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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 30.07.2003
Aktenzeichen: VII B 377/02
Rechtsgebiete: FGO, ZK, ZKDVO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
ZK Art. 32 Abs. 1 Buchst. c
ZK Art. 32 Abs. 5
ZKDVO Art. 159
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Mit Bescheid vom 15. Juli 1999 forderte der Beklagte und Beschwerdeführer (das Hauptzollamt --HZA--) nach durchgeführter Außenprüfung unter Bezugnahme auf den Prüfungsbericht von der Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) für Einfuhren von Tanzschuhen verschiedener Ausführung im Zeitraum von Februar 1998 bis Dezember 1998 Zoll in Höhe von ... DM nach, weil die Klägerin für die eingeführten Waren an die Firma B in den Niederlanden gezahlte Lizenzgebühren nicht zum Zollwert angemeldet hatte. Nach erfolglosem Einspruch hatte die Klage der Klägerin vor dem Finanzgericht (FG) Erfolg. Das FG hielt die Nacherhebung für rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für eine Einbeziehung der Lizenzgebühren in die Zollwerte der eingeführten Waren nach Art. 32 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex --ZK--) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 302/1) nicht vorgelegen hätten, denn die Zahlung der Lizenzgebühren für die Verwendung des Logos "B" beim Wiederverkauf der eingeführten Tanzschuhe sei keine Bedingung für den Verkauf der eingeführten Waren zur Ausfuhr in die Gemeinschaft gewesen. Zwar hätten die Lizenzgebühren Waren betroffen, die unter dem vor ihrer Einfuhr angebrachten Warenzeichen, für das die Klägerin die Lizenzgebühren habe zahlen müssen, vertrieben und nach der Einfuhr in unverändertem Zustand weiterverkauft worden seien (vgl. Art. 159 erster und zweiter Anstrich der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 --ZKDVO-- der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, --ABlEG Nr. L 253/1--). Es habe der Klägerin indes freigestanden, sich die betreffenden Waren bei anderen mit dem Verkäufer X in Thailand nicht verbundenen Lieferern zu beschaffen (Art. 159 dritter Anstrich ZKDVO), sodass die Lizenzzahlungen im Ergebnis keine Bedingung für den Verkauf der eingeführten Waren zur Ausfuhr in die Gemeinschaft gewesen seien.

Einem Käufer stehe die Wahl der Lieferanten nicht frei, wenn er aus rechtlichen Gründen an der Auswahl eines anderen, nichtverbundenen Lieferanten gehindert sei, wenn er also vertraglich an den vorgegebenen Lieferanten gebunden sei. Eine vertragliche Verpflichtung der Klägerin derart, dass sie die bei X bezogenen Waren nur dort oder von einem mit X verbundenen Unternehmen beziehen dürfe, habe es nicht gegeben. Insofern stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der mündliche Lizenzvertrag, den die Klägerin mit dem Lizenzgeber B abgeschlossen habe, keine derartige Festlegung enthalten habe. Die Aussagen der vernommenen Zeugen bestätigten dies. Das HZA habe damit eine vertragliche Verpflichtung der Klägerin, die lizenzpflichtigen Waren nur bei B oder bei mit B verbundenen Unternehmen zu beziehen, nicht dargetan.

Ob, wie das HZA meine, auch tatsächliche Hindernisse, welche die Auswahl eines Lieferanten auf mit dem Lizenzgeber verbundene Lieferanten beschränkten, die für Art. 159 dritter Anstrich ZKDVO erforderliche fehlende oder eingeschränkte ("unfreie") Wahlmöglichkeit begründen könnten, bedürfe im Streitfall keiner Entscheidung, denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass die von X gelieferten Waren auch bei Dritten hätten bezogen werden können und der Klägerin tatsächlich in vergleichsweise kurzer Zeit ein Wechsel des Lieferanten auch möglich gewesen wäre. Damit hätten der Wahl des Käufers zwischen verschiedenen Lieferanten keine unüberwindlichen Hindernisse, sondern nur in der Organisation der Produktion liegende Gründe entgegengestanden, die allein von zeitlichen Praktikabilitätserwägungen der Klägerin abhängig gewesen seien.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde des HZA wegen Nichtzulassung der Revision, die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und auf die Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 erste Alternative FGO) gestützt wird. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob Art. 159 dritter Anstrich ZKDVO mit dem FG restriktiv zu interpretieren sei und es für die Frage des "Nichtfreistehens" allein auf eine rechtliche Betrachtungsweise ankomme oder ob darüber hinaus auch tatsächliche Hindernisse die Auswahl des Herstellers einschränkten, was allein richtig sein könne. Denn sobald der Käufer die Ware beim Hersteller nach bestimmten Vorgaben (im Streitfall bei den Tanzschuhen bezüglich der Schuhform oder nach einem besonderen Design) fertigen lasse, die ein Spezifikum der (späteren) Markenware ausmachten, sei er nicht mehr frei i.S. des Art. 159 dritter Anstrich ZKDVO. Die Klägerin habe im Streitfall, da die eingeführten Schuhe bereits vor der Einfuhr mit dem Warenzeichen "B" versehen gewesen seien, bereits eine Markenware, die besonderen Qualitätsanforderungen des Lizenzgebers entsprochen habe, eingekauft und nicht eine anonyme Ware, die sie erst nach der Einfuhr als Markenware weiter verkaufe.

