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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 09.08.1999
Aktenzeichen: VII B 282/98
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 76 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) hat den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) mit Steuerbescheid vom ... 1994 für Abgaben in Höhe von insgesamt ... DM (... DM Zoll, ... DM Abschöpfung, ... DM Tabaksteuer, ... DM Mineralölsteuer, ... DM Branntweinsteuer und ... DM Einfuhrumsatzsteuer) in Anspruch genommen. Das HZA ging davon aus, daß der Kläger in der Zeit von Januar bis August 1993 insgesamt ... Stück Zigaretten, ... Liter Dieselöl, ... Liter Motorenöl, ... Liter Wodka, ... Liter Weinbrand, ... Liter Whisky und ... kg Schnittkäse aus den Versorgungsbeständen der sowjetischen Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland gekauft habe. Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts vom 14. September 1994 wurde der Kläger aufgrund des dem Bescheid zugrundeliegenden Sachverhalts wegen fortgesetztem gewerbsmäßigem bandenmäßigem Schmuggels und Steuerhehlerei zu einer Gesamtfreiheitstrafe von ... verurteilt. Den Einspruch des Klägers wies das HZA mit Entscheidung vom ... 1994 zurück. Mit seiner Klage machte der Kläger im wesentlichen folgendes geltend: Im Rahmen der Ermittlungen sei versucht worden, anderen Beschuldigten Aussagen zu Ungunsten des Klägers nahezulegen. Diese Zeugen hätten zu ihrer vorläufigen Entlastung möglicherweise zunächst den Kläger beschuldigt. Außerdem bestritt er die dem Steuerbescheid zugrunde gelegten Mengen an Diesel- und Motorenöl, Wodka, Weinbrand, Whisky, Käse und Zigaretten.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es machte sich insbesondere die Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils zu eigen, die vom Kläger nicht substantiiert bestritten worden seien.

Die gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde stützt der Kläger auf grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie auf Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil in ihrer Begründung keiner der Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Weise bezeichnet ist.

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache muß in der Beschwerdeschrift dargelegt werden. Insoweit ist die schlüssige und substantiierte Darlegung der Voraussetzungen für das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung erforderlich. Dazu muß die Beschwerde konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen. Insbesondere sind Ausführungen erforderlich, aus welchen Gründen und in welchem Umfang die Rechtsfrage umstritten ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Oktober 1996 VIII B 2/96, BFH/NV 1997, 411, m.w.N.).

Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdeschrift nicht. Der Kläger sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darin, daß das FG die Rechtsgrundlage geändert und darauf abgestellt habe, daß der Kläger die Zigaretten aus den zoll- und steuerfreien Beständen der russischen Streitkräfte gekauft habe. Insoweit habe es das FG versäumt, dem Kläger einen Hinweis auf die geänderten Gesichtspunkte zu geben und dem Kläger kein rechtliches Gehör gewährt. Abgesehen davon, daß sich der Beschwerdebegründung damit keine Rechtsfrage entnehmen läßt, deren Klärung der Kläger im Revisionsverfahren anstrebt, fehlt auch jede Auseinandersetzung mit einer Rechtsfrage, die auf deren grundsätzliche Bedeutung hinweisen könnte. Außerdem ist der Beschwerdeschrift zu entnehmen, daß der Kläger von unzutreffenden Anforderungen an eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung ausgeht. Es kommt nicht darauf an, daß das FG materielle Rechtsfragen nach Auffassung des Klägers unzutreffend entschieden hat und daß das FG bestimmten tatsächlichen Umständen nicht ausreichend Rechnung getragen hat, die der Kläger für erheblich hält. Denn mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden. Im übrigen ist auch nicht ersichtlich, daß das FG tatsächlich in wesentlichen Punkten von dem rechtskräftigen Strafurteil abgewichen ist.

2. Soweit der Kläger die Zulässigkeit der Revision wegen Divergenz zu den Urteilen vom 13. Juli 1994 I R 112/93 (BFHE 175, 489, BStBl II 1995, 198), vom 12. Juni 1991 III R 106/87 (BFHE 164, 396, BStBl II 1991, 806), vom 26. April 1988 VII R 124/85 (BFHE 153, 463) und vom 23. Januar 1985 I R 30/81 (BFHE 143, 117, BStBl II 1985, 305) begehrt, wird in der Beschwerdeschrift eine die Zulassung rechtfertigende Abweichung nicht dargelegt. Denn es sind keine dem angefochtenen Urteil und den Entscheidungen des BFH entnommenen Rechtssätze einander gegenübergestellt, zwischen denen ein Widerspruch erkennbar wäre, sondern der Beschwerdebegründung ist allenfalls zu entnehmen, daß der Kläger meint, das FG hätte bei richtiger Anwendung der in der Rechtsprechung des BFH aufgestellten Rechtssätze auf den Streitfall zu einer anderen Entscheidung gelangen müssen. Damit kann indes eine Divergenzrüge nicht erfolgreich begründet werden.

