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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 18.03.2004
Aktenzeichen: VII B 53/03
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO
Vorschriften:
AO 1977 § 34 | |
AO 1977 § 35 | |
AO 1977 § 69 | |
FGO § 115 Abs. 2 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1 | |
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3 |
Gründe:
I. Mit Bescheid vom ... nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) als Geschäftsführer einer inzwischen vermögenslosen GmbH für deren rückständige Lohnsteuer zuzüglich steuerlicher Nebenleistungen in Haftung. Der Einspruch gegen den Haftungsbescheid führte zu einer Ermäßigung der Haftungssumme. Während des Klageverfahrens erging ein Teil-Rücknahmebescheid hinsichtlich in der Haftungssumme enthaltener Verspätungszuschläge zur Lohnsteuer; die Haftungssumme ist danach auf ... DM reduziert worden.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Kläger über den gesamten Haftungszeitraum formeller Geschäftsführer der GmbH gewesen und deshalb zu Recht vom FA für deren rückständige Steuerschulden in Haftung genommen worden sei. Diese Rechtsposition habe der Kläger auch durch den Gesellschafter-Mehrheitsbeschluss nicht verloren, nach dem er als Geschäftsführer abberufen werden sollte. Dieser Beschluss sei nichtig, da der Kläger als Mitgesellschafter der GmbH an der Beschlussfassung zu beteiligen gewesen wäre, was jedoch nicht geschehen sei. Im Übrigen würde der Kläger selbst im Falle der Wirksamkeit des Gesellschafter-Mehrheitsbeschlusses und damit der wirksamen Abberufung des Klägers als Geschäftsführer jedenfalls nach § 69 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 35 AO 1977 für die streitigen Steuerschulden der GmbH haften. Der Kläger sei während des gesamten Haftungszeitraums als Verfügungsberechtigter mit rechtlicher und tatsächlicher Verfügungsmacht aufgetreten, indem er sich nach außen hin so geriert habe, als könne er über das Vermögen der GmbH verfügen, da er im Außenverhältnis als Geschäftsführer der GmbH tätig geworden sei.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wendet sich die Beschwerde des Klägers, mit welcher er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensmängel geltend macht.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision zum Teil nicht hinreichend dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verlangt, und zum Teil nicht vorliegen.
1. a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, deren Beantwortung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortbildung und Handhabung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605), die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. die Hinweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 23). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache muss in der Beschwerdeschrift schlüssig dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, und Senatsbeschluss vom 13. März 2003 VII B 373/02, nicht veröffentlicht).
b) Die Beschwerde kann nicht zum Erfolg führen, soweit gerügt wird, das FG habe sich mit der Rechtsfrage nicht auseinander gesetzt, ob eine Beendigung der Geschäftsführertätigkeit nicht auch dann möglich sei, wenn zwar der Abberufungsbeschluss der Gesellschafter nichtig sei, der Geschäftsführer gleichwohl seine Funktion nicht mehr ausübe. Abgesehen davon, dass es der Beschwerde an Ausführungen fehlt, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängen soll, ist die Rechtsfrage im Übrigen nicht entscheidungserheblich und damit nicht klärungsfähig. An diesem Kriterium fehlt es in den Fällen, in denen das FG seine Entscheidung kumulativ auf mehrere Gründe gestützt hat, von denen jeder für sich gesehen das Urteil trägt, jedoch nur in einer Begründung eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen wird (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 31, m.w.N.). So liegt aber der Streitfall. Das FG ist in der Vorentscheidung zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger in Haftung genommen werden könne, unabhängig davon, ob der Gesellschafter-Mehrheitsbeschluss über die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer wirksam gewesen ist oder nicht. Nach Auffassung des FG hafte der Kläger als nominell bestellter Geschäftsführer der GmbH für deren rückständige Steuerschulden nach § 69 AO 1977 i.V.m. § 34 AO 1977, weil dieser als formeller Geschäftsführer nicht wirksam abberufen worden sei. Aber auch bei der Annahme einer wirksamen Abberufung des Klägers als nominell bestellter Geschäftsführer hätte er als "faktischer Geschäftsführer" nach § 69 AO 1977 i.V.m. § 35 AO 1977 in Haftung genommen werden können. Die Beantwortung der von der Beschwerde formulierten Rechtsfrage könnte jedoch nur für die eine Begründung des FG-Urteils relevant werden und ist allein nicht ausreichend, um die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (BFH-Beschluss vom 30. Juni 1999 XI B 66/98, BFH/NV 1999, 1620).
