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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.11.2008
Aktenzeichen: VII B 59/08
Rechtsgebiete: FGO, MilchAbgV 2004, MilchAbgV 2007, VO Nr. 1788/2003/EG


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 126 Abs. 4
MilchAbgV 2004 § 7a Abs. 1 S. 1
MilchAbgV 2004 § 7a Abs. 2 S. 2
MilchAbgV 2004 § 7a Abs. 4 S. 1
MilchAbgV 2007 § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
MilchAbgV 2007 § 30 Abs. 2 S. 2
MilchAbgV 2007 § 30 Abs. 3
VO Nr. 1788/2003/EG Art. 16
VO Nr. 1788/2003/EG Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1
VO Nr. 1788/2003/EG Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Milcherzeuger. Im Oktober 2003 nahm er eine neue Melkanlage in Betrieb, woraufhin in der Folgezeit bis Februar 2004 17 seiner 50 Milchkühe an Mastitis erkrankten und schließlich getötet wurden. Aus diesem Grund überließ der Kläger 10 000 kg seiner Referenzmenge einem anderen Landwirt aufgrund einer unter dem 21. Februar 2005 getroffenen Vereinbarung. Diese Überlassungsvereinbarung, die offen ließ, für welchen Zwölfmonatszeitraum die Referenzmenge zeitweilig überlassen werden sollte, ging der Molkerei am folgenden Tag zu und wurde von dieser gemäß § 7a Abs. 4 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung der EG-Milchabgabenregelung vom 9. August 2004 --MilchAbgV 2004-- (BGBl. I 2004, 2143) dem Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt) zur Entscheidung über die Registrierung vorgelegt. Dieser lehnte die Registrierung mit Bescheid vom 27. Juli 2005 mit der Begründung ab, dass die vorzeitige Schlachtung der Milchkühe nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen sei.

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG entschied, dass das Verpflichtungsbegehren des Klägers nach § 30 der Verordnung zur Durchführung der EG-Milchabgabenregelung vom 7. März 2007 --MilchAbgV 2007-- (BGBl. I 2007, 295) zu beurteilen sei, da bei einer Verpflichtungsklage die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebend sei. Es sei zwar zweifelhaft, ob die für eine zeitweilige Überlassung der Referenzmenge gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MilchAbgV 2007 vorgeschriebenen Gründe höherer Gewalt vorlägen; jedoch dürften die Voraussetzungen gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MilchAbgV 2007 erfüllt sein. Gleichwohl könne der Kläger jedenfalls im Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung nicht mehr die Registrierung der Überlassungsvereinbarung beanspruchen. § 30 Abs. 1 Satz 1 MilchAbgV 2007 gestatte die zeitweilige Überlassung der Referenzmenge nur für den laufenden und den nächsten Zwölfmonatszeitraum. Dementsprechend müsse nach § 30 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 MilchAbgV 2007 die Überlassungsvereinbarung bis zum 31. März des jeweiligen Zwölfmonatszeitraums der Molkerei vorliegen bzw. von der Molkerei bis zu diesem Datum registriert worden sein. Der Kläger habe erst in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Überlassung der Referenzmenge für den Zwölfmonatszeitraum 2004/2005 gelten sollte. Diese Erklärung sei wegen des Ablaufs dieses Zwölfmonatszeitraums ins Leere gegangen, weil eine die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 MilchAbgV 2007 erfüllende Überlassungsvereinbarung nur bis zum 31. März des jeweiligen Zwölfmonatszeitraums von der Molkerei registriert werden könne.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen und das Urteil des FG sich jedenfalls aus anderen als den vom FG angenommenen Gründen als richtig erweist.

1.

Die von der Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage, ob die Bewilligung einer zeitweiligen Überlassung einer Referenzmenge für einen bestimmten Zwölfmonatszeitraum auch noch nach Ablauf dieses Zeitraums rückwirkend erteilt werden kann, wenn die Voraussetzungen für die zeitweilige Überlassung vorlagen und der Antrag vor dem Ende des betreffenden Zwölfmonatszeitraums eingereicht wurde, jedoch von der Behörde nicht rechtzeitig bearbeitet und/oder zu Unrecht abgelehnt wurde, wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Es ist bereits zweifelhaft, ob das FG die Bewilligung der Registrierung durch das HZA erst nach Ablauf des betreffenden Zwölfmonatszeitraums überhaupt für rechtlich ausgeschlossen gehalten hat (hierin wäre dem FG in der Tat nicht zu folgen), oder ob es nicht vielmehr die Überlassungsvereinbarung als verspätet vorgelegt bzw. vervollständigt angesehen hat.

