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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 23.09.2004
Aktenzeichen: VII B 367/03
Rechtsgebiete: VermG, BGB, ReichsAO, FGO, AO 1977
Vorschriften:
VermG § 18 | |
BGB § 1144 | |
ReichsAO § 147 | |
FGO § 41 Abs. 1 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 | |
FGO § 116 Abs. 3 Satz 1 | |
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3 | |
AO 1977 § 122 Abs. 2 | |
AO 1977 § 169 Abs. 1 Satz 3 |
Gründe:
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben ein in Volkseigentum überführtes Grundstück ihres Ende 1948 in die Westzone geflüchteten und inzwischen verstorbenen Vaters (W) zurückerhalten und mussten für die Ablösung einer 1949 wegen vollstreckbarer Steuerschulden des W eingetragenen und inzwischen erloschenen und nicht wieder eintragbaren Sicherungshypothek als Voraussetzung für die Eigentumsübertragung gemäß § 18 des Vermögensgesetzes (VermG) einen Betrag von ... DM zugunsten des vom Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen verwalteten Entschädigungsfonds hinterlegen. Die gegen die Festsetzung des Ablösebetrages vor dem Verwaltungsgericht und Bundesverwaltungsgericht eingelegten Rechtsmittel blieben ohne Erfolg. Mit der Begründung, die Sicherungshypothek sei zu Unrecht eingetragen worden und eine ihr zugrunde liegende Steuerforderung des Landes Sachsen habe nie bestanden, beantragten die Kläger beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) gemäß § 1144 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) die Erteilung einer löschungsfähigen Quittung und einer Löschungsbewilligung. Das FA lehnte beide Anträge ab.
Mit ihrer nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrten die Kläger, das FA zur Erteilung der Zustimmung zum Erlöschen von --von zwei Banken übernommenen-- Zahlungsversprechen und zur Rückgabe dieser Zahlungsversprechen an die Kläger sowie zur Erteilung einer Löschungsbewilligung zu verpflichten; hilfsweise das Bestehen oder Nichtbestehen der der Sicherungshypothek zugrunde liegenden Steuerforderung festzustellen. Das Finanzgericht (FG) erachtete nur das Feststellungsbegehren der Kläger als zulässig, wies jedoch die Klage insgesamt als unbegründet ab. Es urteilte, dass sich das FA zum Beweis der Steuerforderung nicht auf die Eintragung der Sicherungshypothek berufen könne (§ 1184 BGB), so dass es das Entstehen dieser Forderung mit anderen Mitteln beweisen müsse. Die Beweislast würde sich nicht deshalb umkehren, weil das Grundstück in Volkseigentum überführt und später gegen Hinterlegung eines Ablösebetrages gemäß § 18 VermG wieder zurückgegeben worden sei. Im Rahmen der steuerlichen und gerichtlichen Mitwirkungspflicht sei auch von der nicht darlegungs- und beweispflichtigen Partei ein substantiiertes Auseinandersetzen mit sog. Sekundärtatsachen zu verlangen, wenn und soweit die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs stehe und der Bestreitende die wesentlichen Tatsachen kenne und es ihm zumutbar sei, nähere Angaben zu machen. Daher reiche es im Streitfall nicht aus, dass sich die Kläger auf ein pauschales Bestreiten der der Sicherungshypothek zugrunde liegenden Steuerforderung beschränkten, zumal unstreitig sei, dass der Vater sowie der Bruder des W, die zusammen mit W Gesellschafter der X-KG waren, die auf der 1948 bei der X-KG durchgeführten Betriebsprüfung beruhenden, geänderten Einkommensteuerbescheide erhalten hätten.
Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse und unter Berücksichtigung der Mitwirkung der Prozessbeteiligten habe das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass die der Sicherungshypothek zugrunde liegende Steuerforderung auf Steuerbescheiden beruhe, die dem W wirksam bekannt gegeben worden seien. Darauf würde auch der Umstand hindeuten, dass die Ehefrau des W im Zeitpunkt der Versendung der Bescheide nach dem Wegzug von W in die Westzone den bisherigen Hausstand weitergeführt und der Vater des W von den Steuerforderungen Kenntnis erlangt und sich ausweislich des in den Steuerakten befindlichen Schriftverkehrs im Namen des W in die Regulierung der Steuerforderungen eingeschaltet habe. Demgegenüber erscheine der Vortrag der Kläger unzutreffend, die Steuerbescheide seien erst im Jahre 1949 erlassen worden und könnten infolgedessen nicht mehr Grundlage der Sicherungshypothek sein. Unschädlich für deren Wirksamkeit sei im Streitfall der Umstand, dass die Steuerforderungen im Eintragungsantrag an das Grundbuchamt nicht nach Veranlagungszeitraum und Steuerart aufgeschlüsselt worden seien. Da der Streit allein darum gehe, ob ein dem Entschädigungsfonds zustehender Ablöseanspruch nach dem Sinn und Zweck des VermG als Surrogat an die Stelle der Sicherungshypothek auch dann trete, wenn die zugrunde liegende Steuerforderung erloschen sei, käme es nicht darauf an, ob die Steuerforderungen mangels Unterbrechungshandlungen nach § 147 der Reichsabgabenordnung durch Verjährung erloschen seien.