c) Soweit der Kläger vorbringt, das FG habe die Frage nicht beantwortet, ob den Gesellschaftern durch die einschlägigen Normen in der Satzung der GmbH nicht abweichende Beschlussmöglichkeiten eingeräumt worden seien, ist ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht hinreichend dargelegt worden. Es fehlt schon an der Formulierung einer abstrakten Rechtsfrage. Außerdem mangelt es der Beschwerdebegründung insoweit an substantiierten Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage.
2. Im Grunde genommen erschöpft sich die Beschwerde im Stile einer Revisionsbegründung in einer Kritik an der Rechtsauffassung des FG zu den entscheidungserheblichen Punkten. Dass ein Beschwerdeführer ein FG-Urteil für materiell falsch hält und dies in der Beschwerdeschrift auch ausführt, ist für die Frage der Zulassung der Revision durch den BFH unerheblich, denn damit wird weder einer der in § 115 Abs. 2 FGO aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision benannt noch werden dessen Voraussetzungen dargelegt.
3. Soweit der Kläger geltend macht, das angefochtene Urteil leide an Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), ist die Beschwerde unzulässig. Der Kläger hat die von ihm gerügten Verfahrensmängel nicht schlüssig dargelegt.
Wird die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht, auf deren Beachtung der Betroffene verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), so muss der Beschwerdeführer vortragen, dass er den Verstoß in der Vorinstanz gerügt habe bzw. aus welchen entschuldbaren Gründen er an einer solchen Rüge vor dem FG gehindert gewesen sei. Zu diesen verzichtbaren Mängeln gehört die Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das Übergehen eines Beweisantrags (vgl. BFH-Beschluss vom 17. November 1997 VIII B 16/97, BFH/NV 1998, 608; Senatsbeschluss vom 15. November 2001 VII B 40/01, BFH/NV 2002, 373, 376). Der Kläger hat jedoch nicht vorgetragen, dass er in der mündlichen Verhandlung vor dem FG das Unterlassen der Vernehmung der von ihm benannten Zeugen gerügt hat. Vielmehr hat er auf die Einvernahme der noch nicht vernommenen Zeugen in der mündlichen Verhandlung verzichtet. Es ist auch nicht ersichtlich, warum dem fachkundig vertretenen Kläger eine solche Rüge nicht möglich gewesen sein soll.
Sollte das Vorbringen des Klägers dahin zu verstehen sein, das FG hätte den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen näher aufklären müssen, hat er einen Verfahrensmangel auch insoweit nicht schlüssig dargelegt. Dies erfordert einen substantiierten Vortrag dazu, aus welchen (genau bezeichneten) Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung auch ohne entsprechenden Antrag aufdrängen musste, welche (entscheidungserheblichen) Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. Senatsurteil vom 6. Juni 2000 VII R 72/99, BFHE 192, 390, 394; BFH-Beschluss vom 25. Juni 2002 X B 199/01, BFH/NV 2002, 1332, 1333). Daran fehlt es hier.
Soweit sich schließlich der Kläger gegen die Beweiswürdigung des FG wendet, kann er hiermit im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gehört werden, weil derartige Angriffe revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. Juni 2001 X B 159/00, BFH/NV 2001, 1577, und vom 7. August 2001 III B 67/00, BFH/NV 2002, 45, 46).
Ende der Entscheidung
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