a)

Anders als das FG geht der beschließende Senat davon aus, dass auf den Streitfall § 7a MilchAbgV 2004 anzuwenden ist. Dass bei Verpflichtungsklagen auf die Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Gerichts abzustellen ist, ist eine Regel, die nicht ausnahmslos gilt. Die Frage, ob ein Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes besteht, beantwortet sich nach dem materiellen Recht. Hat sich seit dem Erlass der ablehnenden Verwaltungsentscheidung das materielle Recht geändert, ist zu prüfen, ob sich diese Rechtsänderung auch auf das mit der vorangegangenen Rechtslage zusammenhängende Bestehen bzw. Nichtbestehen des seinerzeit geltend gemachten Rechtsanspruchs auswirkt (vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Mai 1976 IV C 80.74, BVerwGE 51, 15; vom 27. April 1990 8 C 87.88, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1991, 360). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die MilchAbgV 2007 trat am 1. April 2007, also mit dem Beginn des Zwölfmonatszeitraums 2007/2008, in Kraft (§ 58 MilchAbgV 2007) und hob erst mit dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens die MilchAbgV 2004 auf (§ 57 Abs. 1 MilchAbgV 2007). Die Voraussetzungen für eine zeitweilige Überlassung von Referenzmengen im Zwölfmonatszeitraum 2004/2005 richten sich somit nach der für diesen Zwölfmonatszeitraum gültigen MilchAbgV 2004.

b)

Liegen in einem bestimmten Zwölfmonatszeitraum die Voraussetzungen des § 7a Abs. 1 MilchAbgV 2004 vor, kann ein Milcherzeuger im laufenden sowie im nächsten Zwölfmonatszeitraum seine Referenzmenge, soweit er sie in einem Zwölfmonatszeitraum nicht selbst nutzt, für diesen Zwölfmonatszeitraum einem anderen Milcherzeuger zur Nutzung überlassen. Eine entsprechende Überlassungsvereinbarung ist nach § 7a Abs. 2 Satz 1 MilchAbgV 2004 zwischen dem Überlassenden und dem Übernehmenden schriftlich abzuschließen und muss nach Satz 2 der Vorschrift dem Käufer (Molkerei) bis zum 31. März des betreffenden Zwölfmonatszeitraums zur Registrierung vorliegen. Daraus folgt, dass eine Überlassung der Referenzmenge für einen bestimmten Zwölfmonatszeitraum nicht registriert werden darf, wenn die schriftliche Überlassungsvereinbarung der Molkerei nicht bis zum 31. März dieses Zwölfmonatszeitraums vorgelegt worden ist. Grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfragen ergeben sich aus diesem insoweit eindeutigen Verordnungstext nicht.

c)

Da der Milcherzeuger die nicht genutzte Referenzmenge sowohl in dem Zwölfmonatszeitraum, in welchem die Voraussetzungen des § 7a Abs. 2 Satz 1 MilchAbgV 2004 eingetreten sind, als auch im nächsten Zwölfmonatszeitraum, also ggf. auch nur in einem dieser beiden Zwölfmonatszeiträume einem anderen Milcherzeuger überlassen kann, muss --wovon offenbar auch das FG ausgegangen ist-- aus der der Molkerei vorgelegten Überlassungsvereinbarung hervorgehen, für welche Zeiträume die Referenzmenge zeitweilig überlassen werden soll. Nach den Feststellungen des FG war dies bei der Überlassungsvereinbarung vom 21. Februar 2005 nicht der Fall; vielmehr hat der Kläger erst in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Überlassung für den Zwölfmonatszeitraum 2004/2005 habe wirksam werden sollen.

Soweit das FG wegen dieser zunächst fehlenden und erst nach Ablauf des Zwölfmonatszeitraums 2004/2005 nachgeholten Angabe der zeitlichen Geltung der Überlassung die Vorlage bei der Molkerei bzw. ihre Vervollständigung als nicht rechtzeitig angesehen hat, handelt es sich um eine auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung des FG. Es ist eine Frage des Einzelfalls, ob eine der Molkerei zugeleitete Überlassungsvereinbarung als in wesentlicher Hinsicht unvollständig und deshalb als (noch) nicht vorgelegt anzusehen ist. Gründe für die Zulassung der Revision sind insoweit weder dargelegt noch ersichtlich. Es kommt auch nicht darauf an, ob ebenso eine andere Würdigung dahin möglich wäre, dass eine Überlassungsvereinbarung --auch ohne ausdrückliche Angabe ihrer beabsichtigten zeitlichen Geltung-- für jedenfalls den Zwölfmonatszeitraum gelten soll, in welchem sie der Molkerei vorgelegt worden ist. Insbesondere in Anbetracht der Feststellung des FG, dass die erkrankten Kühe in den Zwölfmonatszeiträumen sowohl 2003/2004 als auch 2004/ 2005 getötet worden waren, sowie des Umstandes, dass die Überlassungsvereinbarung erst kurz vor dem Ende des Zwölfmonatszeitraums 2004/2005 vorgelegt wurde, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG die der Molkerei Ende Februar 2005 vorgelegte Überlassungsvereinbarung als in zeitlicher Hinsicht nicht eindeutig und insoweit ergänzungsbedürftig und erst mit dieser Ergänzung als vollständig vorgelegt angesehen hat.