Mit ihrer auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) gestützten Beschwerde wenden sich die Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG. Von grundsätzlicher Bedeutung seien die Fragen, ob in Steuerangelegenheiten, die sich in den Jahren 1945 bis 1949 sowie darüber hinaus zu Zeiten der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR zugetragen haben, weiterhin die allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln gelten oder an die eine oder andere Partei darüber hinausgehende Anforderungen an die Mitwirkungspflicht zu stellen seien, und ob die Verjährung der Steuerforderung eingetreten sei, soweit der Gläubiger der Steuerforderung selbst die Löschung der Sicherungshypothek im Grundbuch bewirke und es anschließend keine Unterbrechungshandlung gegeben habe. Schließlich komme der Frage grundsätzliche Bedeutung zu, ob es zulässig sei, dass aus der vom FG durch die angenommene Umkehr der Beweislast konstruierten Bekanntgabe der Steuerbescheide zugleich abgeleitet werden könne, dass daraus die Zusammensetzung der Steuerbeträge ohne weiteres erkennbar gewesen sei, so dass es unschädlich sei, dass in dem Eintragungsantrag an das Grundbuchamt die Steuerforderungen nicht nach Veranlagungszeitraum und Steuerart aufgeschlüsselt worden seien.
Darüber hinaus beruhe das erstinstanzliche Urteil auf einer Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. November 2002 GrS 2/01, BFHE 201, 1, BStBl II 2003, 548, und Senatsurteil vom 28. August 2003 VII R 22/01, BFHE 203, 20, BStBl II 2003, 933), der sowohl für den Fall der Festsetzungsverjährung als auch für den Fall der Zahlungsverjährung festgestellt habe, dass eine Unterbrechung der Verjährung nicht vorliege, wenn ein Zugang des Steuerbescheides nicht nachgewiesen worden sei. Im Streitfall sei das FG rechtsfehlerhaft von einer Bekanntgabe der Steuerbescheide ausgegangen.
Das FA tritt der Beschwerde entgegen. Es ist der Ansicht, dass die von den Klägern behauptete Divergenz nicht vorliege und dass die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der von ihnen aufgeworfenen Rechtsfragen nicht schlüssig dargelegt hätten. Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens der Kläger fehle bereits das Rechtsschutz- und damit auch das nach § 41 Abs. 1 FGO zu fordernde Feststellungsinteresse, da die Kläger ihr Prozessziel einfacher über das Verfahren nach § 13 der Hinterlegungsordnung erreichen könnten.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Kläger haben die grundsätzliche Bedeutung der von ihnen aufgeworfenen Rechtsfragen nicht in der erforderlichen Weise gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt; die von ihnen behauptete Divergenz liegt nicht vor.
1. Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein konkreter und substantiierter Vortrag, aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und vom 2. Dezember 2002 VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.).
a) Soweit die Kläger die Frage aufwerfen, ob es in Steuerangelegenheiten der Jahre 1945 bis 1949 bei der üblichen Darlegungs- und Beweislast bleibt oder ob an die Rechtsnachfolger vermeintlicher Steuerschuldner darüber hinausgehende Anforderungen an die Mitwirkungspflicht zu stellen sind, ist diese Frage einer grundsätzlichen Klärung nicht fähig. Die Beachtung der allgemeinen Beweislastregeln, nach denen das FA die Beweislast für das Bestehen des von ihm geltend gemachten Steueranspruchs trägt, und die Annahme einer im Besteuerungsverfahren sowie im gerichtlichen Verfahren bestehenden Mitwirkungspflicht des Beteiligten schließen sich nicht aus. Dies hat das FG in seiner Urteilsbegründung auch erkannt und ausgeführt, dass das FA das Entstehen der gesicherten Forderung beweisen müsse; unabhängig davon bestehe aber auch eine Mitwirkungspflicht der Kläger. Diese Rechtsauffassung ist nicht zu beanstanden, denn es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass dem Beteiligten z.B. aus dem Gedanken der Beweisnähe oder bei der Behauptung eines vom schriftlich festgehaltenen Geschehensablauf abweichenden Sachverhalts, allgemeine oder besondere Mitwirkungspflichten erwachsen (vgl. Urteil des BFH vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, 42, BStBl II 1989, 462, m.w.N.; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 76 Rdnr. 28, und Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 76 FGO Rdnr. 52). Allerdings lassen sich die Anforderungen, die an die Mitwirkungspflicht zu stellen sind, und die Folgen einer Verletzung der den Beteiligten obliegenden Mitwirkungspflicht nicht für alle denkbaren Fallkonstellationen klären. Vielmehr sind die konkreten Verhältnisse und besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen (vgl. List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 76 FGO Rdnr. 44). Aus diesem Grunde ist die von den Klägern aufgeworfene Frage einer allgemeinverbindlichen Klärung nicht fähig.