Die Klägerin ist der Beschwerde im Wesentlichen mit dem Argument entgegengetreten, dass das Vorbringen des HZA nicht entscheidungserheblich sei.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht begründet; die vom HZA aufgeworfene Rechtsfrage ist in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig; daher kann auch eine Fortbildung des Rechts nicht erwartet werden.

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605), die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. die Hinweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 115 Rz. 23). Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Beschwerdeschrift schlüssig und substantiiert dargelegt werden. Dazu ist erforderlich, dass der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479).

Im Streitfall wäre die vom HZA aufgeworfene Rechtsfrage in einem künftigen Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, denn eine Aussage des BFH zu dieser Rechtsfrage in der ein oder anderen Richtung hätte keinen Einfluss auf die Entscheidung des angefochtenen Urteils. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Verträte der BFH zu Art. 159 dritter Anstrich ZKDVO die Auffassung, dass nur rechtliche Vorgaben, die in dem schriftlich oder mündlich abgeschlossenen Lizenzvertrag zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer oder in dem sonstigen Vertragsgeflecht zwischen den am grenzüberschreitenden Kaufgeschäft und am Lizenzvertrag beteiligten Personen begründet sind, für die Frage maßgeblich sind, ob es dem Käufer freistehe oder nicht freistehe, sich die betreffenden Waren bei anderen mit dem Verkäufer nicht verbundenen Lieferern zu beschaffen, so bliebe das angefochtene Urteil bestehen, da auch das FG in seiner Hauptbegründung diese Auffassung vertreten und das HZA hiergegen keinen Grund für die Zulassung der Revision vorgebracht hat.

Teilte der BFH hingegen die Auffassung des HZA, dass nicht nur rechtliche Vorgaben, sondern auch tatsächliche Hindernisse, welche die Auswahl eines Lieferanten auf mit dem Lizenzgeber verbundene Lieferanten beschränken, weil etwa die Waren besondere Qualitätsanforderungen erfüllen müssen oder es sich einfach um Markenwaren handelt, für die Frage des "Freistehens" oder "Nichtfreistehens" i.S. des Art. 159 dritter Anstrich ZKDVO von Bedeutung sein können, so bliebe die Entscheidung des FG gleichermaßen bestehen. Denn das FG hat sich in einer Hilfsbegründung, ohne die Frage abschließend zu entscheiden, auf den Standpunkt des HZA gestellt und geprüft, ob sich im Streitfall dadurch eine andere, für das HZA günstigere Lösung ergeben könnte. Dies hat es auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme verneint. Es hat dazu ausgeführt, die von X gelieferten Waren hätten auch bei Dritten bezogen werden können und der Klägerin sei tatsächlich in vergleichsweise kurzer Zeit ein Wechsel des Lieferanten auch möglich gewesen. Der Wahl des Käufers zwischen verschiedenen Lieferanten hätten damit keine unüberwindlichen (tatsächlichen) Hindernisse entgegengestanden. Da das HZA hiergegen keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben hat, wäre der Senat in einem künftigen Revisionsverfahren an diese tatsächlichen Feststellungen des FG gebunden und müsste die Revision auch auf der Grundlage des Standpunkts des HZA zurückweisen.

Insgesamt fehlt es also an der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage. Diese kann daher in einem künftigen Revisionsverfahren nicht geklärt werden, denn es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, Rechtsfragen, auf die es bei der Entscheidung des Streitfalls gar nicht ankommt, abstrakt zu klären (vgl. BFH-Beschluss vom 28. April 1972 III B 40/71, BFHE 105, 335, BStBl II 1972, 575; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 FGO Rz. 30, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).

2. Wegen der fehlenden Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage kommt auch eine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 erste Alternative FGO) nicht in Betracht, denn dieser Zulassungsgrund erfordert gleichermaßen das Vorliegen einer entscheidungserheblichen und damit klärbaren Rechtsfrage (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 FGO Rz. 41).



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