2.

Welche Auffassung das FG letztlich zum Ausdruck bringen wollte, kann dahinstehen, da sich das Urteil des FG jedenfalls aus anderen als von ihm angenommenen Gründen als richtig erweist, so dass die Revision nach § 126 Abs. 4 FGO, der im Beschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden ist, nicht zuzulassen ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 20. April 1988 I R 67/84, BFHE 154, 5, 6, BStBl II 1988, 927; vom 13. November 1997 V R 62/96, BFH/NV 1998, 606, 607). Die Voraussetzungen des auf den Streitfall anzuwendenden § 7a Abs. 1 Satz 1 MilchAbgV 2004 liegen nicht vor. Um einen in Nr. 1 der Vorschrift geregelten Fall handelt es sich unstreitig nicht; nach den Feststellungen des FG kann aber auch nicht angenommen werden, dass die Voraussetzungen der Nr. 2 gegeben sind. Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass er aus Gründen höherer Gewalt gezwungen war, die Kühe schlachten zu lassen. Werden --wie im Streitfall-- Milchkühe, die an einer nicht tödlichen Krankheit leiden, über einen längeren Zeitraum hinweg nach und nach der Schlachtung zugeführt, weil sie wegen der Erkrankung keine Milchleistung mehr erbringen, liegt keine Nottötung infolge höherer Gewalt vor.

3.

Anders als die Beschwerde meint, verstoßen die Regelungen in § 7a MilchAbgV 2004 nicht gegen Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 (VO Nr. 1788/2003) des Rates vom 29. September 2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. 1 270/123). Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 1788/2003 überlässt es den Mitgliedstaaten, die Übertragungsmöglichkeiten (u.a.) auf der Ebene der Abnehmer zu begrenzen und insbesondere in Fällen höherer Gewalt, in denen die Produktionskapazität eingeschränkt ist, zu regeln. Von dieser Möglichkeit hat der Verordnungsgeber Gebrauch gemacht, indem er die zeitweilige Überlassung von Referenzmengen nur auf der Ebene der Molkerei und nur unter den in § 7a Abs. 1 Satz 1 MilchAbgV 2004 geregelten Voraussetzungen zugelassen hat. Da es nach Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 1788/2003 um die Genehmigung zeitweiliger Übertragungen "vor dem Ende eines jeden Zwölfmonatszeitraums" geht, begegnet es auch keinen gemeinschaftsrechtlichen Bedenken, dass § 7a Abs. 2 Satz 2 MilchAbgV 2004 die Vorlage der schriftlichen Überlassungsvereinbarung bis zum 31. März des jeweiligen Zwölfmonatszeitraums verlangt. Anhaltspunkte, die Anlass gäben, die von der Beschwerde bezeichnete Frage in einem Revisionsverfahren dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorzulegen, sieht der Senat daher nicht.

4.

Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO ist nicht schlüssig dargelegt. Dass das FG-Urteil in einer konkreten Rechtsfrage von höchstrichterlichen Entscheidungen abweicht oder ihm Rechtsfehler von erheblichem Gewicht unterlaufen sind, ergibt die Beschwerdebegründung nicht.

5.

Ob der gerügte Verfahrensfehler der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in Form einer sog. Überraschungsentscheidung vorliegt, kann offenbleiben, da nach den vorstehenden Ausführungen die FG-Entscheidung jedenfalls nicht auf dem Mangel beruht.

Die unterbliebene Beiladung des anderen an der Überlassungsvereinbarung beteiligten Landwirts ist erst nach Ablauf der Frist für die Begründung der Beschwerde (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) gerügt worden. Die Auffassung der Beschwerde, eine unterbliebene notwendige Beiladung könne auch außerhalb der Begründungsfrist wirksam gerügt werden, trifft nicht zu.

Ende der Entscheidung

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