Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 04.07.2007
Aktenzeichen: VII B 39/07
Rechtsgebiete: AO, FGO


Vorschriften:

AO § 284
AO § 284 Abs. 1
AO § 284 Abs. 1 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine KG, die eine Werbeagentur und einen Verlag betreibt. Persönlich haftende Gesellschafterin ist eine GmbH. Aufgrund erheblicher Steuerrückstände leitete der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) gegen die Klägerin die Vollstreckung ein. Nachdem mehrere Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos geblieben waren und die Klägerin eine mit ihr getroffene Vereinbarung über Ratenzahlungen nicht eingehalten hatte, ordnete das FA gegenüber dem Geschäftsführer der persönlich haftenden GmbH die Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 der Abgabenordnung (AO) an. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Die Voraussetzungen des § 284 Abs. 1 AO seien im Streitfall erfüllt, weil das FA bei Erlass der angefochtenen Anordnung annehmen durfte, dass durch die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen eine vollständige Befriedigung nicht zu erlangen sein werde. Dabei sei das Alter der in Vollstreckung befindlichen Abgabenrückstände für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Anordnung ohne Belang. Solange Steueransprüche nicht durch Zahlungsverjährung erloschen seien, blieben sie unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Entstehung und Festsetzung beitreibbar. Schließlich lasse die Anordnung des FA auch keinen Ermessensfehler erkennen.

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und zur Fortbildung des Rechts und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

Zur Begründung trägt die Klägerin vor, dass sich die Vollstreckung ausweislich der in den Gerichtsakten befindlichen Aufstellungen auf Steuerrückstände aus den Jahren 1983 bis 1996 beziehe. Bei derart alten Rückständen müsse es der Finanzverwaltung verwehrt sein, mit der Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung unabwendbare Vermögensnachteile herbeizuführen. Die Rechtsauffassung des FG, nach der das Alter der in Vollstreckung befindlichen Abgabenrückstände ohne Belang sei, bedürfe dringend einer höchstrichterlichen Beurteilung und Entscheidung. Ausgehend vom Begriff der Verwirkung im allgemeinen Zivilrecht habe die Finanzverwaltung spätestens fünf Jahre nach Ablauf einer Steuerfestsetzung den Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verwirkt.

Weiter erscheine es rechtlich nicht zutreffend, dass vom FG zum Auffinden möglichen Vermögens die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gefordert werde, wenn gleichzeitig im Urteil dargelegt werde, dass durch Vollstreckung in das bewegliche Vermögen eine vollständige Befriedigung nicht zu erlangen sei. Es stelle sich die Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob dann, wenn das Auffinden von Vermögen nicht erwartet werden könne, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung unzulässig sei.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Senat lässt es unerörtert, ob und inwieweit die Beschwerdebegründung bereits an Mängeln in der Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe leidet (zu den Darlegungserfordernissen vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 25 ff.), denn die von der Klägerin behaupteten Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

1. Die Voraussetzungen, unter denen eine Verwirkung von Steueransprüchen in Betracht gezogen werden kann, sind bereits höchstrichterlich geklärt, so dass eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht in Betracht kommt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) setzt Verwirkung ein bestimmtes Verhalten der Finanzbehörde voraus, aufgrund dessen der Steuerpflichtige bei objektiver Betrachtung annehmen darf, die Behörde werde den Anspruch nicht oder nicht mehr geltend machen (BFH-Urteil vom 7. Juli 2004 X R 24/03, BFHE 206, 292, BStBl II 2004, 975). Neben diesem Zeitmoment muss als vertrauensgeprägtes Umstandsmoment ein Verhalten der Finanzbehörde hinzukommen, aus dem der Steuerpflichtige bei objektiver Beurteilung den Schluss ziehen darf, er solle nicht mehr in Anspruch genommen werden. Bei bloßer Untätigkeit der Finanzbehörde führt der Zeitablauf allein demnach noch nicht zur Verwirkung (BFH-Entscheidungen vom 26. Oktober 2005 II R 9/01, BFH/NV 2006, 478, und vom 1. Juli 2003 II B 84/02, BFH/NV 2003, 1534, sowie Neumann in Beermann/Gosch, AO § 4 Rz 69). Schließlich muss der Steuerpflichtige als sog. Vertrauensfolge auch tatsächlich auf die Nichtgeltendmachung des Anspruchs vertraut und sich entsprechend eingerichtet haben (BFH-Urteil vom 14. Oktober 2003 VIII R 56/01, BFHE 203, 472, BStBl II 2004, 123, m.w.N.). Unter Beachtung dieser Grundsätze hat das FG zu Recht entschieden, dass im Streitfall von einer Verwirkung der Steueransprüche nicht ausgegangen werden kann und dass es auf das Alter der Rückstände nicht ankommt. Infolgedessen ist eine Zulassung der Revision weder nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO noch nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO geboten.

2. Soweit die Klägerin vorträgt, das FG habe in der Urteilsbegründung das Auffinden nicht bekannter Vermögenswerte ausgeschlossen, trifft diese Behauptung nicht zu. Vielmehr hat das FG lediglich darauf hingewiesen, dass durch die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen der Klägerin eine vollständige Befriedigung nicht zu erlangen sein werde. Diese Formulierung entspricht dem Wortlaut von § 284 Abs. 1 Nr. 1 AO. Auch wenn eine vollständige Befriedigung nicht zu erwarten ist, kann dennoch nicht ausgeschlossen werden, dass durch die Vorlage des Vermögensverzeichnisses bisher verborgene Vermögenswerte aufgedeckt werden, so dass zumindest eine teilweise Befriedigung möglich erscheint. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, so dass die Beschwerde auch hinsichtlich dieses Vorbringens keinen Erfolg haben kann.

Ende der Entscheidung

Zurück