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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 07.07.2004
Aktenzeichen: VII B 354/03
Rechtsgebiete: BGB, AO 1977, FGO


Vorschriften:

BGB § 812 Abs. 1
BGB § 818 Abs. 3
AO 1977 § 37 Abs. 2
FGO § 90 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 116 Abs. 3 Satz 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) reichte beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) berichtigte Umsatzsteuervoranmeldungen für drei Voranmeldungszeiträume ein und fügte einen Scheck über den sich aus den Anmeldungen insgesamt ergebenden Steuerbetrag von 5 894,80 DM bei. Das FA erfasste versehentlich nur den Betrag für einen der Voranmeldungszeiträume in Höhe von 1 366,20 DM und überwies die Differenz von 4 528,60 DM zu dem per Scheck gezahlten Betrag zurück auf ein privates Konto des Klägers. Nachdem das FA den Kläger über die versehentliche Rücküberweisung informiert hatte, machte dieser geltend, dass er i.S. des § 818 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entreichert sei, weil er von dem privaten Konto einen Urlaub bezahlt habe. Der vom FA daraufhin erlassene Abrechnungsbescheid wies diesen Betrag jedoch als noch offen aus. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass auf Grund der irrtümlichen Rücküberweisung des streitigen Steuerbetrags auf das Konto des Klägers ein Rückforderungsanspruch des FA in entsprechender Höhe gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) entstanden sei; auf diesen Anspruch sei § 818 Abs. 3 BGB nicht anwendbar.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Sowohl von grundsätzlicher Bedeutung als auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung klärungsbedürftig sei die Frage, ob einem steuerrechtlichen Rückforderungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO 1977 der Entreicherungseinwand nach § 818 Abs. 3 BGB entgegengehalten werden könne. Insoweit gebe es in Rechtsprechung und Literatur von der Ansicht des FG abweichende Rechtsauffassungen. Außerdem liege ein Verfahrensmangel vor. Das FG habe zwar ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen, da die Beteiligten ihr entsprechendes Einverständnis erklärt hätten. Nach dem Tenor des Urteils habe aber offenbar eine mündliche Verhandlung stattgefunden; für einen solchen Fall sei das Einverständnis nicht erklärt worden.

II. Die Beschwerde ist zulässig. Die vom Kläger beantragte Verlängerung der Beschwerdebegründungfrist hätte zwar nach § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO nur für längstens einen weiteren Monat, d.h. bis zum 9. März 2004, gewährt werden dürfen. Ist jedoch von Seiten des Gerichts irrtümlich eine über die gesetzliche Grenze hinausgehende Fristverlängerung bewilligt worden --wie im Streitfall bis zum 10. März 2004-- so ist diese Frist maßgebend (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 21, m.w.N.). Innerhalb dieser im Streitfall bis zum 10. März 2004 verlängerten Frist ist die Beschwerdebegründung des Klägers beim Gericht eingegangen.

Die Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

1. Anders als die Beschwerde meint, ist die von ihr bezeichnete Rechtsfrage, ob einem steuerrechtlichen Rückforderungsanspruch der Entreicherungseinwand nach § 818 Abs. 3 BGB entgegengehalten werden kann, nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. Es ist vielmehr durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) geklärt, dass § 818 Abs. 3 BGB auf den Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO 1977 keine Anwendung findet. Selbst wenn der Rechtsgedanke des § 812 Abs. 1 BGB bei der Anwendung von § 37 Abs. 2 AO 1977 herangezogen wird, führt ein Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 und § 819 Abs. 1 BGB) nicht zugleich zum Wegfall des abgabenrechtlichen Rückforderungsanspruchs (Senatsurteil vom 6. Februar 1990 VII R 97/88, BFHE 160, 197, BStBl II 1990, 671; Senatsbeschlüsse vom 9. April 1991 VII B 168/90, BFH/NV 1992, 148; vom 27. April 1998 VII B 296/97, BFHE 185, 364, BStBl II 1998, 499; BFH-Beschlüsse vom 19. September 1997 V B 39/97, BFH/NV 1998, 280; vom 13. März 2000 VI B 286/99, BFH/NV 2000, 1088; vom 28. März 2001 VI B 256/00, BFH/NV 2001, 1117). Auch in der Literatur wird diese Ansicht vertreten (Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 37 AO 1977 Rz. 93; Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 37 Rz. 36; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 37 AO 1977 Rz. 26).

