Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 30.04.2001
Aktenzeichen: VII B 35/01
Rechtsgebiete: GVG, ZPO, AO 1977, FGO


Vorschriften:

GVG § 17a Abs. 4 Satz 3
GVG § 17b Abs. 1 Satz 1
ZPO § 577
ZPO § 568 Abs. 2
ZPO § 568 Abs. 1
ZPO § 568 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 568 Abs. 2 Satz 2
AO 1977 § 117 Abs. 2
FGO § 128 Abs. 2
FGO § 33 Abs. 3
FGO § 33 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) betreibt beim Finanzgericht (FG) ein Klageverfahren gegen die vom Beklagten (Zentralfinanzamt --FA--) aufgrund eines österreichischen Vollstreckungsersuchens betriebene Zwangsvollstreckung aus einem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft .../Österreich vom 2. Juli 1996 ... wegen einer dort begangenen Verkehrsübertretung. Die Klage ist vom Amtsgericht (AG) ... mit Beschluss vom 27. Januar 2000 ... nach § 17a Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) an das FG als das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs verwiesen worden. Die hiergegen vom Kläger eingelegte sofortige Beschwerde wurde vom Landgericht (LG) ... mit Beschluss vom 21. August 2000 ... zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger sofortige weitere Beschwerde an das Oberlandesgericht (OLG) eingelegt.

Ohne die Entscheidung des OLG abzuwarten, hat das FG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 22. November 2000 anberaumt. Mit Schriftsatz vom 19. November 2000 lehnte der Kläger den Vorsitzenden Richter des FG-Senats wegen Befangenheit ab, weil er in ein schwebendes Zuständigkeitsverfahren vor dem OLG eingegriffen und mit dem Beklagtenvertreter Regierungsdirektor W Vorabsprachen getroffen habe. Das FG führte die anberaumte mündliche Verhandlung gleichwohl durch.

Ausweislich des Protokolls dieser Verhandlung hielt der Kläger seinen Befangenheitsantrag zu Beginn der Verhandlung aufrecht. Ohne darüber mündlich zu verhandeln, unterbrach das FG daraufhin die mündliche Verhandlung und lehnte während dieser Unterbrechung den Befangenheitsantrag in anderer Besetzung (statt des abgelehnten Vorsitzenden Richters übernahm ein anderer beteiligter Richter den Vorsitz und ein bisher nicht am Verfahren beteiligter Richter wurde als dritter Richter hinzugezogen) ab. Die getroffene Entscheidung wurde nach Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung den Beteiligten bekannt gegeben, ehe in der Sache weiterverhandelt worden ist.

Der Beschluss über die Richterablehnung ist dem Kläger am 26. Januar 2001 zugestellt worden. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das FG darin aus, der Kläger habe die geltend gemachten Befangenheitsgründe nicht glaubhaft gemacht. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Vorsitzende Richter in ein schwebendes Verfahren vor dem OLG eingegriffen oder mit einem Herrn W Prozessabsprachen getroffen hätte. Der Vorsitzende Richter habe dies in seiner dienstlichen Stellungnahme vom 22. November 2000 bestätigt.

Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2001, am gleichen Tag beim FG eingegangen, erhob der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte Beschwerde gegen die Entscheidung des FG über sein Richterablehnungsgesuch. Zur Begründung führte er aus, die Befangenheit des Vorsitzenden Richters folge daraus, dass dieser in Kenntnis der fehlenden Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses in dem Verfahren tätig geworden sei. Außerdem habe er gewusst, dass es sich vorliegend um eine Strafsache handele, welche nicht vor den Finanzgerichten verhandelt werden dürfe. Eine Prozessabsprache mit Regierungsdirektor W müsse stattgefunden haben, da dieser ihm gegenüber geäußert habe, das FG werde ihm Rechtsschutz gewähren nach Durchführung eines Vorverfahrens, was jedoch in Strafsachen nicht möglich sei.

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Zwar ist nach § 128 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Bekanntmachung der Neufassung vom 28. März 2001 (BGBl I, 442) die Beschwerde gegen Beschlüsse des FG über die Ablehnung von Gerichtspersonen seit 1. Januar 2001 entgegen dem bisherigen Recht (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 46 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung --ZPO-- und § 128 Abs. 1 FGO) nicht mehr statthaft. Die Neufassung des § 128 Abs. 2 FGO (insoweit jetzt lex specialis gegenüber § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 46 Abs. 2 ZPO) kommt nach Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) i.V.m. Art. 1 Nr. 18 dieses Gesetzes im Streitfall aber noch nicht zur Anwendung. Denn nach dieser Überleitungsvorschrift richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen eine gerichtliche Entscheidung nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften, wenn die Entscheidung vor dem 1. Januar 2001 verkündet oder von Amts wegen anstelle einer Verkündung zugestellt worden ist.

Im Streitfall ist der Beschluss des FG über das Richterablehnungsgesuch des Klägers den Beteiligten bereits in der mündlichen Verhandlung am 22. November 2000 bekannt gegeben und damit verkündet worden. Ohne Bedeutung in diesem Zusammenhang ist, dass der Beschluss später, und zwar erst am 26. Januar 2001, auch zugestellt worden ist. Die Zustellung war lediglich deshalb erforderlich, weil durch die Entscheidung des FG die Rechtsmittelfrist in Lauf gesetzt wurde (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 46 Abs. 2 ZPO, § 53 Abs. 1 FGO) und die Zustellung trotz Verkündung zum damaligen Zeitpunkt ausdrücklich vorgeschrieben war (§ 155 FGO i.V.m. § 46 Abs. 2, § 329 Abs. 3 ZPO). Da sich mithin die Zulässigkeit der eingelegten Beschwerde noch nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften beurteilt, ist die Beschwerde zulässig.

