussetzung des Verfahrens also aufgrund der besonderen Umstände des Falles die einzige richtige Entscheidung gewesen wäre (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Juli 2003 V B 210/01, BFH/NV 2003, 1598, und V B 211/01, BFH/NV 2004, 57). An solchen Darlegungen der Beschwerde fehlt es indes.

Zwar hat der Senat entschieden, dass das FG im Fall der Aufrechnung mit einer bestrittenen rechtswegfremden Forderung gehindert ist, selbst über den Bestand dieser Gegenforderung zu entscheiden, sondern den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des zuständigen Gerichts auszusetzen bzw. dem aufrechnenden Beteiligten aufzugeben hat, binnen einer bestimmten Frist Klage zu erheben, und dass in Fällen dieser Art die Aussetzung des Verfahrens die allein ermessensgerechte Entscheidung ist (Senatsbeschluss vom 9. April 2002 VII B 73/01, BFHE 198, 55, BStBl II 2002, 509; Senatsurteil vom 31. Mai 2005 VII R 56/04, BFH/NV 2005, 1759). Diesen Entscheidungen lagen allerdings Fälle zugrunde, in denen die gerichtliche Bestätigung der Gegenforderung unmittelbar zum entsprechenden Erfolg der finanzgerichtlichen Klage geführt hätte. So liegt der Streitfall jedoch nicht. Das FG hatte im Rahmen der Anfechtungsklage über die Rechtmäßigkeit des Berichtigungsbescheids des HZA zu befinden, mit dem die zu Unrecht gewährte Ausfuhrerstattung zurückgefordert wurde. Der insoweit maßgebende Zeitpunkt war derjenige der letzten Behördenentscheidung (hier: Einspruchsentscheidung des HZA). Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin indes die Aufrechnung mit dem vermeintlichen Amtshaftungsanspruch noch nicht erklärt. Der Ausgang des finanzgerichtlichen Verfahrens hing somit nicht vom Bestand der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung ab; das FG war daher nicht zur Aussetzung des Verfahrens verpflichtet.

2. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO muss der Beschwerdeführer schlüssig und substantiiert darlegen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Juni 1995 II B 5/95, BFH/NV 1996, 141, m.w.N., und vom 14. März 2000 V B 23/00, BFH/NV 2000, 1148). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde im Streitfall nicht gerecht, weil sie bereits keine konkreten Rechtsfragen bezeichnet, geschweige denn auf deren grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit eingeht.

Darüber hinaus sind die im Streitfall maßgeblichen Rechtsfragen zur Hinweispflicht des HZA auf fehlende Unterlagen, zum Vorliegen höherer Gewalt und zur Erkennbarkeit einer fehlerhaften Erstattungsgewährung durch das HZA auch nicht klärungsbedürftig, weil sie sich nur so beantworten lassen, wie es das FG getan hat, bzw. bereits höchstrichterlich geklärt sind. Auf die zutreffenden Rechtsprechungsnachweise in dem angefochtenen Urteil kann insoweit verwiesen werden.

Ende der Entscheidung

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