b) Auch der Frage, ob durch die Löschung der Sicherungshypothek und in Ermangelung einer die Verjährung unterbrechenden Handlung des FA die Verjährung der Steuerforderung eingetreten ist, kommt eine grundsätzliche Bedeutung für die Allgemeinheit nicht zu. Zum einen legt die Beschwerde nicht dar, dass die Entscheidung auf dieser Frage beruht --in seiner Urteilsbegründung hat das FG selbst festgestellt, dass das FA das Erlöschen der Steuerforderung nicht bestreitet--, zum anderen rügen die Kläger im Kern ihres Vorbringens die ihrer Ansicht nach rechtsfehlerhafte Schlussfolgerung des FG, dass nämlich der dem Entschädigungsfonds zustehende Ablösebetrag als Surrogat an die Stelle der Sicherungshypothek getreten sei. Damit wenden sie sich gegen die materiell-rechtliche Würdigung des Streitfalles durch das FG. Dieses Vorbringen kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl. Beschlüsse des BFH vom 6. Oktober 2000 III B 16/00, BFH/NV 2001, 202, und vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476).
c) Die Frage, ob von einem durch Umkehr der Beweislast fiktiv angenommenen Steuerbescheid auf die Zusammensetzung der Steuerforderungen geschlossen werden kann, so dass es unschädlich ist, dass in dem Eintragungsantrag an das Grundbuchamt eine Aufschlüsselung der Steuerforderung nach Veranlagungszeitraum und Steuerart nicht vorgenommen wurde, ist ebenfalls nicht klärungsfähig. Denn das FG ist entgegen dem Vortrag der Beschwerde nicht von einer Umkehr der Beweislast ausgegangen, sondern hat seine Rechtsauffassung auf das Gesamtbild der Verhältnisse sowie auf eine Verletzung der den Klägern obliegenden Mitwirkungspflicht gestützt. Die von den Klägern aufgeworfene Frage würde sich somit in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Darüber hinaus kann das Vorbringen, dass hinsichtlich dieser Fragestellung eine Konstellation vorliegen dürfte, wie sie in Restitutionsangelegenheiten mit Steuerbezug nicht gerade selten seien, nicht als ausreichend angesehen werden, um eine Bedeutung der Rechtsfrage für die Allgemeinheit zu belegen. Vielmehr handelt es sich um eine auf die Besonderheiten des Streitfalles zugeschnittene Fragestellung, die eine herausragende Bedeutung für die einheitliche Entwicklung und Handhabung des Rechts nicht erkennen lässt.
d) Auch unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Rechtsprechung vermag der Senat Gründe für eine Zulassung der Revision nicht zu erkennen. Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO u.a. dann betroffen, wenn dem FG bei der Auslegung und Anwendung des Rechts Fehler unterlaufen sind, die von so erheblichem Gewicht sind, dass sie, würden sie von einem Rechtsmittelgericht nicht korrigiert, geeignet wären, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen, etwa weil Verfahrensgrundrechte verletzt worden sind oder das aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und Art. 19 Abs. 4 GG abzuleitende Recht eines Beteiligten auf eine willkürfreie gerichtliche Entscheidung durch das Urteil des FG nicht befriedigt wird (Senatsbeschluss vom 14. Februar 2002 VII B 141/01, BFH/NV 2002, 798, m.w.N.). Solche schwerwiegenden Mängel liegen nach Auffassung des Senats im Streitfall nicht vor.
2. Schließlich weicht das erstinstanzliche Urteil nicht von den von der Beschwerde in Bezug genommenen BFH-Entscheidungen ab. Der Senatsentscheidung in BFH/NV 2003, 1624 ist zu entnehmen, dass § 169 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung (AO 1977) die Finanzbehörde davon entbindet, den Zeitpunkt des Zuganges des Steuerbescheides nachzuweisen, so dass die Festsetzungsfrist auch gewahrt ist, wenn der Steuerbescheid dem Steuerpflichtigen erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist zugeht. Ein Verzicht auf eine wirksame Bekanntgabe des zur Post gegebenen Schriftstücks kann daraus nicht abgeleitet werden. Vielmehr bleibt es bei Zweifeln über den Zugang des Bescheides gemäß § 122 Abs. 2 AO 1977 bei der Beweislast des FA. Im Streitfall lässt sich der Urteilsbegründung nicht entnehmen, dass das FG die vom BFH entwickelten Grundsätze verkannt und seiner Entscheidung eine davon abweichende Rechtsauffassung zugrunde gelegt hat. Das FG hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht von einer Umkehr der Beweislast ausgehe, die einer erneuten Enteignung gleichkommen würde. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse --d.h. auch unter Würdigung des Vortrages des FA-- und unter Berücksichtigung der Mitwirkung der Kläger hat das FG die Überzeugung gewonnen, dass die Steuerbescheide wirksam bekannt gegeben worden sind. Insgesamt lässt sich den Ausführungen entnehmen, dass das FG --bei Annahme einer dem FA obliegenden Beweispflicht-- den Nachweis des Zugangs der Steuerbescheide als erbracht angesehen hat.
Ende der Entscheidung
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