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

a) Hinsichtlich des Vorwurfs, der Vorsitzende Richter habe, indem er die Sache terminiert, verhandelt und zur Entscheidung gebracht habe, in ein schwebendes Verfahren vor dem OLG eingegriffen, befindet sich der Kläger im Rechtsirrtum. Denn mit der Entscheidung des LG vom 21. August 2000, mit dem es die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Verweisungsbeschluss des AG (§ 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. § 568 Abs. 1, § 577 ZPO) zurückgewiesen hat, ist der Verweisungsbeschluss rechtskräftig geworden. Dies folgt daraus, dass nach § 568 Abs. 2 ZPO gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts eine weitere Beschwerde nur stattfindet, wenn dies im Gesetz besonders bestimmt ist. § 17a Abs. 4 GVG sieht indessen eine weitere Beschwerde gegen einen Verweisungsbeschluss nicht vor, es sei denn, der angefochtene Beschluss ist von einem oberen Landesgericht erlassen worden. Hat mithin ein AG den Ausgangsbeschluss erlassen, endet der Beschwerderechtsweg nach § 568 Abs. 1 ZPO beim LG. Die weitere Beschwerde nach § 568 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist nicht eröffnet (vgl. Zöller/Gummer, Zivilprozeßordnung, 22. Aufl. 2001, § 17a GVG Rz. 16); auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen der zusätzlichen Zulässigkeitsvoraussetzung des § 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO kommt es daher nicht an. Die gleichwohl eingelegte weitere Beschwerde des Klägers zum OLG ist ersichtlich nicht statthaft. Nach Eintritt der Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses ist der Rechtsstreit mit dem erneuten Eingang der Akten am 7. September 2000 beim FG anhängig geworden (§ 17b Abs. 1 Satz 1 GVG). Folglich hat sich der Vorsitzende Richter korrekt verhalten, indem er die Sache terminierte und zur Entscheidung brachte. Aus einem korrekten prozessualen Verhalten kann aber ein Befangenheitsgrund nicht abgeleitet werden.

Der Kläger irrt ferner, wenn er vorträgt, es handele sich vorliegend um eine Strafsache, für die nach § 33 Abs. 3 FGO der Rechtsweg zu den Finanzgerichten nicht gegeben sei, und daraus auf Willkür des Verweisungsbeschlusses und mangelnde Bindungswirkung desselben schließt. Wie vom FA mehrfach vorgetragen und vom LG bestätigt worden ist, handelt es sich bei dem österreichischen "Verwaltungsstrafverfahren" nicht um ein Strafverfahren i.S. des § 33 Abs. 3 FGO, sondern um ein dem deutschen Ordnungswidrigkeitenrecht bei Verkehrsverstößen (hier: erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung) entsprechendes Verwaltungsverfahren, in dem eine dem deutschen Bußgeld vergleichbare Verwaltungsstrafe verhängt wird. Dem entsprechend ist das "Straferkenntnis" vom Bezirkshauptmann, einer Verwaltungsbehörde, erlassen worden. Als öffentlich-rechtliche Geldforderungen unterfallen solche Verwaltungsstrafen hinsichtlich ihrer Vollstreckung in der Bundesrepublik Deutschland den Vorschriften der zwischenstaatlichen Vollstreckungshilfe aufgrund des § 117 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. dem Gesetz vom 26. April 1990 zu dem Vertrag vom 31. Mai 1988 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen (BGBl II 1990, 357). Wie schon das LG zutreffend ausgeführt hat, sind nach Art. 2 dieses Gesetzes i.V.m. Art. 9 des Vertrages und Art. 24 und 25 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und -vollstreckungsgesetzes vom 11. November 1970 (Gesetz- und Verordnungsblatt 1971, 1) sowie dem Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 3. September 1990 (Gemeinsames Ministerialblatt 1990, 545) in Bayern die Finanzämter für die Vollstreckung von Leistungsbescheiden der Verwaltungsbehörden und für die Durchführung von Vollstreckungsersuchen nach dem bezeichneten Vertrag zuständig. Damit ist in solchen Vollstreckungssachen nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO auch der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet.

b) Der weitere Vorwurf, der Vorsitzende Richter habe mit Regierungsdirektor W, dem Vertreter der Bezirksfinanzdirektion ..., eine Prozessabsprache getroffen, entbehrt bereits jeglicher Substantiierung. Der Vortrag des Klägers erschöpft sich insoweit in unzulässigen Mutmaßungen. Richtig ist vielmehr, dass das FA in zahlreichen Schriftsätzen stets darauf hingewiesen hat, dass es an der Durchführung eines Vorverfahrens fehlt. Wenn Herr W dies auch dem Kläger gegenüber erklärt hat, so hat er damit zutreffend lediglich auf eine verfahrensrechtliche Voraussetzung des zu gewährenden Rechtsschutzes durch das FG hingewiesen. Wieso hieraus auf eine Prozessabsprache der Gegenseite mit dem Vorsitzenden Richter geschlossen werden könnte, bleibt unverständlich. Der Vorsitzende Richter hat in seiner dienstlichen Erklärung zudem betont, dass er einen Herrn W nicht einmal kennt.

Ende der Entscheidung

Zurück