3. Die angeblichen Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) sind in der Beschwerde ebenfalls nicht ausreichend bezeichnet.

a) Hinsichtlich des von dem Kläger erhobenen Vorwurfes, das FG habe die Strafakten nicht verwerten dürfen, weil er der Beiziehung ausdrücklich widersprochen habe, fehlt es schon an der Angabe einer Verfahrensvorschrift, die insoweit verletzt sein soll.

Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen, das heißt, daß der Sachverhalt erforderlichenfalls unter Ausnutzung aller verfügbaren Beweismittel so vollständig wie möglich aufzuklären ist. Das Gericht ist dabei an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO). Dies bedeutet, daß das FG von sich aus auch Beweise erheben kann, die von den Parteien nicht angeboten sind (vgl. BFH-Urteil vom 12. April 1994 IX R 101/90, BFHE 174, 301, BStBl II 1994, 660). Das gleiche gilt für die Beiziehung von Strafakten, die das FG im Rahmen der ihm obliegenden Erforschung des Sachverhalts ebenfalls beiziehen kann. Geschieht dies zum Zwecke der Sachaufklärung, ist die Maßnahme als sog. prozeßleitende Verfügung oder als Aufklärungsanordnung eine unselbständige Verfahrenshandlung und daher nicht selbständig anfechtbar (vgl. BFH-Beschluß vom 14. Juni 1995 II B 64/95, BFH/NV 1996, 51). Der Kläger konnte sich daher aufgrund seines Widerspruchs gegen die Beiziehung der Strafakten nicht darauf verlassen, daß er diese Akten nicht einzusehen brauchte, weil der Senat vor einer Entscheidung in der Sache noch über die Notwendigkeit der Beiziehung zu entscheiden hatte. Fehler beim Erlaß einer solchen Verfügung oder eines Beschlusses dieser Art können jedoch einen Verfahrensfehler begründen, wenn etwa die Beiziehung von Strafakten zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs geführt hat. Eine solche Rüge konnte der Kläger jedoch nicht erheben, weil ihm die Beiziehung der Akten durch das FG rechtzeitig (mehr als 7 Wochen vor der mündlichen Verhandlung) mitgeteilt wurde und ihm, obwohl er bis zur mündlichen Verhandlung keinen Antrag auf Akteneinsicht gestellt hatte, noch am Tag der mündlichen Verhandlung ausreichend Zeit zur Akteneinsicht gegeben wurde.

b) Auch die vom Kläger angeführte Verletzung der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme ist nicht schlüssig gerügt (§§ 115 Abs. 2 Nr. 3, 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Es ist zwar richtig, daß sich das FG wegen des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme grundsätzlich die Kenntnis der Tatsachen, die es zur Grundlage seiner Entscheidung macht, selbst verschaffen muß. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos (vgl. hierzu schon BFH-Urteil vom 10. Januar 1978 VII R 106/74, BFHE 124, 305, BStBl II 1978, 311). Insbesondere kann sich das FG die Feststellungen aus einem in das finanzgerichtliche Verfahren eingeführten Strafurteil zu eigen machen, falls nicht die Verfahrensbeteiligten substantiierte Einwendungen vortragen und entsprechende Beweisanträge stellen (vgl. BFH-Beschluß vom 25. November 1997 VII B 86/97, BFH/NV 1998, 738). Werden die Strafakten beigezogen, bleibt es den Beteiligten unbenommen, durch entsprechende Beweisanträge die Verwendung unmittelbarer Beweismittel anstelle des mittelbaren Beweismittels (z.B. Strafurteil) sicherzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 153, 463). Der Kläger hat hiervon Gebrauch gemacht und auch noch in der mündlichen Verhandlung Beweisanträge gestellt, die nach der Auffassung des FG allerdings nicht substantiiert genug waren, weil der Vortrag des Klägers nicht widerspruchsfrei gewesen sei.

Der Senat braucht vorliegend nicht zu entscheiden, ob das FG den Beweisanträgen des Klägers zu Recht nicht nachgegangen ist, denn der Kläger hat bei der geltend gemachten Rüge der mangelnden Sachaufklärung weitere Anforderungen an eine schlüssige Rüge unbeachtet gelassen. Wird die Nichterhebung eines angebotenen Beweises gerügt, sind u.a. die ermittlungsbedürftigen Tatsachen, die dafür geeigneten Beweisthemen und Beweismittel zu benennen, die das FG hätte heranziehen müssen. Ferner müssen die entscheidungserheblichen Tatsachen bezeichnet werden, die sich daraus über den festgestellten Sachverhalt hinaus ergeben hätten. Schließlich ist darzulegen, inwieweit die als unterlassen gerügte Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluß vom 9. Februar 1993 V B 153/92, BFH/NV 1995, 601). Der Kläger hat nicht erläutert, welches konkrete Beweisergebnis mit welchen Auswirkungen auf die Entscheidung erzielbar gewesen wäre.

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