Zur Begründung einer gleichwohl vorliegenden grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hätte die Beschwerde somit eingehend begründen müssen, warum sie eine erneute Entscheidung des BFH zu der betreffenden Frage im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung für erforderlich hält, und hätte hierfür substantiiert darlegen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die bereits höchstrichterlich beantwortete Frage umstritten ist, insbesondere welche neuen gewichtigen, bislang nicht geprüften Einwände in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte gegen die höchstrichterliche Auffassung erhoben werden (vgl. BFH-Beschluss vom 3. April 2000 VIII B 99/99, BFH/NV 2000, 985 m.w.N.).

An solchen Darlegungen fehlt es jedoch im Streitfall. Die Beschwerde benennt aus neuerer Zeit weder Literaturstimmen noch Rechtsprechung, welche sich unter Auseinandersetzung mit der BFH-Rechtsprechung für eine Anwendbarkeit des § 818 Abs. 3 BGB auf den Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO 1977 aussprechen. Der von der Beschwerde zitierten, bereits 1992 von Weber vertretenen Auffassung (Betriebs-Berater 1992, 404) ist die Rechtsprechung des BFH nicht gefolgt. Dass gegen diese Rechtsprechung in der Folgezeit weiterhin Einwände in der Literatur erhoben worden sind, ist weder von der Beschwerde dargetan noch sonst ersichtlich. Das zitierte Senatsurteil vom 20. November 1979 VII R 38/77 (BFHE 129, 445, BStBl II 1980, 249) betraf allein die Frage, ob in jenem Fall der Finanzrechtsweg gegeben war. Auch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), auf welche die Beschwerde sich beruft (vom 28. Juni 1957 IV C 235.56, BVerwGE 6, 1; vom 26. Februar 1965 VII C 71.63, BVerwGE 20, 295), befassen sich nicht mit § 37 Abs. 2 AO 1977, sondern mit dem Erstattungsanspruch als Rechtsinstitut des allgemeinen Verwaltungsrechts.

Überdies fehlt es im Streitfall an der Klärungsfähigkeit der bezeichneten Rechtsfrage. Denn auch wenn § 818 Abs. 3 BGB anzuwenden wäre, erwiese sich das angefochtene Urteil als im Ergebnis richtig, da es an ausreichend substantiiertem Tatsachenvortrag dazu fehlt, ob der Kläger überhaupt entreichert ist, ob er also mit der zu Unrecht empfangenen Überweisung Aufwendungen getätigt hat, die außerhalb seiner regelmäßigen Lebensgewohnheiten liegen (sog. Luxusausgaben, vgl. dazu Palandt/Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 63. Auflage, § 818 Rz. 34, 35), und ob der Kläger beim Empfang gutgläubig war (§ 819 Abs. 1 BGB). Das hätte der Kläger im ersten Rechtsgang darlegen müssen.

2. Da das angefochtene Urteil --wie ausgeführt-- der Rechtsprechung des BFH entspricht und auch nicht von der Rechtsprechung anderer Gerichte abweicht, ist auch der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative) nicht gegeben.

3. Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor. Das FG durfte gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten --was die Beschwerde nicht in Abrede stellt-- ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt hatten. Es ergibt sich auch weder aus der FG-Akte noch aus dem Tenor des Urteils, dass im Streitfall eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, ohne dass die Beteiligten hierzu geladen worden sind. Da gerichtliche Urteile auch in solchen Verfahren, in denen die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt haben, an einem bestimmten Sitzungstag ergehen, entspricht die auch im Streitfall verwendete Formulierung im Tenor des FG-Urteils "in der Sitzung vom (...) für Recht erkannt" der Üblichkeit, um kenntlich zu machen, an welchem Tag das Urteil ergangen ist.

Ende der Entscheidung

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